Prädiktoren, Korrelate und Folgen von Studienerfolg sind Gegenstand des
wissenschaftlichen Diskurses in nahezu allen Fachdisziplinen. Ein erfolgreiches
Studium ist nicht nur für Studierende, sondern auch für Hochschulen sowie
gesamtgesellschaftlich von Relevanz. Es stellt sich deshalb die Frage, wie
Studienerfolg gesteigert werden kann. Im Fokus steht dabei die von vielen
Studierenden als kritisch erlebte Studieneingangsphase, deren erfolgreiche
Bewältigung in besonderem Maße bedeutsam für den Studienerfolg ist. Vor allem
mathematische Grundlagen sind in vielen Fächern zu Beginn des Studiums eine
Herausforderung.
Auch im Fach Psychologie stellen mathematische Anforderungen oftmals eine Hürde
dar. Wenn Psychologiestudierende im ersten Studienjahr wenig erfolgreich sind, steht
dies häufig im Zusammenhang mit Schwierigkeiten in statistisch-methodischen
Modulen. National und international fokussieren Universitäten daher in der
Psychologie die Förderung mathematischer Kompetenzen zur Erhöhung des
Studienerfolgs. An der Universität Bielefeld wurden verschiedene
Unterstützungsmaßnahmen für Psychologiestudierende der ersten beiden
Fachsemester konzipiert, evaluiert und weiterentwickelt. Die Implementation der
Maßnahmen, ihre Nutzung durch die Studierenden und ihre Effekte auf den
Studienerfolg werden in dieser Arbeit untersucht. Im Fokus der vorliegenden
Dissertation steht somit die Erhöhung des Erfolgs in mathematisch-statistischen
Modulen des Psychologiestudiums.
Drei längsschnittliche Studien untersuchen die flexible Maßnahmengestaltung im
Vergleich dreier Kohorten (Studie I), die Nutzung und die Effekte einer Maßnahme
(Vorkurs) zu Studienbeginn (Studie II) und die Nutzung und die Effekte einer
Maßnahme (Mal- und Knobelbuch) nach dem zweiten Semester zur Rekapitulation
der Studieninhalte des ersten Jahres (Studie III). In allen Studien wurden die Frequenz
der Angebotsnutzung sowie Merkmale Studierender, die diese nutzen, ermittelt, um
Aussagen über die Zielgruppenerreichung treffen zu können. Des Weiteren wurden
Auswirkungen der Maßnahmen auf den Studienerfolg untersucht und dabei
anfängliche Merkmale der heterogenen Studierenden einbezogen sowie auch
differentielle Effekte der Maßnahmen je nach Studierendencharakteristika betrachtet.
In allen Studien wurde der mathematische Studienerfolg auf subjektiver und objektiver Ebene erfasst. Subjektive Erfolgskriterien umfassen dabei die Beurteilung der
Studienbedingungen, also der Modulgestaltung und der Unterstützungsangebote, die
wahrgenommene Bewältigung der mathematikbezogenen Anforderungen, also das
Verständnis und das Zurechtkommen mit den Inhalten, und den wahrgenommenen
Erwerb von Kompetenzen. Als objektives Kriterium wurde die Modulnote in Statistik
betrachtet.
In Studie I wurden Nutzung und Effekte von semesterbegleitenden
Unterstützungsmaßnahmen in mehreren Kohorten analysiert. Bei zunehmender
Flexibilisierung und Ausgestaltung der Lernumgebung änderte sich die
Nutzungshäufigkeit der Angebote: Vor allem die gesammelte Bereitstellung der
Angebote in einer Online-Lernumgebung und die Einbettung in die Vorlesung führten
zu einer vermehrten Nutzung. Zusätzliche Maßnahmen führten weder zu einer höheren
noch zu einer niedrigeren Nutzungshäufigkeit, und ähnliche Angebote wurden parallel
statt alternativ genutzt. Es zeigte sich, dass Studierende späterer Kohorten, mit mehr
und flexibleren Unterstützungsangeboten, bei Kontrolle ihrer geringeren
Ausgangskompetenzen, höhere Zufriedenheit und bessere Leistungen aufwiesen, und
demnach erfolgreicher studierten.
