Kurzfassung
Das 3. Ranking Politische Bildung 2019 misst den Stellenwert der politischen Bildung in Schulen der Sekun-darstufe I und liefert einen quantitativen Vergleich der Bundesländer. Der empirische Indikator für die Rele-vanz schulischer politischer Bildung ist die Stundentafelquote des Leitfaches der politischen Bildung. Sie erfasst, vereinfacht gesprochen, den Anteil politischer Bildung an der gesamten Lernzeit eines Bildungs-gangs.
Von einer Gleichwertigkeit des Rechts auf politische Bildung kann keine Rede sein. Die Bundesländer schneiden im Ranking Politische Bildung sehr unterschiedlich ab. Die Demokratie behandelt ihre jungen Bürgerinnen und Bürger bei der politischen Bildung sehr ungleich. Bund und Länder schenken der politischen Chancengleichheit der jungen Generation wenig Aufmerksamkeit, wie man an Stundentafeln und Lehrplänen für die politische Bildung ablesen kann.
Allerdings hat sich die Situation des Leitfaches der politischen Bildung an den Gymnasien gegenüber dem Vorjahr in drei Ländern quantitativ verbessert: Berlin, Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Die nicht-gymnasialen Schulformen bleiben demgegenüber deutlich zurück, hier ist nur für Berlin eine Verbesserung zu vermerken.
Unverändert ist die Lage in den Ländern auf den letzten Plätzen: Bayern, Thüringen und Rheinland-Pfalz. Mit Ausnahme der Aufsteiger Berlin und Sachsen bleiben auch die Mitglieder der Mittelmäßigkeitsgruppe beim Gymnasium konstant: Sachsen-Anhalt, Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Baden-Württemberg. Bei den nicht-gymnasialen Schulformen schneiden Baden-Württemberg und das Saarland jedoch besser ab.
Kinder und Jugendliche sind hier und jetzt Bürgerinnen und Bürger mit politischem Interesse und Wunsch nach Mitbestimmung. Deshalb untersucht das 3. Ranking die Platzierung von politischer Bildung im Bil-dungsgang (Kap. 2). Sechs Länder halten Kinder und Jugendliche lange von politischer Bildung fern: Thü-ringen, das Saarland, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen beginnen damit frühestens in Klasse 8, Bayern sogar erst in Klasse 10.
Nicht nur der Beginn, sondern auch die Kontinuität des Politikunterrichts ist unbefriedigend. Nur in vier Län-dern reicht das Stundenkontingent rechnerisch für einen durchgängig zweistündigen Politikunterricht am Gymnasium in drei Schuljahren (Niedersachsen, Sachsen, Hessen, Schleswig-Holstein), nur in einem Land für vier Jahre (Nordrhein-Westfalen). In Bayern, Thüringen und Rheinland-Pfalz ist die Zeit zu knapp, um zwei volle Schuljahre zu bedienen.
Das 3. Ranking vergleicht erstmals die Lernzeit für politische Bildung mit der verbindlichen Zeit für Berufsori-entierung einschließlich Schülerbetriebspraktikum, die zur ökonomischen Bildung zählt (Kap. 3). Die Fallstu-dien für Niedersachsen und Baden-Württemberg belegen, dass vergleichsweise große Zeitkontingente für außerunterrichtliche Maßnahmen der Berufsorientierung vorgeschrieben sind. So steht in Niedersachsen für die obligatorische Berufsorientierung mehr Lernzeit zur Verfügung als für das Leitfach der politischen Bil-dung. Für die Demokratiebildung existieren weder verbindliche Maßnahmen noch verlässliche Zeitkontingen-te.
Die Analyse der Daten zeigt erneut, dass die Bildungspolitik die sehr große Ungleichheit beim Erwerb von politischer Kompetenz und demokratischen Einstellungen in der Schule beseitigen muss. Das gilt auch hin-sichtlich der Zeitressourcen für die politische Bildung und die Demokratiebildung im Vergleich zur obligatori-schen Berufsorientierung.
Vor dem Hintergrund unserer Ergebnisse fordern wir die Kultusministerkonferenz und die Länderministerien auf, die Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen bei der politischen Bildung durch die Vereinbarung und Umsetzung von drei Mindeststandards herzustellen:
-Politische Bildung wird in der Sekundarstufe I durchgehend in allen Jahrgängen unterrichtet.
-Das Leitfach der politischen Bildung umfasst mindestens vier Prozent der gesamten Lernzeit.
-Für außerunterrichtliche Lernformen der politischen Bildung und der Demokratiebildung stehen mindestens fünf Unterrichtstage pro Schuljahr verbindlich zur Verfügung.