Im Zuge einer sich drastisch veränderten Ausbildungsmarktlage erfolgte im Jahr 2018 ein Anstieg des betrieblichen Ausbildungsplatzangebots. Gab es vor einigen Jahren noch deutlich zu wenige Ausbildungsplätze, so verkehrte sich diese Angebots-Nachfrage-Relation innerhalb der vergangenen Jahre deutlich – von einem Nachfrageüberhang zu einem starken Angebotsüberhang, was viele Ausbildungsbetriebe über einen Mangel an Bewerbenden und über unzureichend qualifizierte Ausbildungsplatzbewerbenden mit mangelnder Ausbildungsreife klagen lässt.
Um Ausbildungsplätze überhaupt besetzen zu können, münden in der Konsequenz immer mehr Jugendliche mit einem geringen Bildungsniveau in vermeintlich „einfachere“ Ausbildungsberufe ein. Bereits im Jahr 2007 konnten beträchtliche Probleme und Belastungen eben jener Auszubildenden, so auch der des Ausbildungsberufs Kaufmann/-frau im Einzelhandel, ermittelt werden. Für die Struktur dieses Ausbildungsbereichs bedeutet die vorstellte Problematik, dass überwiegend Jugendliche mit einem niedrigen Bildungsniveau, gar mit mangelnder Ausbildungsreife diesen Ausbildungsberuf ergreifen. Vorzeitige Ausbildungsabbrüche, Probleme durch geringe physische wie psychische Belastbarkeit sowie durch mangelnde lebenspraktische Kompetenzen, sind die Folge.
Neueste Erkenntnisse aus dem Bereich der sozialen Unterstützung, insbesondere im Berufskontext, konnten gesundheitsförderliche Puffereffekte im Stress- und Problembewältigungsprozess der Mitarbeitenden durch soziale Unterstützung des Führungspersonals belegen. Die Auswirkungen sozialer Unterstützung des Ausbildungspersonals auf Auszubildende, sollten jedoch mit der vorliegenden Studie, beispielhaft anhand des Ausbildungsberufs Kaufmann/-frau im Einzelhandel, erstmals untersucht werden. Folgende zentrale Forschungsfragen lagen der Studie zugrunde:
Durch welche Merkmale sollte sich eine sozialunterstützende betriebliche Ausbildungspraxis sowohl aus Perspektive der Auszubildenden als auch der des betrieblichen Ausbildungspersonals im Ausbildungsberuf Kaufmann/-frau im Einzelhandel auszeichnen? Variiert der Bedarf an sozialer Unterstützung je nach der Phase der Ausbildung und den regionalen Bedingungen? Was bedeuten die gewonnenen Forschungsergebnisse für die zukünftige Ausgestaltung der betrieblichen Ausbildungspraxis im Ausbildungsberuf Kaufmann/-frau im Einzelhandel?
Ausgehend der Zielsetzung der Rekonstruktion möglicher Merkmale für eine sozialunterstützende betriebliche Ausbildungspraxis als Implikation für eine betriebliche Ausbildungspraxis im Umgang mit leistungsschwächeren Auszubildenden, wurde ein qualitativ-rekonstruktives Verfahren gewählt. Anhand leitfadengestützter Gruppendiskussionen sowohl mit Auszubildenden als auch betrieblichem Ausbildungspersonals und der dokumentarischen Auswertungsmethode, gelang es verschiedene Erfahrungsräum zu erarbeiten.
Die gewonnenen Studienergebnisse konnten zeigen, dass die Auszubildenden die Rolle der Unterstützungsempfänger ähnlich eines eindimensionalen starren Modells einnehmen, die im Rahmen einer sozialunterstützenden betrieblichen Ausbildungspraxis von Seiten des betrieblichen Ausbildungspersonals in der Rolle der Unterstützungsgeber durch Interaktion soziale Unterstützung erfahren. Des Weiteren konnte ermittelt werden, dass es sich bei einer sozialunterstützenden betrieblichen Ausbildungspraxis um ein Konstrukt bestehend aus sieben Merkmalen handelt: 1. Rolle der Lernenden, 2. Wissensvermittlung, 3. Berufsbiografische Perspektiven, 4. Vermeidung von Rollenkonflikten, 5. Vermeidung von Desillusionierung, 6. Selbstgesteuertes Lernen, 7. Restriktionen der Unterstützungsleistungen. Alle Merkmale werden innerhalb der Studie ausführlich in ihren Einzelheiten dargestellt.