TY - THES AB - "Jede Nivellierung unterscheidet, jede Unterscheidung nivelliert. Ein Gleichheitsprinzip bedarf der Grenzziehung, um sich zur Geltung zu bringen". (Goblot 1994) Wenn "der Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen" dem gesellschaftlichen Wandel nach variiert wird, welche soziologische Theorie kann zur Ungleichheitsanalyse der heutigen pluralisierten, unübersichtlichen Gesellschaften eine adäquate Konzeption geben? In der Soziologie bezieht sich die Theorieentwicklung der sozialen Ungleichheit auf die dualistische Perspektive, entweder strukturalistische oder subjektzentrierte. Der vorliegenden Arbeit liegt die Frage zugrunde, wie in der Ungleichheitsanalyse der "Zwischen-Weg" zwischen objektiven Lebensbedingungen und subjektiven Lebensstilen zu finden ist, jedoch nicht als "Entweder-Oder-Frage". Die theoretische These bzw. das Interesse der vorliegenden Arbeit richtet sich gerade auf die wechselseitigen Beziehungen von gesellschaftlichen Strukturen und individuellen Handlungen. Um den komplementären Zusammenhang von beiden zu konzeptualisieren, nimmt die vorliegende Arbeit die zwei verschiedenen Lebensstilansätze als theoretische Grundlage: "die feinen Unterschiede" nach Bourdieu und "die Erlebnisgesellschaft" nach Schulze. "Die verfeinerten Unterschiede der Erlebnisgesellschaft" mit Hilfe einer empirischen Untersuchung zu erklären, ist eine der theoretischen Anregungen der vorliegenden Untersuchung. Um diesen hypothetischen Ansatz empirisch zu inspizieren, wurde in dieser Arbeit das Freizeitverhalten in der koreanischen Gesellschaft auf der Grundlage von Lebensstilkonzeptionen untersucht. Zur empirischen Operationalisierung der lebensstilrelevanten Bereiche wurden die Dimensionen des Lebensstils auf vier Ebenen unterschieden: expressive, sozialstrukturelle, evaluative und distinktive Dimension. Anhand der Ergebnisse der empirischen Untersuchung lässt sich die vorliegende Arbeit in vier Punkten resümieren. 1. Zwischen Lebensstilen und sozialen Lagen sowie Werthaltungen: Die Ergebnisse dieser empirischen Forschung bestätigten, dass die Ausprägungen der Lebensstile mit sozialstrukturellen Merkmalen offensichtlich verbunden sind und mit Werthaltungen, die wiederum mit objektiven Lagen zusammenhängen, korrespondieren. Alltagsästhetische Orientierungen wurden stark auf die Merkmale Alter, Bildung, Geschlecht und Kinderzahl zurückgeführt. Vor allem hat für die alltagsästhetischen Praktiken die durch die Bildung erworbene Kulturfähigkeit an besonderer Bedeutung gewonnen. Auch kann von einer Entkopplung des Lebensstils von ökonomischen Sphären nicht die Rede sein, da bei der Lebensstilbildung die verfügbaren Ressourcen nach wie vor eine bestimmende Rolle spielen. Somit ist zu erklären, dass unterschiedliche bzw. ungleiche Lebensstile nicht allein mit vertikal verteilten Ressourcenausstattungen, sondern auch mit horizontal nebeneinander stehenden Merkmalen erklärt werden müssen. 2. Klassengesellschaft oder Erlebnisgesellschaft?: Auch wenn Bourdieu und Schulze jeweilig unterschiedliche Stellungen zum modernen Gesellschaftsbild einnehmen, hier eine strukturbedingte Klassengesellschaft und dort eine subjektzentrierte Erlebnisgesellschaft, dennoch darf die entscheidende Gemeinsamkeit von beiden nicht übersehen werden; die Gesellschaftstheorie von beiden basiert grundsätzlich auf einer Kulturanalyse und versucht somit zu zeigen, welche Möglichkeit in der Verhältnisbestimmung zwischen Sozialstruktur und Kultur in der sozialen Ungleichheitsforschung besteht. 3. Lebensstile zur Ungleichheitsanalyse noch aktuell oder passé?: Wegen des Rückganges des Wohlstandes können die Bedeutungen der Lebensstilanalyse für die soziale Ungleichheit nicht reduziert werden. Denn der Ungleichheitsdiskurs der unterschiedlichen Lebensstile entstand nicht aus den Interessen an gegenwärtigen Überflussgesellschaften, sondern befindet sich schon in den Knappheitsgesellschaften wie in der Zeit Webers oder Veblens. Der Lebensstilansatz gilt nicht nur für hochentwickelte Wohlstandsgesellschaften, sondern kann abgesehen vom Zustand gesellschaftlicher Entwicklung jeder Gesellschaft zur Sozialstrukturanalyse angewandt werden. Summa summarum: Es kann keine befriedigende Klärung des komplexen Verhältnisses von Sozialstruktur und Kultur geben, da sie unterschiedlichen Logiken gehorchen: Sozialstruktur objektiver, materieller Logik, dagegen Kultur subjektiver, ideeller Logik. Dennoch sollte man bei einer Forschung der Sozialstruktur berücksichtigen, dass sich die beiden Bereiche gegenseitig beeinflussen und in einer untrennbaren Wechselbeziehung stehen, weil Handeln bzw. Lebensstil eines Menschen weder allein aus strukturellen, situativen Imperativen noch aus rein individuellen, selbstbestimmten Wahlen sozialer Wahrnehmung, sondern aus dialektischen, mutuellen Wirkungen resultieren. DA - 2001 KW - Südkorea KW - Sozialstruktur KW - Soziale Ungleichheit KW - Lebensstil KW - Kulturvergleich KW - Lebensstilanalyse KW - Sozialstrukturanalyse KW - Life style analysis KW - Social structural analysis KW - Social inequality LA - ger PY - 2001 TI - Zwischen Sozialstruktur und Kultur : ein theoretischer und empirischer Beitrag zum Lebensstildiskurs in der Ungleichheitsanalyse am Beispiel Koreas UR - https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:361-6333 Y2 - 2024-11-22T04:29:47 ER -