Studie II evaluierte den Vorkurs „Richtig Einsteigen in Statistik“, der zu Beginn des
Studiums vor allem Studierende mit geringen Kompetenzen im mathematischen
Bereich auf die Studienanforderungen vorbereiten soll. Die Zielgruppe besuchte den
Vorkurs mehrheitlich und wies eine höhere Chance für eine Teilnahme auf als
Studierende ohne Bedarf. Dennoch nutzten auch viele Studierende ohne Bedarf das
Angebot. Teilnehmer1 wiesen insgesamt eine geringere Affinität zu Mathematik und
eine geringere allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung auf. Sofern vor dem Kurs
Kenntnisse und Kompetenzen gering ausgeprägt waren, stiegen diese bei Teilnehmern
im Vergleich zu Nicht-Teilnehmern. Besonders weniger kompetente Studierende
profitieren demnach vom Angebot. Im Einklang damit bewerteten Teilnehmer mit
Bedarf den Vorkurs in verschiedenen Aspekten positiver, wohingegen Teilnehmer
ohne Bedarf eher angaben, Sicherheit gewonnen zu haben. In Studie III wurden Nutzung und Wirksamkeit des „Mal- und Knobelbuch Statistik“
untersucht. Das Angebot wurde von der Mehrheit der Studierenden genutzt und
äußerst positiv bewertet. Nicht genutzt wurde das Angebot vor allem von Studierenden
mit eher geringeren Kompetenzen und mutmaßlich mehr Problemen im mathematischstatistischen
Bereich. Nutzer und Nicht-Nutzer mit vergleichbaren
Eingangsmerkmalen zeigten Unterschiede im Studienerfolg: Nutzer bewerteten die
Bewältigung der mathematischen Anforderungen im ersten Studienjahr positiver und
schnitten in der Klausur besser ab.
Insgesamt kann geschlussfolgert werden, dass die angebotenen
Unterstützungsmaßnahmen positive Effekte auf den Studienerfolg haben. Auch mit zu
Beginn geringen Kompetenzen sind Studierende bei Nutzung der
Unterstützungsmaßnahmen in der Lage, die Anforderungen angemessen zu bewältigen
und das Modul erfolgreich abzuschließen. Besonders hervorgehoben werden kann die
ökologische Validität der Untersuchungen, die im realen Studienkontext
längsschnittlich umgesetzt wurden und Daten vieler Studierender in zum Teil
mehreren Kohorten einbeziehen. Weiterhin wurden Effekte auf verschiedene
Studienerfolgskriterien analysiert und sowohl Prädiktoren auf Ebene der Studierenden
als auch auf Ebene der Studienbedingungen im Zusammenspiel untersucht, um dem
multifaktoriellen Wirkkontext im hochschulischen Lernumfeld gerecht zu werden.
Durch diese Begleitforschung bei der Umsetzung von Unterstützungsmaßnahmen
konnten diese optimiert und passgenau für die heterogene Studierendenschaft
angeboten werden.
Es zeigte sich studienübergreifend, dass besonders kompetente und motivierte
Studierende an allen Befragungen des längsschnittlichen Untersuchungsdesigns
teilnahmen und somit vor allem Studierende mit besonderem Unterstützungsbedarf
nicht ausreichend erreicht und untersucht werden konnten. Zukünftig sollte demnach
der Ausschöpfungsquote der Erhebungen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden (z.
B. anhand von Online-Befragungen) und Risikogruppen bereits frühzeitig identifiziert,
gezielt angesprochen und unterstützt werden.
Für den Vorkurs konnte bereits gezeigt werden, dass vor allem Studierende mit
geringeren Kompetenzen profitieren. Inwiefern andere Angebote differentielle Effekte
erzielen, konnte noch nicht eindeutig festgestellt werden und sollte künftig näher
untersucht werden, um Nutzungsempfehlungen präzisieren und Maßnahmen noch zielgruppenspezifischer ausgestalten zu können. Weiterhin sollte geprüft werden, ob
die gefundenen Effekte im Verlauf des Studiums langfristige Wirkung zeigen und sich
positiv auf den subjektiv bewerteten Studienerfolg und die erreichten Leistungen in
anderen Modulen auswirken. Auch sollte geprüft werden, inwiefern das Lern- und
Studierverhalten sowie die Maßnahmennutzung Zusammenhänge von
Studierendenmerkmalen und Studienerfolg vermitteln.