Bilingualer Unterricht in Deutschland – zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich auf eine langanhaltende
Erfolgsgeschichte zurückblicken, die insbesondere im letzten Jahrzehnt enormen Aufschwung erfahren hat. Vorteile für Schülerinnen und Schüler durch den bilingualen Unterricht (im europäischen Kontext bekannt als *Content and Language Integrated Learning*, kurz: CLIL) sind hinlänglich bekannt und seit etwa 20 Jahren auch umfangreich evaluiert. Dabei ging man jedoch meist auf den sprachlichen Nutzen ein, bevor auch der inhaltliche Zugewinn im Bereich der Sachfächer im Fokus stand. Über lange Zeit hinweg wurden Metaphern wie „‘two for the price of one’ and the ‘added value of CLIL’” (Bonnet, 2012b, S. 66) als eine Art Werbeslogan für das Unterrichtskonzept genutzt, ohne über die notwendige Evidenz aus Forschungssicht zu verfügen. Bonnet (2012b) mahnt daher an, nicht blind dem Optimismus zu verfallen, den der bilinguale Unterricht versprüht (Bonnet, 2012b, S. 66). Erst seit kurzem stehen auch emotional-affektive Faktoren im Mittelpunkt der bilingualen Schulforschung, die dadurch insbesondere die Eignung von bilingualem Unterricht für verschiedene Schüler und Schulformen in den Blick nimmt.
Die vorliegende Arbeit, eine quasi-experimentelle Fragebogenstudie im eigens gegründeten Projekt *bi(o)lingual*, knüpft an diesem Punkt an, denn sie kombiniert die Untersuchung der motivationalen Veränderungen mit einer Evaluation der Selbstwirksamkeit und Sprachangst der Schüler. Das Setting ist nicht wie üblich in den bilingualen Profilklassen, sogenannten Zügen bzw. Zweigen, angelegt, sondern nimmt eine deutlich heterogenere Schülergruppe (n = 241) im Biologieunterricht der 10. Jahrgangsstufe in den Blick. Um vergleichende Aussagen treffen zu können, wurden zudem Schüler aus bilingualen Zweigen (n = 89) in die Erhebungen einbezogen. Dieser Aspekt berücksichtigt die Limitationen anderer Studien, die durch die explizite Beforschung bilingualer Zweige die Entstehung des *creaming effect* (Küppers & Trautmann, 2013; Rumlich, 2016) gefördert haben. Damit ist gemeint, dass in diesen Kursen oftmals die sowieso schon motivierten und sprachbegabten Schüler zu finden sind, die sich durch den bilingualen Unterricht hinsichtlich sprachlicher und fachlicher Kompetenzen noch weiter von monolingual unterrichteten Vergleichsgruppen abheben. In der vorliegenden Studie wurden deshalb Schüler ohne bilinguale Unterrichtserfahrung in der sogenannten Modulform, also einer kurzen bilingualen Einheit, in Biologie unterrichtet. Die Intervention wurde mittels Fragebögen im Pre-Post-Follow-up-Design bezüglich motivationaler Veränderungen sowie Variationen in der schulischen Selbstwirksamkeit und der Sprachangst im Englischen analysiert.
Die übergeordnete Fragestellung lautete „Wie wirken sich bilinguale Module auf motivationale Faktoren bei teilnehmenden Schülern aus?“ und wurde durch einzelne Teilstudien untersucht. In **Manuskript I** ging es um die bisher erfolgte Forschung zum bilingualen Unterricht und die sich daraus ableitenden Desiderata, die für zukünftige Studienvorhaben interessant sein könnten. Es wurde offenbar, dass bisherige Forschungsergebnisse im Bereich des sprachlichen und fachlichen Wissenszuwachses noch einmal in nicht selektierten Schülergruppen repliziert werden müssen, um die Wirksamkeit des Konzepts uneingeschränkt in stärker inklusiven Settings bestätigen zu können. Ein weiterer Fokus sollte auf den affektiven Merkmalen von Schülern in bilingualen Unterrichtskonzepten liegen. Großer Forschungsbedarf besteht auch in der Art der bilingualen Unterrichtserteilung und der oft mangelnden Qualifikation der entsprechenden Lehrkräfte.
