Ausgehend vom Konzept der intergenerationalen Transferbeziehungen von J. Zinnecker und dem Konzept des sozialen Kapitals von J.S. Coleman und P. Bourdieu setzt sich die Arbeit mit der Frage auseinander, welche Rolle soziale Beziehungen für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen spielen. Im Mittelpunkt stehen dabei vier Entwicklungsmerkmale, die - wie viele Untersuchungen zeigen - zu den wichtigsten Eckpunkten gelingender bzw.
mißlingender Sozialisation zählen: die Entwicklung des Schulhabitus, der
Selbstwirksamkeitsüberzeugungen und von externalisierendem (Delinquenz) und
internalisierendem (Depressivität) Problemverhalten.
Grundlage der Untersuchung bilden die Daten von 305 im Rahmen des Kindersurveys ’93 bundesweit ausgewählten Kindern und Jugendlichen (sowie deren Eltern), die erstmalig 1993 und dann in Jahresabständen bis 1995 mehrmals befragt wurden (Panel). Die Altersspanne der befragten Kinder und Jugendlichen liegt zwischen 10 und 16 Jahren und erlaubt damit den Blick auf eine aus sozialisationstheoretischer Sicht besonders wichtige Lebensphase: den
Übergang von der Kindheit in die Jugend.
Neben neuen Einblicken zur Bedeutung sozialer Beziehungen in dieser Transitionsphase, zielt die Arbeit auf die Übertragung des Sozialkapital-Ansatzes auf den Bereich der Sozialisationsforschung. Während das Konzept des sozialen Kapitals in der soziologisch orientierten (amerikanischen) Bildungsforschung zur Erklärung unterschiedlicher Bildungserfolge bei Kindern und Jugendlichen in weitem Rahmen eingesetzt wird, ist seine Anwendung auf erziehungswissenschaftliche Fragestellungen, die über den schulischen
Bereich hinausgehen noch vergleichsweise selten. Diskutiert werden vor allem theoretische und empirisch-methodische Anwendungsprobleme des Ansatzes und welche Funktion es - ähnlich wie kulturelles Kapital im Sinne Bourdieus - in bezug auf die (familiale) Reproduktion sozialer Ungleichheit hat.
Die empirischen Ergebnisse zeigen, daß sowohl soziales Kapital innerhalb der Familie als auch außerhalb der Familie (Beziehungen zu Gleichaltrigen) eine wichtige Rolle für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen spielt und daß bestimmte Aspekte sozialen Kapitals (wie die elterlichen Bildungsaspirationen) soziale Ungleichheit perpetuieren,
während andere Aspekte (z.B. Familienklima) Aufwärtsmobilität ermöglichen.