Der Absatz an gekühlten und tiefgekühlten Lebensmitteln ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig gestiegen, was auch mit einer wachsenden Zahl an Beschäftigen in diesem Industriezweig einhergeht. Infolgedessen muss u.a. der Arbeitsplatz des Kältekommissionierers derart gestaltet werden, dass die Arbeit für alle langfristig ausführbar ist. Aus der Superposition von kalter Arbeitsumgebung und körperlich schwerer Arbeit resultiert schließlich eine hohe Belastung und Beanspruchung, die ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko darstellen.
Zur Objektivierung dieser kombinierten Beanspruchung wurden an 30 weiblichen Arbeitspersonen (Apn) in zwei Altersklassen (jeweils 15 Frauen zwischen 20 und 35 Jahren sowie 40 und 65 Jahren) Ganztagsanalysen in einem Warenverteilzentrum mit Kühlager (~ +3°C) und Tiefkühllager (~ -24°C) durchgeführt. Die Apn mussten unter standardisierten, realen Arbeitsbedingungen mit einem variablen Arbeitszeit-Pausenzeit-Regime Kommissioniertätigkeiten durchführen. Gleichzeitig wurden die physiologisch relevanten Parameter „Körperkerntemperatur“, „Hautoberflächentemperatur“, „Herzschlagfrequenz“, „Blutdruck“ und „Energieumsatz“ erfasst und durch eine subjektive Befragung ergänzt. Neben möglichen altersbezogenen Differenzen wurden die Ergebnisse zur Identifizierung eventueller geschlechtsspezifischer Unterschiede mit denen einer vorangegangenen – und unter identischen Bedingungen durchgeführten – Feldstudie mit 30 männlichen Apn der gleichen Altersklassen verglichen.
Das Arbeiten im Kühllager bei +3°C führte zu moderaten physiologischen Bean-spruchungsreaktionen ohne deutliche alters- oder geschlechtsspezifische Unterschiede. Auch die Kälteschutzkleidung – mit Ausnahme der Handschuhe – scheint ebenso ausreichend wirksam zu sein wie eine 20-minütige Aufwärmpause.
Das Arbeiten im Tiefkühllager bei -24°C bewirkte deutlich höhere Beanspruchungs-reaktionen. Die älteren Apn zeigten mit einer maximalen Abnahme von 1,5 K den größten Abfall der Körperkerntemperatur (jüngere Apn max. 1,3 K). Unabhängig vom Alter reichten 20 Minuten nicht aus, um das Ausgangsniveau wieder zu erreichen, was allerdings nach der 30-minütigen Aufwärmpause meist sichergestellt war. Ebenso altersunabhängig fielen insbesondere die Hautoberflächentemperaturen an Nase und Fingerspitze deutlich ab, wobei sich die Werte innerhalb der Pausen zügig stabilisierten. Der Verlauf der Zehentemperatur zeigte einen weniger starken, dafür aber kontinuierlichen Abfall, mit niedrigeren Werten bei den älteren Apn. Ähnlich wie im Kühllager waren die Arbeitspulse der jüngeren Apn deutlich höher. Unter Berücksichtigung des individuellen Ruhepulses und der Tatsache, dass die maximal zulässige Herzschlagfrequenz zwangsläufig mit zunehmendem Alter abnimmt, betrug die Kapazitätsauslastung für beide Altersklassen gleichermaßen 60%. Der während der Untersuchungen insgesamt höhere Blutdruck der älteren Apn steht im Einklang mit der vorab durchgeführten Messung, die zu Hause vorgenommen wurde. Die geschlechtsspezifische Analyse offenbarte stärkere Abnahmen der Körperkerntemperatur bei den Männern, was sich mit den Ergebnissen der ermittelten relativen Wärmeproduktion (höchste Werte: jüngere weibliche Apn; niedrigste Werte: ältere männliche Apn) deckt. Zudem wurden bei den weiblichen Apn ebenfalls höhere Hautoberflächentemperaturen gemessen. Die Arbeitspulse der jüngeren weiblichen Apn waren deutlich höher als diejenigen der männlichen Apn der gleichen Altersklasse, wohingegen die älteren Frauen und Männer nahezu identische Werte aufzeigten, was wohl auf die hohe physische Leistungsfähigkeit der älteren Frauen zurückzuführen ist. Der Blutdruck war auch im Tiefkühllager bei den Männern höher als bei den Frauen. Die objektiv gewonnenen Daten und die daraus abgeleiteten Erkenntnisse konnten durch die Ergebnisse der subjektiven Befragung weitestgehend bestätigt werden.
Die Ergebnisse der Feldstudie zeigen, dass Kommissionieren in tiefer Kälte zu einer hohen physischen Belastung und Beanspruchung führt, wobei nachweislich kaum signifikante alters- oder geschlechtsspezifische Nachteile bestehen. Die Arbeitsfähigkeit kann vielmehr durch individuelle und betriebliche Gesundheitsförderung positiv beeinflusst werden. Wie die Ergebnisse aus einer 3. Versuchsreihe mit einem variablen Arbeitszeit-Pausenzeit-Regime zeigen, ist eine Optimierung der Arbeits- und Pausenzeiten zwingend notwendig. Da die Kälteschutzkleidung nur bedingt vor Kälte schützt, müssen vor allem die Kälteschutzstiefel und Handschuhe weiter entwickelt werden. Diese Anpassungsmaßnahmen sollten für präventiven Gesundheitsschutz sorgen und damit letztlich auch die Arbeitsprozesseffizienz steigern.