Nanopartikel (NP), darunter vor allem Silber (Ag) NPs und Titandioxid (TiO2) NPs sind
heutzutage in einer Vielzahl von Konsumgütern enthalten, und werden durch den täglichen
Gebrauch in das urbane Abwasser und damit in die aquatische Umwelt eingeleitet. Die
Toxizität von unbehandelten („pristine“) AgNPs und TiO2NPs auf das aquatische
Ökosystem ist hinreichend bekannt. Diese Betrachtung spiegelt aber kein realistisches
Bild der Belastung von aquatischen Ökosystemen wider. Während des Klärprozesses in
kommunalen Kläranlagen und damit vor dem Eintrag von NPs in die Umwelt, finden
Transformationsprozesse statt, die einen großen Einfluss auf deren Toxizität haben
können. Eine ökotoxikologische Analyse von sogenannten „wastewater-borne“ NPs wurde
bisher nicht ausreichend durchgeführt. Das Projekt „FENOMENO - Fate and effect of
wastewater-borne manufactured nanomaterials in aquatic ecosystems” hatte sich daher
zum Ziel gesetzt das Verhalten, mit möglichen Transformationsprozessen von NPs zu
analysieren und zu charakterisieren und das ökotoxikologische Potential von „wastewaterborne“
AgNPs und TiO2NPs entlang der aquatischen Nahrungskette, Alge-Daphnia-Fisch,
zu untersuchen.
Im Rahmen dieses Projektes, habe ich in meiner Doktorarbeit die Auswirkungen von
„wastewater-borne“ AgNPs und TiO2NPs auf zwei Schlüsselorganismen des aquatischen
Ökosystems, Daphnia magna und Danio rerio, untersucht. Im Speziellen habe ich dabei
Studien zum Verhalten von D. magna und D. rerio, zum Reproduktionserfolg von sechs
aufeinander folgenden Generationen von D. magna unter dem Einfluss von „wastewaterborne“
AgNPs und TiO2NPs durchgeführt. Alle Studien wurden in Konzentrationsbereichen
im umweltrelevanten Bereich (basierend auf PEC Werten) und im Vergleich mit
„pristine“ AgNPs und TiO2NPs durchgeführt, um eine Aussage über die Toxizität der NPs
im Ausfluss der Kläranlage zu treffen. Darüber hinaus habe ich die Ausbildung von
Abwehrmechanismen gegenüber Fressfeinden bei D. magna unter dem Einfluss von
„pristine“ AgNPs und das Nahinfrarot Sehen von D. rerio Larven untersucht. Ich konnte
mit den durchgeführten Experimenten zeigen, dass die Toxizität von „wastewater-borne“
AgNPs im Vergleich zu „pristine“ AgNPs signifikant reduziert ist. So zeigten sich in der
Mehrgenerationsstudie mit D. magna keine negativen Effekte auf wichtige Parameter des
Lebenszyklus, wie Reproduktionserfolg, Körperlänge oder Tag der ersten
Nachkommenschaft. Die Behandlung mit „pristine“ AgNPs führte dagegen zu einer
signifikanten Reduktion des Reproduktionserfolgs in allen sechs untersuchten Generationen. Dieses Ergebnis konnte durch die Auswertung von verhaltensrelevanten
Endpunkten in den durchgeführten Verhaltensstudien, wie Schwimmhöhe, Ortswechsel
und Aufenthaltszeit für D. magna und Schwimmgeschwindigkeit und zurückgelegte
Distanz für D. rerio Larven, untermauert werden. Die reduzierte Toxizität von „wastewaterborne“
AgNPs kann hauptsächlich durch die Transformation von AgNPs zu Silbersulfid
(Ag2S) erklärt werden. Durch die geringe Wasserlöslichkeit und die verringerte Bildung
von Ag+ Ionen ist die Bioverfügbarkeit von Ag deutlich reduziert worden, wodurch das
toxische Potential von Ag für aquatische Organismen deutlich sinkt. Weitere Experimente
mit umweltrelevanten Konzentrationen an „wastewater-borne“ und „pristine“ TiO2NPs
zeigten keinen Einfluss auf Verhaltensrelevante- und Lebenszyklusparameter in beiden
untersuchten Schlüsselorganismen. Darüber hinaus konnte ich zeigen, dass keine
Ausbildung von Abwehrmechanismen gegenüber Fressfeinden in der nachfolgenden
Generation stattfindet, wenn adulte D. magna mit „pristine“ AgNPs behandelt wurden,
obwohl sie diese selber zeigen. Die Nachkommen von adulten Daphnien, die mit „pristine“
AgNPs behandelt wurden, zeigten signifikant verringerte Endpunkte, wie z.B. verkürzte
Stachelspitze im Verhältnis zur Körperlänge. Dieser Effekt konnte bei „pristine“ TiO2NPs
nicht nachgewiesen werden, da hier die Ausbildung der Abwehrmechanismen auch in der
nächsten Generation nicht negativ beeinflusst wurde. Entgegen aller bisherigen
Annahmen konnte ich zeigen, dass D. rerio Larven nahinfrarotes Licht (NIR) bis zu einer
Wellenlänge von 860 nm wahrnehmen können und ein negativ phototaktisches Verhalten
zeigen. Dieses Muster ist auch bei visuellem Licht zu erkennen. Wellenlängenbereiche ab
960 nm werden von den Larven nicht mehr wahrgenommen und können für
Verhaltensversuche als „dunkele“ Lichtquelle verwendet werden. Durch die Einbeziehung
von natürlichen Transformationsprozessen im Lebenszyklus von NPs und von
umweltrelevanten Konzentrationen kann meine Arbeit eine realistischere
Risikoabschätzung von AgNPs und TiO2NPs für aquatische Organismen liefern.
Zusammenfassend habe ich herausgefunden, dass das ökotoxikologische Potential von
„wastewater-borne“ NPs als sehr gering einzuschätzen ist und das Risiko für das
aquatische Ökosystem bislang deutlich überschätzt wurde. Diese Aspekte sollten in der
Risikobewertung und Zulassung von Nanopartikeln, aufgrund ihrer besonderen
chemischen Eigenschaften untersucht und berücksichtig werden. Das Wahrnehmen von
NIR-Licht von D. rerio Larven stellt zudem eine wichtige Erkenntnis für ökotoxikologische
Untersuchungen dar.