Der Schlaganfall gehört mittlerweile zu den häufigsten Erkrankungen in Deutschland und
zur dritthäufigsten Todesursache (Heuschmann et al. 2010, S. 340). Aufgrund immer kürzerer akutstationärer Aufenthalte wird die Nachsorge und Rehabilitation der Schlaganfallpatienten immer bedeutsamer. Es gilt „Vorrang der Rehabilitation vor der Pflege“, Rehabilitation soll mögliche Behinderungen als Folge von Erkrankungen abwenden, beseitigen oder mindern, Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit verhindern und Pflegebedürftigkeit vermeiden (SGB XI 2019, § 31). Nach einer stationären Rehabilitation wird der Patient aber meistens ohne weitere Therapieangebote entlassen. Eine vollständige Genesung ist zu diesem Zeitpunkt häufig noch nicht gegeben. Telerehabilitation ist ein erfolgversprechender Ansatz, um Schlaganfallpatienten zu
rehabilitieren. Unter Telerehabilitation versteht man allgemein die Durchführung von Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation – häufig über eine räumliche und/ oder zeitliche Distanz hinweg – unter der Nutzung interaktiver Telekommunikationstechnologien (John et al. 2015). Aktuell spielt Telerehabilitation in der Versorgungspraxis keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Für eine Überführung telematischer Anwendungen zu einer regelhaften Anwendung ist die Akzeptanz der Nutzer bzw. des medizinischen Personals entscheidend (Dockweiler et al. 2019a; Göres 2009; Hossain et al. 2019), bisher ist aber nur wenig über die Akzeptanz internetgestützter Therapieangebote bekannt (Dockweiler et al. 2019b). Aus diesem Grund untersucht die vorliegende Arbeit, welche Einflussfaktoren auf den Adoptions- und Akzeptanzprozess bei der Einführung einer telemedizinischen Reha-Anwendung für Schlaganfallpatienten von klinisch tätigen Ärzten, Physio- und Ergotherapeuten wirken und ob die ermittelten Einflussfaktoren zur Untersuchung und Beschreibung von Technikadoptionsprozessen geeignet sind. Das der Arbeit zugrundeliegende theoretische Modell wurde aus den Ergebnissen eines Literature Reviews und auf Grundlage der Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT) entwickelt. Basierend auf dem Modell wurden klinisch tätige Ärzte und Therapeuten mittels leitfadengestützter Interviews befragt und die Interviews inhaltsanalytisch ausgewertet. Anhand dieser Ergebnisse konnte das entwickelte theoretische Modell weiter angepasst werden. Zur Datentriangulation und Untersuchung moderierender Faktoren (Alter, Geschlecht etc.) wurde der Fragebogen zur Technikaffinität (TA-EG) eingesetzt. Die ermittelten Haupteinflussfaktoren auf den Adoptionsprozess bei der Einführung einer telemedizinischen Reha-Anwendung sind: „Leistungserwartung“, „Aufwandserwartung“,
„Rahmenbedingungen“, „Eigenschaften Patient“, „Kosten“ „Organisation“ und „Evidenz“. Im Vergleich der beiden Berufsgruppen – Ärzte und Therapeuten – zeigen sich deutliche Unterschiede hinsichtlich der Einstellung gegenüber Telerehabilitation und Technik. Telerehabilitation in der alleinigen Anwendung oder im Vergleich zu anderen rehabilitativen Therapieverfahren liefert solide, positive Therapieergebnisse. Der Fragebogen zur Technikaffinität (TA-EG) zeigte sich zur Untersuchung der Einstellung des Nutzers gegenüber Technik als ungeeignet. Das Alter hat einen signifikanten Einfluss auf die positive Einstellung gegenüber Technik. Je jünger der Nutzer, umso positiver seine Einstellung gegenüber Technik. Die Einflussfaktoren auf die Einstellungsbildung unterscheiden sich von Nutzergruppe zu Nutzergruppe, was bei der Einführung innovativer Technologien im Krankenhaus entsprechend zu berücksichtigen ist. Neben der „Evidenz“ und der „Aufwandserwartung“ wird die Handlungsintention von klinisch tätigen Ärzten und Therapeuten wesentlich durch die „Leistungserwartung“ determiniert.