**Manuskript II** widmete sich den motivationalen Veränderungen, die bei teilnehmenden Schülern durch ein bilinguales Modul zum Thema Enzymatik erreicht wurden. Während die extrinsische Motivation sowohl für Biologie als auch Englisch unverändert blieb, wurden Abnahmen beim Englisch- und Biologieinteresse sowie der intrinsischen Motivation beider Fächer festgestellt. Im Follow-up wurde die Bedeutsamkeit der Fremdsprache jedoch retrospektiv erkannt. Außerdem zeigte sich, dass englischgeneigte Schüler eine Verringerung ihrer Biologieneigung erfuhren, während biologiegeneigte Schüler eine gleichbleibende Englischneigung aufwiesen. Eine Verbesserung oder gar Umkehrung der Fächervorlieben wurde durch eine kurze Intervention demnach noch nicht erreicht.
Der Fokus von **Manuskript III** lag auf der Subgruppenanalyse, in der insbesondere potentielle Geschlechterunterschiede bei der Wirksamkeit bilingualer Module interessierten. Die Ergebnisse zeigen, dass die Selbstwirksamkeit der Mädchen über den Verlauf von zwei bilingualen Modulen abnahm und zu jedem Testzeitpunkt geringer als die der Jungen war, was mit einigen Studien zu Geschlechterunterschieden, die sich über die Schullaufbahn entwickeln, übereinstimmt (z.B. Hannover, 1998; Daniels, 2008). Für beide Geschlechter wurden sinkende Werte der Englischmotivation über zwei Module festgestellt, es kam in den Augen der Schüler also zu einer unerwünschten Verschiebung des Unterrichtsgegenstands.
**Manuskript IV** beschäftigte sich mit der Frage, ob bilingualer Unterricht auch für Schüler einer eher untypischen Zielgruppe, nämlich solchen mit hoher Sprachangst und geringer Selbstwirksamkeitserwartung, positive Effekte aufweisen kann. Diese Annahme bestätigte sich, denn Schüler mit hoher Angst im englischen Sprachgebrauch konnten eine signifikante Reduktion ihrer Angst durch zwei Module erreichen und auch wenig selbstwirksame Schüler schätzten sich durch die Teilnahme an zwei bilingualen Modulen schlussendlich selbstwirksamer ein. Diese Ergebnisse zeigen, dass das Gefühl, eine neue Herausforderung bewältigt zu haben und die Tatsache, die Fremdsprache nur als Mittel zum Zweck zu verwenden, für eben diese Schüler sehr gewinnbringend ist.
In **Manuskript V** wurde mittels Regressionsanalyse versucht, Prädiktoren für eine gesteigerte Englisch- oder Biologieneigung am Ende von zwei bilingualen Modulen zu bestimmen. Die Neigung fiel umso höher aus, je positiver dieselbe Neigung schon vor Beginn des zweiten Moduls bewertet wurde. Weitere bedeutende Prädiktoren konnte nicht identifiziert werden.
Die Befunde dieser Arbeit deuten darauf hin, dass die motivationalen Veränderungen für die Fächer Biologie und Englisch durch die Teilnahme an bilingualen Modulen nicht immer positiv ausfallen. Die Untersuchung spezieller Untergruppen, beispielsweise bezüglich Sprachangst und Selbstwirksamkeit, erbrachte jedoch erfreuliche Ergebnisse, die Anlass geben, das bilinguale Unterrichtskonzept vermehrt in heterogenen Schulklassen einzusetzen. Weiterführende Studien müssen aber zwingend die bisherigen Ergebnisse mit zusätzlichen empirischen Befunden belegen, damit der Modulansatz als solcher legitimiert wird. Dazu sind auch qualitative Studien empfehlenswert, um mitunter negative Bewertungen der bilingualen Module durch eine ausführliche Begründung besser nachvollziehen und entsprechend modifizieren zu können.