Seit jeher ist es von großem menschlichen Interesse, Lügen bei anderen erkennen zu können. Im Laufe der Jahrhunderte wurden verschiedenste Methoden entwickelt, die die Detektion von Lügen ermöglichen sollten. Mit dem Aufkommen der bildgebenden Verfahren in jüngerer Zeit rückten diese in den Fokus des Forschungsinteresses. Aufgrund der technischen Erfordernisse sind sie bisher jedoch nur in Laborumgebungen einsetzbar. Ungeachtet der vielfältigen Vorteile von Laborstudien wird ihnen häufig eine gewisse Künstlichkeit vorgeworfen. Es wird kritisiert, dass die dort verwendeten Paradigmen und die daraus resultierenden Ergebnisse häufig nicht auf die Realität übertragbar seien. In der Tat erscheinen viele der bisher verwendeten Versuchsparadigmen im Bereich der Lügenforschung von einem realistischen Lügenverhalten weit entfernt zu sein, insbesondere wenn es um die Abbildung krimineller Kontexte geht. Mit der vorliegenden Arbeit wurde der Versuch unternommen, sowohl den Erfordernissen einer Studie auf Basis funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) gerecht zu werden, als auch sich den Ansprüchen an ein realistischeres Lügenszenario anzunähern.<br />Untersucht wurden 32 Versuchsteilnehmer mittels fMRT. Die Probanden sahen zuvor einen Film, der einen Tankstellenüberfall aus der Ego-Perspektive zeigt. Eine Hälfte der Versuchsteilnehmer sollte sich vorstellen, sie befände sich selbst in der dargestellten Situation und sei Komplize der Täter. Die Versuchsteilnehmer sollten in einer anschließenden Befragung die Täter decken. Bei allen Aussagen, die für die Täter belastend sind (relevante Aussagen), sollten sie lügen, bei allen anderen (irrelevante Aussagen) sollten sie die Wahrheit sagen, um keinen unnötigen Verdacht zu erregen. Ihre Reaktionen wurden mit denen einer Kontroll-Gruppe verglichen. Damit die gemessenen Unterschiede zwischen den Gruppen nicht allein auf eine stärkere Beanspruchung kognitiver Ressourcen der Komplizen-Gruppe zurückzuführen sind, sollte die Kontroll-Gruppe ebenfalls zwischen relevanten und irrelevanten Aussagen unterscheiden, sich aber genau entgegengesetzt verhalten. Sie sollte bei den relevanten Aussagen die Wahrheit sagen und bei den irrelevanten lügen. Auf diese Weise wurde der *cognitive load* insgesamt über beide Gruppen gleich gehalten. Zusätzlich wurden alle Versuchsteilnehmer bei jeder Aussage gefragt, wie sicher sie sich sind, die richtige Antwort zu kennen, um Raten kontrollieren zu können.<br />Lügen ging gegenüber aufrichtigen Aussagen u. a. mit stärkeren Aktivierungen im bilateralen dorsolateralen und ventrolateralen Cortex, im Gyrus frontalis superior (einschließlich lokaler medialer Maxima), im anterioren und mittleren Cingulum, im Nucleus caudatus und im inferiorparietalen Bereich einher. Zusätzlich zeigte eine Regressionsanalyse einen positiven Zusammenhang zwischen der Intelligenzausprägung der Teilnehmer und lügenassoziierter Aktivität im Bereich des rechten Putamens.<br />Die gemessenen lügenspezifischen Aktivierungen stehen größtenteils im Einklang mit dem Konsens der bisherigen Forschungsarbeiten zu den neuronalen Grundlagen des Lügens. Auch wenn sich das verwendete Versuchsparadigma in seiner Erlebensqualität sicherlich noch weit von realen kriminellen Ereignissen unterscheidet, wurde über das genutzte Studienmaterial der Versuch einer Annäherung an ein realistisches Szenario unternommen. Die Ergebnisse lassen die Hoffnung aufkeimen, dass viele der Resultate der bisherigen Forschung trotz der Künstlichkeit der meisten Studien sich durchaus auch auf realistischere Lügenszenarien übertragen lassen.