Das am stärksten rezipierte ethische Werk Kants ist, noch vor der Kritik der
praktischen Vernunft, gewiss die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten.1
Dagegen gehört die Tugendlehre (der zweite Teil von Kants Metaphysik der
Sitten) traditionell zu den recht stiefmütterlich behandelten Texten des
Kantischen Werkes. Das gilt für das Buch als Ganzes, aber auch für einzelne
Elemente daraus (mit Ausnahme vielleicht der berühmten Unterscheidung
von Wille und Willkür, die allerdings zur generellen Einleitung in die Metaphysik der Sitten gehört). Obwohl der Tugendlehre und in ihr auch der Rolle
des Gefühls in letzter Zeit etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde,
ist es daher vielleicht nicht überraschend, wenn auch nicht akzeptabel, dass
es nach wie vor weder eine gründliche Analyse der moralischen Gemütsanlagen
in Kants Tugendlehre gibt noch eine solche Analyse zur Menschenliebe
als eine dieser Gemütsanlagen.