TY - THES AB - Bürgerkriege sind in der Geschichte von Nationen einschneidende Ereignisse. Sie eignen sich aber selten für die Konstruktion von Nationalstolz oder identitätsstiftenden Merkmalen. Die vorliegende Dissertation beschäftigt sich mit der medialen Repräsentation und narrativen Darstellung der Bürgerkriegszeit (1637-1651) in Britannien. Hierbei werden historische Dokumentarfilme einschließlich Teilen aus Doku-Serien wie "A History of Britain", die diese Zeit fokussieren und in der jüngeren Gegenwart produziert worden sind, mit Hilfe der kultursemiotischen Grenzüberschreitungstheorie nach Jurij M. Lotman analysiert. Dieser sonst bei der Analyse von fiktionalen Texten verwendete Ansatz bietet sich für die Untersuchung der nicht-fiktionalen historischen Dokumentationen an, da die Grenzüberschreitungstheorie Analysekategorien wie semantische Räume für die Präsentation der ideologischen Oppositionskonstellationen der Hauptkriegsparteien und der anderen involvierten Gruppen bereitstellt. Folglich werden die Gegnerschaft zwischen den Befürwortern des Königs und den Anhängern des Parlaments sowie die Opposition zwischen geschichtlichen Figuren wie König Charles I und Oliver Cromwell oder zwischen den verschiedenen Nationen Britanniens systematisch dargestellt. In diesem Zusammenhang identifiziert und strukturiert die Dissertation unter Rückgriff auf die Analysekategorien der Grenzüberschreitungstheorie die rekonstruierten Ereignisse der Bürgerkriegszeit in den Dokumentarfilmen, die zugleich in ihren Modellierungen der Geschichte Zugänge zum kollektiven Gedächtnis Britanniens eröffnen. Insgesamt zeigt die Analyse, wie die verschiedenen Dokumentationen in der medialen Narration erinnerungskulturelle Schemata auf Basis von historiographischen Ansätzen wie der Whig-Interpretation der Geschichte oder der Auslegung der revisionists berücksichtigen. Hinweise bezüglich des kollektiven Gedächtnisses Britanniens mit Blick auf die Bürgerkriegszeit liefert neben der dramaturgischen Zurichtung der Kriegsszenarien der sehr bedeutende Ereigniskomplex des Prozesses gegen den König sowie die anschließende Hinrichtung des Monarchen. Zwar fungieren die Bürgerkriege in Britannien ungeachtet ihrer Bedeutung im Vergleich mit anderen Ereignissen der britischen Geschichte nicht als identitätsstiftende Symbole der nationalen Einheit mit heroischen Persönlichkeiten als Vorbildern. Jedoch erwecken einige der historischen Dokumentationen den Eindruck, als ob trotz der zwischenzeitigen Abschaffung der Monarchie Werte des Königtums im Sinne einer Kontinuitätskonstruktion fortgeführt bzw. durch ursprünglich antagonistische Akteure wie beispielsweise Cromwell inkorporiert wurden. Neben diesen Aspekten wird innerhalb der Narrationsanalyse der Interaktion zwischen den Kommentaren des Erzählers und der Ebene der bildhaften Vermittlung (d.h. dem Zusammenspiel von nachgestellten Reenactment-Sequenzen und heutigen Aufnahmen sowie Einstellungen von zeitgenössischen Bildern oder Artefakten) in den Dokumentarfilmen Beachtung geschenkt, denn gerade visuell werden einerseits Authentizitätssignale und ein Gefühl von Unmittelbarkeit erzeugt. Gleichzeitig werden aber andererseits die Medialität und ein Spannungsverhältnis zwischen Gegenwart und Vergangenheit zum Ausdruck gebracht. Die historischen Dokumentationen versuchen also den Rezipienten mit der historischen Bürgerkriegszeit vertraut zu machen, ohne die Betonung ihrer Medialität oder die Distanz zur thematisierten vergangenen Epoche zu vernachlässigen. Dieser Umstand wird am Ende der Arbeit mit dem neu eingeführten Begriff der "famedialisation" beschrieben. DA - 2016 LA - ger PY - 2016 TI - Mediale Konstruktionen der Bürgerkriege in Britannien (1637-1651). Eine kultursemiotische Analyse der narrativen Modellierung kollektiver Gedächtnisschemata in Dokumentarfilmen der jüngeren Gegenwart UR - https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:361-29020032 Y2 - 2024-11-22T00:42:46 ER -