TY - THES
AB - **Hintergrund**
Bei der Evaluation medizinischer Interventionen durch HTA (Health Technology Assessment)-Berichte werden Nutzen und Schaden anhand von Endpunkten beurteilt. Die Auswahl und Gewichtung der Endpunkte wird bislang häufig von den HTA-Erstellern oder medizinischen Experten vorgenommen. Die Einbeziehung von Patienten wird häufig gefordert, aber es gibt noch kein standardisiertes Vorgehen. In der vorliegenden Dissertation wird untersucht, ob und auf welche Art und Weise eine Einbeziehung von Patientenpräferenzen bereits erfolgt beziehungsweise erfolgen kann.
**Methoden**
In dem ersten Manuskript wurde untersucht, inwieweit eine Einbeziehung von Patientenpräferenzen im deutschen Gesundheitswesen bereits erfolgt und welche Entwicklungspotenziale vorhanden sind. Im zweiten Manuskript - eine deskriptive Übersichtsarbeit – wurde ein Überblick über mögliche Methoden zur Priorisierung von Endpunkten gegeben. Die empirische Datenerhebung wurde am Beispiel der Indikation terminale Niereninsuffizienz durchgeführt (Manuskript 3 und 4). In dem dritten Manuskript wurden relevante Behandlungsziele unter Einbezug von Patienten identifiziert, um darauf aufbauend 23 relevante Endpunkte zu definieren. Anschließend fand durch eine repräsentative Patientenstichprobe von Hämodialyse-Patienten eine Gewichtung der ermittelten Endpunkte mittels einer Rating Skala statt. In dem vierten Manuskript wurden die Ergebnisse der repräsentativen Patientenstichprobe mit Gewichtungen durch andere Gruppen (Nephrologen, HTA-Ersteller und Patienten einer Selbsthilfegruppe) verglichen.
**Ergebnisse**
Patientenpräferenzen werden auf verschiedenen Ebenen im deutschen Gesundheitswesen einbezogen: im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) durch die Repräsentation der Patienten im Beratungsprozess und beim Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bei der Festlegung von Endpunkten. In der deskriptiven Übersichtsarbeit wurden drei Methodengruppen identifiziert. Studien, die Ranking oder Rating Methoden verwendet hatten, untersuchten im Median die meisten Endpunkte, gefolgt von Utility Assessment Methoden. Die geringste Anzahl untersuchter Endpunkte fand sich bei den Methoden der multikriteriellen Entscheidungsfindung. Der Vergleich von unterschiedlichen Teilnehmergruppen oder Methoden innerhalb einer Studie ergab häufig eine unterschiedliche Hierarchisierung von Endpunkten. Insgesamt konnte keine überlegene Methode identifiziert werden. Bei der Anwendung einer Rating Skala in der Indikation terminale Niereninsuffizienz zeigte sich, dass die repräsentative Patientengruppe Endpunkte, die Behandlungsaspekte und Lebensqualität betreffen, als ebenso wichtig wie Mortalität und Morbidität bewerten oder sogar als wichtiger. Der Vergleich mit Gruppen, die bislang häufig für eine Priorisierung von Endpunkten in diesem Kontext eingesetzt werden (Patienten einer Selbsthilfegruppe, Ärzte und HTA-Ersteller), zeigte, dass insbesondere zwischen den HTA-Erstellern und der repräsentativen Patientengruppe erhebliche Unterschiede in den Rangfolgen der Endpunkte feststellbar sind.
**Diskussion und Ausblick**
Eine stärkere Einbeziehung von Patientenpräferenzen bei der Erstellung von HTA-Berichten kann durch die Beteiligung von Patienten bei der Priorisierung von Endpunkten erfolgen. Verschiedene Methoden sind hierzu vorhanden, die alle spezifische Vor- und Nachteile besitzen. Insbesondere die Anzahl der Endpunkte, die bewertet werden sollen, kann als ein Auswahlkriterium für die geeignete Methode fungieren. Mit einfacheren Rating oder Ranking Skalen können mehr Endpunkte gewichtet werden als mit komplexeren Methoden der multikriteriellen Entscheidungsfindung.
Den dargestellten Ergebnissen ist zu entnehmen, dass Patienten einer Selbsthilfegruppe als geeignete Proxys für eine repräsentative Patientenstichprobe eingesetzt werden können. Notwendig hierfür ist eine hinreichende Strukturgleichheit bezüglich wichtiger Baselinecharakteristika zwischen beiden Patientengruppen.
Die Forderung nach einer stärkeren Einbeziehung von Patientenpräferenzen bei der Auswahl und Gewichtung von Endpunkten impliziert nicht, dass alleinig die Präferenzen der Patienten bei der Evaluation von medizinischen Interventionen entscheidend sind. Vielmehr zeigen die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit, dass jede Gruppe bei einer Bewertung einen wichtigen Beitrag leisten kann. Deswegen sollten alle Gruppen fester Bestandteil im Prozess der Auswahl und Gewichtung von Endpunkten in HTA-Berichten sein. Dieser Prozess sollte transparent gestaltet werden, damit nachvollziehbar ist, welche Präferenzen bei der Bewertung in welchem Maße eingeflossen sind.
Aus den Erkenntnissen dieser Arbeit resultiert noch kein standardisiertes Vorgehen für die Einbeziehung von Präferenzen von Patienten und anderen Gruppen bei der Auswahl und Gewichtung von Endpunkten, sie ist vielmehr als ein erster wichtiger Schritt zu betrachten. Für die Entwicklung eines standardisierten Vorgehens ist weitere Forschung notwendig. Die in der vorliegenden Arbeit gefundene hohe Übereinstimmung zwischen einer repräsentativen Patientenstichprobe und Patienten einer Selbsthilfegruppe sollte in weiteren Indikationen überprüft werden. Auch die Übereinstimmung anderer Gruppen (Ärzte und HTA-Ersteller) in anderen Indikationen sollte weiter untersucht werden.
Falls diese Überprüfungen ähnliche Übereinstimmungsmuster zeigen wie die in der vorliegenden Arbeit, könnte in einem weiteren Schritt eine generalisierbare Vorgehensweise erarbeitet werden, die den Prozess der Einbeziehung aller Gruppen standardisiert.
DA - 2017
LA - ger
PY - 2017
TI - Entwicklung einer Methodik zur Gewichtung patientenrelevanter Endpunkte in Health Technology Assessments am Beispiel der terminalen Niereninsuffizienz
UR - https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0070-pub-29161917
Y2 - 2024-11-22T13:53:49
ER -