Eine Sparte der modernen Robotik, die sich in den letzten Jahren außergewöhnlich dynamisch entwickelt hat, ist die Medizinrobotik. Besonders ergiebig ist der Bereich der minimal-invasiven Chirurgie (MIS). Diese bringt neben den Vorteilen für den Patienten (schnellere Rekonvaleszenz, bessere kosmetische Ergebnisse, erhöhter Komfort) auch einige technische Herausforderungen für den Chirurgen mit sich. Die minimal-invasive Chirurgie bietet dabei großes Potential für roboter-basierte Assistenzsysteme und stellt mittlerweile einen eigenen Forschungszweig dar, der kontinuierlich weiter ausgebaut wird.
Die meisten der verfügbaren Systeme bauen dabei konzeptionell auf adaptierten Industrieplattformen auf. Die etablierte Technik ermöglicht hohe Präzision und häufig eine detaillierte Vorab-Planung der einzelnen Arbeitsabläufe. Dem gegenüber steht der oft hohe Platzbedarf, der auch den Arbeitsraum des OP-Teams erheblich einschränkt und nicht selten zu einer unergonomischen Arbeitshaltung führt. Die extremen Sicherheitsvorkehrungen, die auf die Verwendung motorisch angetriebener, starrer Kinematiken zurückzuführen sind, treiben die Kosten in die Höhe. Als weitere Folge sind die entwickelten Systeme häufig nicht kompatibel mit der Kernspinresonanzspektroskopie (NMR-Kompatibilität).
Einen völlig anderen Ansatz verfolgt das von der EU geförderte Forschungsprojekt „Stiff-Flop“. Die Basis bildet ein hochflexibler Silikonschlauch, welcher durch Druckluft gesteuert und zum Zweck der Ausübung von Kräften dynamisch versteift werden kann. Inspiriert wird dieser Ansatz von der Bewegung des Tintenfisches, welcher sich einerseits ohne eine innere Schale durch die engsten Öffnungen zwängen kann, andererseits aber auch in der Lage ist, Teile seines Körpers zu versteifen, um nach Objekten zu greifen. Ein solches weiches System ist zwar inhärent sicher, bringt aber eine Reihe neuer Herausforderungen mit sich. Gerade im Bereich der Sensorik erfordert die flexible Beschaffenheit des Systems völlig neue Herangehensweisen und Lösungsansätze.
Eine Teilaufgabe bildet die Entwicklung eines optischen Sensorsystems, welches, basierend auf vorhandenem Live-Videomaterial (Endoskopkamera des Chirurgen), die Lage des Stiff-Flop Armes überwacht und zur Optimierung seiner Positionsregelung beiträgt. Die größte Herausforderung liegt dabei in der zuverlässigen Erkennung des gesuchten flexiblen Manipulatorabschnittes. Sowohl die Beschaffenheit des Objektes selbst als auch die durch den Arbeitsraum und die verwendete Gerätetechnik vorgegebenen Beschränkungen führen zu diversen Restriktionen bei der Umsetzung des Vorhabens. Erschwert wird die Aufgabe, weil ohne die Verwendung eines Stereokamerasystems aus der Kameraprojektion Rückschlüsse auf die Pose des detektierten Objektes im Raum gezogen werden müssen.
Etablierte Verfahren sind im untersuchten Szenario nicht anwendbar, da diese im Allgemeinen entweder auf der Erkennung eines bekannten und angelernten Umrisses, einer eindeutigen, bekannten Textur oder starken Kontrastunterschieden von Vorder- und Hintergrund basieren. Keine dieser Voraussetzungen ist hier gegeben: Der Manipulator ist durchgängig flexibel, kann seine Länge ändern und auch eine Texturerkennung ist schwierig umzusetzen, da gegebenenfalls angebrachte Muster mit zunehmender Krümmung des Armes deutliche Verzerrungen in der zu erkennenden Textur erhalten.
Aus diesem Grund erfolgt die Lageermittlung zweigleisig: Zum einen wird der Stiff-Flop Arm als Ganzes durch einen texturbasierten Ansatz, einer so genannten Support Vector Machine (SVM), detektiert und vermessen, zum anderen erfolgt eine Überwachung von am Prüfling angebrachten optischen ringförmigen Markern mittels eines neuartigen, auf einer modifizierten Kreiserkennung basierenden Algorithmus. Die Detektierung dieser Umlaufmarkierungen bietet verschiedene Vorteile. Zum einen bleibt die Abbildung bei hinreichend schmalen Markierungen annähernd verzerrungsfrei, zum anderen wirkt sich eine eventuell auftretende, systembedingte radiale Streckung des Armes ausschließlich auf die Genauigkeit der Entfernungsmessung zwischen Kameraebene und Mittelachse des Manipulators aus. Das vorgestellte Verfahren ist außerdem robust gegenüber Bildrauschen oder kleineren Glanzlichtern, solange die Kontur des Ringes nicht über größere Abschnitte unterbrochen ist.