Die Dissertationsschrift untersucht die im Februar 2014 gegründete Junge Alternative für Deutschland – Landesverband Nordrhein-Westfalen (JA NRW). Die JA NRW ist seit Juni 2014 offizielle Parteijugendorganisation der Alternative für Deutschland Nordrhein-Westfalen (AfD NRW). Die Dissertation analysiert die Mittel und Wege der Profilbildung dieser noch jungen parteinahen Jugendorganisation. Die Grounded Theory ist der für diese Arbeit zentrale Forschungsansatz. Es handelt sich um eine induktive Untersuchung, die theoretische Vorannahmen kritisch reflektiert und versucht, aus dem eigenen empirischen Material Schlüsse zu ziehen. Während des Feldaufenthalts des Verfassers (Herbst 2014-Sommer 2016) kamen die sozialwissenschaftlichen Methoden teilnehmende Beobachtung, Leitfaden-Interview, Dokumenten- sowie elektronische Prozessanalyse zum Einsatz. Der Verfasser beforschte die entstehende und sich entwickelnde JA NRW, ihre inhaltlich-programmatischen Schwerpunkte und ihre Strategien. Die Arbeit nimmt zudem eine ideologiekritische Perspektive ein, analysiert das Verhältnis der JA NRW zu ihrer Mutterpartei und fokussiert auf politische Freund- und Feindschaften der Jugendorganisation.
Die JA NRW polemisiert gegen die etablierten Parteien, kritisiert die Einwanderung Geflüchteter, warnt vor dem politisch linken Spektrum, hinterfragt die Europäische Union, problematisiert eine sich vermeintlich islamisierende bundesdeutsche Gesellschaft und schürt Ressentiments hinsichtlich feministischer und/oder Gender-Mainstreaming-orientierter Ansätze. Sie dehnt das Framing der politischen Rechten aus, indem sie es an junge Zielgruppen heranträgt. Dies soll – aus JA-NRW-Sicht – den diskursiven Einfluss linksliberaler Spektren delegitimieren und zurückdrängen. Innerhalb der JA NRW herrscht jedoch ein Dissens, der sich u. a. an folgenden Fragen entzündet: wie realistisch ist der von führenden JA-NRW-Mitgliedern vertretene Rechtslibertärismus, der für radikale Privatisierungen eintritt? Wie legitim ist eine (offizielle) Nähe der Organisation zu bestimmten Strömungen des außerparlamentarischen rechten Spektrums? Konfliktpotenzial entsteht auch hinsichtlich der Frage einer möglichen Cannabis-Legalisierung.
Die JA NRW bietet ihren Mitgliedern eine soziokulturelle Nische – basierend auf einem starken Wir-Gefühl, das nicht zuletzt aus dem gemeinsamen affirmativen Verhältnis zur AfD resultiert. JA-NRW-Gliederungen unternehmen Ausflüge, treiben gemeinsam Sport, richten Stammtische aus und besuchen AfD-Veranstaltungen. Aus Sicht ihrer Mitglieder spielt die JA NRW die Rolle eines weltanschaulichen Refugiums, in dem Inhalte geäußert werden können, die in anderen (links geprägten) Umfeldern auf Kritik stoßen. Innerhalb der JA NRW sind Äußerungen, die der Political Correctness widersprechen, sanktionsfreier möglich. Die JA NRW nutzt zahlreiche Kommunikationsmedien, um sich im rechten Protestspektrum zu verankern. Der Kommunikationsstil der JA NRW ist provokant, polarisierend, personalisierend, mitunter insinuativ. Vereinzelt arbeitet die Jugendorganisation mit argumentativen Retorsionen, um politische GegnerInnen zu Reaktionen zu reizen. JA-NRW-Gliederungen greifen auf Facebook, Twitter, YouTube, eine eigene Website und auf eine eigene App zurück. Sie nimmt die Affinität junger Menschen zu sozialen Netzwerken auf und macht sich deren Dynamiken versiert zunutze. Die JA NRW organisiert Veranstaltungen mit prominenten und polarisierenden Gästen, z. B. Hamed Abdel-Samad, Nigel Farage oder Akif Pirinçci. Sie schult ihre jungen Mitglieder und vermittelt der AfD junge, sprachfähige (Neu-)Mitglieder, die in Parteifunktionen hereinwachsen. Die JA NRW möchte als Teil einer rechten Kulturrevolution das westlich-liberale Gesellschaftsmodell radikal umgestalten.