Handeln und Struktur der Sozialen Arbeit sind – so die zentrale Grundannahme – stets von einer Spannung zwischen Hilfe und Kontrolle geprägt, weshalb dieser scheinbare Widerspruch immer wieder aufgegriffen und diskutiert wird. Dabei scheinen bestimmte Tätigkeitsfelder der Sozialen Arbeit besonders maßgeblich von dieser Dichotomie beeinflusst zu sein, unter anderem die in der Psychiatrie.
In Abgrenzung zur allgemeinen Psychiatrie befasst sich die vorliegende Arbeit allerdings mit der Sozialpsychiatrie. Kennzeichnend für das sozialpsychiatrische Denken ist die ganzheitliche Betrachtungs- und Denkweise, ebenso wie der Grundsatz, ambulante Maßnahmen den stationären vorzuziehen. So soll dem Menschen eine Behandlung in seinem sozialen Umfeld ermöglicht und eine Inklusion angestrebt werden.
Eine bedeutende Rolle spielen hierbei die Sozialpsychiatrischen Dienste, die in ganz Deutschland zur psychiatrischen Grundversorgung gehören. Zu ihren wichtigsten Aufgaben gehören die Beratung von Menschen mit psychischen oder sozialen Problemen und deren Angehörigen sowie die Krisenintervention. Im Rahmen dieser Arbeit soll die Spannung zwischen Hilfe und Kontrolle – besonders in Bezug auf Zwangsunterbringungen als Krisenintervention – näher untersucht werden, unter anderem im Hinblick auf die Behandlung sowohl im ambulanten als auch stationären Setting.
Zunächst werden die Begriffe Hilfe und Kontrolle bestimmt sowie das Spannungsfeld in der Sozialen Arbeit generell näher beleuchtet, um eine gemeinsame Basis für die folgenden Überlegungen zu schaffen. Nach einer kurzen Einführung zur allgemeinen Psychiatrie wird dann die Sozialpsychiatrie erläutert und kurz zwischen der offenen und geschlossenen Stationsführung in der Psychiatrie unterschieden.
Weil Zwangsmaßnahmen eine Gratwanderung bezüglich der Wahrung der Menschenrechte darstellen, werden im folgenden Kapitel vier elementare Menschen- und Grundrechte – nämlich die Rechte auf Menschenwürde, Selbstbestimmung, Freiheit und körperliche Unversehrtheit – aufgeführt und dahingehend erläutert, inwieweit sie in der Psychiatrie gefährdet sind.
Darauffolgend werden Struktur und Aufgaben Sozialpsychiatrischer Dienste skizziert. Bevor die Zwangsunterbringung als Intervention in psychosozialen Krisen ebenfalls definiert wird und die rechtlichen Grundlagen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung nach dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten bzw. Psychisch-Kranken-Gesetz am Beispiel von Nordrhein-Westfalen erläutert werden, werden zunächst die Krisenintervention allgemein vorgestellt und Krise und ihre Erscheinungsformen definiert.
Weil eine Zwangsunterbringung oft mit einer Zwangsbehandlung einhergeht, folgt anschließend die Diskussion über die Gratwanderung bezüglich der Wahrung der Menschenrechte bei Zwangsmaßnahmen im Allgemeinen. Neben der Verletzung elementarer Grundrechte stellt sich zudem immer auch die Frage, ob der Einsatz von Zwangsmaßnahmen die Tatbestände einer Freiheitsberaubung oder Körperverletzung im Sinne des Strafgesetzbuches erfüllt. Deshalb wird dieser Aspekt genauer beleuchtet, auch hinsichtlich der Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, um diese Rechtseingriffe – sowohl im moralischen als auch im juristischen Sinne – zu rechtfertigen.
Dann werden die theoretischen Grundannahmen und Handlungsansätze der Sozialpsychiatrie erklärt. Da das biopsychosoziale Modell und seine ganzheitliche Betrachtung die Grundlage für sozialpsychiatrisches Denken bilden, wird dies ausführlich herausgearbeitet. Konzepte und Ziele sozialpsychiatrischer Beratung werden nachfolgend dargestellt, ebenso wie ihre Besonderheit in der Sozialpsychiatrie. Als weitere zentrale Elemente sozialpsychiatrischen Arbeitens werden sowohl die Idee der Salutogenese als auch die Konzepte von Empowerment und Recovery vorgestellt. Da der Aufgabenbereich des Sozialpsychiatrischen Dienstes auch die Koordination der verschiedenen Hilfsangebote umfasst, wird das Modell veranschaulicht, mit dem dies in der Praxis durchgeführt wird: das Case-Management.
Anschließend erfolgt die Diskussion bezüglich der Spannung zwischen Hilfe und Kontrolle am Beispiel der Arbeit des Sozialpsychiatrischen Dienstes, auch im Hinblick darauf, welche Rolle die psychiatrische Behandlung im Kliniksetting einnimmt und welche Möglichkeiten die Ansätze der Sozialpsychiatrie bieten, um den Einsatz von Zwangsmaßnahmen zu minimieren.