Es gehört bis heute zu den Vorurteilen des philosophischen Diskurses, dass Kant in seiner
Ethik den Gefühlen gar keinen oder jedenfalls keinen substanziellen Platz einräume. So wirft
Husserl Kant vor, dieser vertrete einen „extremen und fast absurden Rationalismus“ (Husserl
1988, 407)1, und noch in jüngerer Zeit vertritt beispielsweise Engelen in ihrem Buch über
Gefühle die These, dass Handlungen, „welche aufgrund rationaler Erwägungen zu erfolgen
haben, ohne die motivierende und bewertende Kraft von Emotionen nicht umgesetzt werden“
(2007, 35) können. Das stimmt wohl; zugleich führt Engelen aber Kant als jemanden an,
der genau dies bestreite, und das ist falsch.