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AB - Der menschliche Körper beherbergt diverse mikrobielle Lebensgemeinschaften, welche eine bedeutende Rolle in der Physiologie oder Pathogenität spielen. Mittels kultivierungsbasierter Techniken konnte in der Vergangenheit jedoch lediglich ein Bruchteil dieser Lebensgemeinschaften und ihrer Funktionen beschrieben werden. Moderne Techniken der Hochdurchsatzsequenzierung ermöglichen heute die kultivierungsunabhängige Beschreibung der humanen Mikrobiota. Die Metatranskriptomik ermöglicht die Darstellung der Zusammensetzung und Funktion der aktiven Lebensgemeinschaften und damit die Beschreibung relevanter molekularer Mechanismen. Aufgrund der in der Regel sehr geringen Probenmengen sind nur wenige Lebensgemeinschaften der menschlichen Mikrobiota auf der Ebene des Metatranskriptoms beschrieben.
In der vorliegenden Arbeit wurden eine Probe aus dem menschlichen Außenohr im Zusammenhang mit Außenohrentzündung (Otitis externa) und Proben aus der Achselhöhle im Zusammenhang mit Körpergeruchsentstehung analysiert. Dazu wurde ein Laborprotokoll zur Herstellung von Sequenzierbibliotheken aus sehr geringen Probevolumina etabliert und anschließend wurden die Metatranskriptome der Proben mithilfe von Hochdurchsatzsequenzierungen beschrieben. Insgesamt konnten für die Probe des Außenohrs etwa 144 Millionen Sequenzen und für die Proben der Achselhöhle etwa 84 Millionen Sequenzpaare generiert werden. Die Datenanalyse erfolgte unter Verwendung der Bioinformatik-Pipelines MG-RAST und METRANS.
Die Analyse des Datensatzes aus dem Außenohr zeigte ein für Otitis externa typisches taxonomisches Profil, welches von Staphylococcus aureus dominiert wurde. Jedoch konnten auch Candida-Spezies beschrieben werden, welche ebenfalls als sekundäre Pathogene im Zusammenhang mit Außenohrentzündung bekannt sind. Im Rahmen der funktionalen Analyse wurden spezifische Pathogenitätsfaktoren aus S. aureus sowie mögliche Pathogenitätsfaktoren aus Candida spp. beschrieben. Funktionen, die im Zusammenhang mit einer Kooperation zwischen Candida und S. aureus stehen, konnten nicht erfasst werden. Faktoren des menschlichen Wirtsorganismus, die im Zusammenhang mit der Erkennung von Pathogenen stehen, konnten ebenfalls dargestellt werden.
Das taxonomische Profil der aktiven Mikrobiota der Achselhöhle auf Genus-Ebene bestätigte die Beschreibungen aus kultivierungsabhängigen Daten in der Literatur und zeigte, dass die Lebensgemeinschaften entweder von Staphylokokken oder von Corynebakterien dominiert werden. Dabei weisen letztere höhere Diversitäten und Äquitäten auf. Auf Spezies-Ebene konnte eine positive Korrelation des Körpergeruches zu Corynebakterien und eine negative zu Staphylokokken beschrieben werden. Darüber hinaus wurden inter- und intraindividuelle Unterschiede sowie zeitliche Variabilitäten der Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften und Änderungen in Abhängigkeit von Deodorant- und Wasseranwendung dargestellt. Dabei waren staphylokokkendominierte Lebensgemeinschaften weniger variabel und somit stabiler im zeitlichen Verlauf und in Abhängigkeit von den Umgebungsbedingungen als Lebensgemeinschaften, die von Corynebakterien dominiert wurden.
Die allgemeine funktionale Analyse der Achselhöhlen-Mikrobiota zeigte im Gegensatz zur taxonomischen weniger inter- und intraindividuelle Variabilitäten sowie Variabilitäten in Abhängigkeit von der Zeit und den Umgebungsbedingungen. Es konnten keine 100%igen Sequenzidentitäten zu den aus der Literatur bekannten Funktionen im Zusammenhang mit Körpergeruchsentstehung aus Corynebacterium striatum beschrieben werden. Dies deutet darauf hin, dass andere Funktionen aus z. T. unkultivierten Organismen mit der Körpergeruchsentstehung im Zusammenhang stehen. Es konnten Sequenzen mit Homologie zur Nα-Acylglutamin-Aminoacylase aus C. striatum (N-AGA) beschrieben werden. Diese stammen jedoch aus bislang unbekannten Organismen und weisen Sequenzhomologien von unter 80 % zur N-AGA auf. Diese Sequenzen könnten somit Transkripte körpergeruchsverursachender Aminoacylasen aus unkultivierten Corynebakterien darstellen und zum Screening nach neuen Wirksubstanzen gegen die Körpergeruchsentstehung eingesetzt werden. Darüber hinaus wurden MalY-Sequenzen aus Corynebakterien und Staphylokokken beschrieben, welche mögliche Kandidaten für Cystathionin-β-Lyase-Aktivität in der Achselhöhle darstellen. Sequenzen mit Homologie zu corynebakteriellen TpdA-Dipeptidasen wurden ebenfalls erfasst.
Der partielle Abbau von Fettsäuren durch den Stoffwechselweg der β-Oxidation ist wahrscheinlich nicht an der Körpergeruchsentstehung beteiligt. Auch Sequenzhomologien zu Funktionen mit Beteiligung an der Entstehung geruchsbildender Steroide wurden nicht in den Datensätzen erfasst. Sequenzhomologien zu BCAA-Aminotransferasen sowie L-Laktat-Dehydrogenasen und Acetat-Kinasen konnten in den vorliegenden Datensätzen beschrieben werden, sodass eine Beteiligung dieser Funktionen an der Körpergeruchsentstehung möglich ist. Insgesamt werden Funktionen, die positiv mit dem Körpergeruch korrelieren, überwiegend Corynebakterien und Funktionen, die negativ mit dem Körpergeruch korrelieren, überwiegend Staphylokokken zugeordnet. Mit dem Körpergeruch positiv korrelierte Funktionen, die im Zusammenhang mit geruchsbildenden Metaboliten stehen, wurden im Leucin-Abbauweg und im Phenylalanin-Stoffwechsel identifiziert.
Die vorliegende Arbeit stellt die erste Beschreibung der Lebensgemeinschaften des Außenohres und der Achselhöhle auf Metatranskriptom-Ebene dar. Es werden bekannte und bislang unbekannte Organismen und Funktionen im Zusammenhang mit Außenohrentzündung und Körpergeruchsentstehung und neue Erkenntnisse zu diesen Phänomenen beschrieben. Dies verdeutlicht das Potential der Metatranskriptomik zur Beschreibung physiologischer Vorgänge und als Grundlage zur Entwicklung neuer kosmetischer oder pharmazeutischer Wirksubstanzen.
DA - 2017
LA - ger
PY - 2017
TI - Metatranskriptom-Analysen der mikrobiellen Lebensgemeinschaften des menschlichen Ohres und der Achselhöhle
UR - https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0070-pub-29118088
Y2 - 2024-11-23T18:50:40
ER -