Die große Mehrheit der Biologen lehnt die Untergliederung des Menschen in verschiedene „Rassen“ ab. Vereinzelt wird jedoch auf die Vergleichbarkeit mit anderen Wirbeltieren, z. B. Vögeln, verwiesen, bei denen „geografische Rassen“ beschrieben wurden. Der Begriff der (geografischen) Rasse wird aber in der wissenschaftlichen Zoologie seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt, er ist vollständig durch den Begriff Unterart (Subspezies) ersetzt worden; eine ausschließliche Verwendung bei Menschen verbietet sich schon aus diesem Grund. So gesehen kann die Frage nur lauten, ob es beim Menschen (Homo sapiens) Unterarten gibt. Die Zuordnung der Kategorie Unterart zu einer Gruppe von Populationen ist in jedem Fall eine subjektive Entscheidung des Bearbeiters. Es gibt kein absolutes Maß genetischer oder morphologischer Unterschiede, welches zur Feststellung eines Unterartstatus herangezogen werden könnte. Ontologisch betrachtet stellen solche Unterarten Konstrukte dar, die keine biologische Realität besitzen. Dies unterscheidet sie ontologisch von Arten, welche je nach Artkonzept Natural Kinds oder sogar Dinge darstellen. Auf den ersten Blick erscheinen die von J. F. Blumenbach unterschiedenen fünf „Kontinentalrassen“ des Menschen wie Unterarten. Zwischen diesen vermeintlichen Rassen existiert aber eine beliebige Anzahl von Zwischenformen, die morphologischen Unterschiede sind keineswegs distinkt. Schon daraus wird deutlich, dass die Blumenbachschen Rassen Konstrukte des menschlichen Geistes sind und keine biologische Realität haben. Die genetische Variabilität des Menschen wurde schon lange vor Kolonialismus und Globalisierung durch Wanderungsbewegungen und Bevölkerungsaustausche beeinflusst. Moderne Genomanalysen zeigen globalen Genfluss, was jeder Einteilung in unterschiedliche Rassen widerspricht. Dass eine Unterteilung in Menschenrassen eine medizinische Bedeutung haben könnte, erscheint zweifelhaft. Natürlich sind auch die Häufigkeiten medizinisch relevanter Allele nicht gleichmäßig über die Menschheit verteilt, aber auch hierbei handelt es sich um Gradienten. Bei der Grenzziehung bleibt die gleiche Willkür wie bei anderen Merkmalen. Die Zukunft gehört einer individuellen Medizin mit Genotypisierung des Einzelnen.
Titelaufnahme
- TitelRasse ohne Realität : Warum das Konzept der Unterarten fragwürdig und das der Menschenrassen überholt ist
- Beiträger
- Enthalten inBiologie in unserer Zeit, Jg. 51 H. 2, S. 179-188
- Erschienen
- Umfang10
- SpracheDeutsch
- DokumenttypAufsatz in einer Zeitschrift
- DOI
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- IIIF
The vast majority of biologists reject the differentiation of humans into “races”. Occasional reference is made to other vertebrates, such as birds, for which “geographic races” have been described, but the term (geographic) race is not actually used in zoological science anymore and has been fully substituted by the term subspecies. For that reason alone, the use of the term race with exclusive regard to humans is inappropriate. The question then arises of whether there are different subspecies within Homo sapiens. The attribution of the status “subspecies” to a group of populations is entirely arbitrary and subjective. There is no rationale as to the degree of genetic or morphological difference necessary for the assignment of subspecies status. Ontologically, subspecies are constructs which are completely lacking biological reality. In this regard they differ substantially from species, which – depending on the underlying species concept – are natural kinds or even things. At first glance, the continental races proposed by J. F. Blumenbach appear to be the human equivalent to subspecies. However, Blumenbach’s “races” do not display distinct characters but occupy a continuum on which it is impossible to draw clear boundaries. This makes it evident that they are constructs of the human mind and not based on biological reality. The genetic variability of modern humans has been influenced by large-scale migrations which have been taking place since the emergence of the species, not just since the era of colonization and globalization. Modern genome analyses reveal gene flow on a global scale which completely contradicts the notion of distinct human races. There seems to be little benefit in racial classification for medical purposes, either, as while allele frequencies are not distributed equally, they also form gradients rather than distinct patterns, making classification just as arbitrary as classification on the basis of other characters. The future lies in individualized medicine based on patient-specific genotyping.
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