Hintergrund: Studienergebnisse weisen darauf hin, dass die gesundheitliche Versorgung geistig behinderter Menschen defizitär verläuft. Dies trifft auch auf Deutschland zu, obwohl hier bereits 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert wurde und zahlreiche politische Aktivitäten zur Umsetzung folgten. Hinweise auf Anpassungsmöglichkeiten der vorhandenen nationalen Versorgungsstrukturen sind daher von hoher Bedeutung. Dafür ist es zunächst notwendig zu wissen, wie sich die Versorgungssituation aktuell darstellt.
Methodik: Zur Bestandsaufnahme der gesundheitlichen Versorgungssituation geistig behinderter Menschen in Deutschland wurde eine explorative qualitative Untersuchung mittels teilstandardisierter Leitfadeninterviews durchgeführt. Befragt wurden Bezugspersonen der Betroffenen sowie professionelle Akteure der Versorgung. Die Auswertung erfolgte mittels eines strukturierenden inhaltsanalytischen Vorgehens in Anlehnung an Mayring und Gläser & Laudel.
Ergebnisse: Hinweise auf Herausforderungen in Bezug zur gesundheitlichen Versorgung der Zielgruppe finden sich im Kontext der Inanspruchnahme, in Bezug auf den Zeitbedarf der Betroffenen und die Zeitressourcen der Akteure sowie in Bezug auf die Kooperation zwischen den Beteiligten. Hinweise auf Einflussfaktoren zeigten sich auf drei Ebenen. Auf Ebene der Betroffenen stehen eine häufig begrenzte Compliance und Kommunikationsfähigkeit sowie Verhaltensauffälligkeiten im Vordergrund. Auf Ebene der Akteure stellen der Umgang mit den Betroffenen sowie die Qualifikation der Akteure zentrale Einflussfaktoren dar. Auf Systemebene sind personelle und zeitliche Ressourcen sowie das aktuelle Vergütungssystem relevante Einflussfaktoren. In den Schilderungen der Interviewpartner*innen finden sich zudem zahlreiche Hinweise auf Veränderungspotentiale.
Fazit: Die Ergebnisse deuten an, dass es bisher in Deutschland, trotz zahlreichen Aktivitäten, nicht gelungen ist die Vorgaben der UN-BRK zur Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderung umzusetzen. Weitere Forschungsaktivitäten sind notwendig, um die bestehenden Versorgungsstrukturen eingehend zu analysieren und Möglichkeiten für eine Anpassung an die spezifischen Bedarfe geistig behinderter Menschen aufzuzeigen.