TY - THES AB - Eine soziale Polarität in der Verbreitung des Rauchens in der Bevölkerung, die daraus entsteht, dass Raucher aus bestimmten sozialen Milieus von den staatlichen Unterstützungen zum Nichtrauchen weniger profitieren, möchte ich zum Anlass nehmen, über (Grund)Rechte dieser "benachteiligten" Raucher nachzudenken. Ausgehend von der Annahme, dass das Grundgesetz staatliches Handeln im Sozialstaat regelt und Chancengleichheit für alle Menschen in Deutschland sicherstellen will, halte ich dieses Verhalten des Staates, die Nutzungsmöglichkeit der Nichtraucherförderung von sozialer Herkunft abhängig werden zu lassen, gegenüber den sozial Benachteiligten unter den Rauchern für nicht mit dem Geist des Grundgesetzes vereinbar. Schutz der Gesundheit ist eine Aufgabe des Staates, die nicht nach sozialen Kriterien dispositiv sein darf. Wenn der Staat durch die gesellschaftliche Duldung sozialer Benachteiligung zugleich auch die damit verbundene Konsequenz gesundheitlicher Beeinträchtigungen verursachen sollte, müsste er auch verpflichtet werden können, diesen von ihm gesetzten Gefahren für die Gesundheit der Betroffenen effektiv entgegenzutreten. Das deutsche Recht kennt Tatbestände, in denen willentlich hervorgerufene Entscheidungen eines anderen dem Verursacher der Entscheidungssituation zugerechnet werden und nicht dem Entscheidenden selbst. Deshalb will ich in kritischer Auseinandersetzung mit den Wertungen des Grundgesetzes prüfen, ob das "Ablehnen" von staatlicher Verursachungsverantwortung für die Raucherentscheidung einerseits und das Festhalten beim Ansatz der ausschließlich freien Entscheidung des Rauchers in der Tabakprävention andererseits gegen grundrechtliche Prinzipien verstößt. Beginnend beim Verfassungsgrundsatz des Sozialstaates, der in der gesellschaftlichen Ordnung Chancengleichheit garantieren soll, steht eine Verpflichtung zum direkten Vorgehen gegen soziale Ungleichheiten im Vordergrund. Sollte sich aus dem allgemeinen Prinzip kein konkretes Recht ableiten lassen, bliebe der indirekte Weg über die grundrechtlichen Schutzpflichten des Staates. Schließlich hat die Tabakprävention den Schutz vor körperlichen Beeinträchtigungen zum Ziel. Ebenso erscheint es mir denkbar, durch die undifferenzierte Gleichbehandlung aller Raucher mit und ohne sozial benachteiligte Herkunft, dass das Recht auf Gleichbehandlung verletzt sein könnte. Am Ende der Analyse kann keine allgemeinverbindliche rechtliche Lehrmeinung stehen. Ziel der Bearbeitung ist vielmehr, den Nachweis zu erbringen, wie unter anderer Lesart der Verfassungsprinzipien des GG die aktuelle staatliche Tabakpräventionspolitik gegen den Auftrag des Grundgesetzes verstoßen kann. Als Grundlage für die Überprüfung dieser These werden bewusst auch z.T. ältere gesundheitswissenschaftliche Erkenntnisse mit etablierten Rechtssetzungen bzw. Rechtsprechungen in Bezug gesetzt. Lediglich die Auslegung soll in eine bestimmte Richtung verändert werden. Die bisweilen stereotyp herunter geleierte Aussage, im Sozialstaat gäbe es halt Benachteiligungen, soll zumindest relativiert werden. Ein weiteres Ziel, nach Auslegen der Regelungen des Grundgesetzes, besteht in einer Formulierung eines groben Umrisses zu einem Vorschlag, wie ein solcher aus dem GG hergeleiteter Anspruch im deutschen Gesellschaftssystem umgesetzt werden könnte. An dieser Stelle werden systemerhaltende Aspekte andiskutiert werden müssen, die meines Erachtens aktuell das Übergehen der Rechte der sozial benachteiligten Raucher auf gesundheitlichen Schutz fördern und künftig einer Berücksichtigung ihrer Rechte hemmend gegenüberstehen werden. DA - 2008 KW - Deutschland KW - Rauchen KW - Sucht KW - Prävention KW - Unterprivilegierung KW - Gesundheitsgefährdung KW - Recht auf Gesundheit KW - Drogenpolitik KW - Grundrechtliche Schutzansprüche der Raucher KW - Tabakpolitik KW - Selbstbestimmungsrecht KW - Rauchen als freiwillige Selbstschädigung KW - Germany KW - Health promotion and civil rights KW - Tobacco prevention KW - Discrimination as one reason for decision to smoke LA - ger PY - 2008 TI - Rechtliche Strategien für die Tabakprävention : eine kritische Analyse von rechtlichen Regelungen zum Schutz der Gesundheit am Beispiel der Tabakpräventionspolitik UR - https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:361-13391 Y2 - 2024-11-24T06:32:25 ER -