Wilhelm Fiedler (1832–1912) war Professor an den polytechnischen Schulen in Prag und Zürich, der heutigen ETH. Er vertrat das Fach darstellende Geometrie, dem damals in der Ausbildung zukünftiger Ingenieure eine Schlüsselrolle zukam. Aber seine Sicht der darstellenden Geometrie war viel umfassender: Die gesamte Geometrie sollte darstellend werden.
In Zürich bildete Fiedler auch zukünftige Fachlehrer aus und entwickelte mit seiner Konzeption der Geometrie und ihres Unterrichts einen nachhaltigen Einfluss auf das höhere Schulwesen seiner Wahlheimat, der auch außerhalb der Schweiz breit wahrgenommen wurde.
Fiedler korrespondierte mit sehr vielen Partnern in der Fachwelt, seine erhaltene und im Archiv der ETH aufbewahrte Korrespondenz umfasst ca. 1.800 Briefe. Im vorliegenden Band wird erstmals hieraus eine größere Auswahl veröffentlicht. In den abgedruckten Briefen geht es u.a. um den Kampf für die Geometrie, die in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. vor allem an den Universitäten an Bedeutung verlor, um Aufbau und Funktion eines technisch-gewerblichen Bildungswesens, eine Aufgabe, die in Italien nach der Vereinigung drängend war, um Netzwerke und Stellenbesetzungen, aber auch um einige große politische Ereignisse der zweiten Hälfte des 19. Jhs. wie den deutschen Krieg von 1866 und die Einigungen von Deutschland und Italien. Es entsteht so ein authentisches Bild, das unsere Auffassung von der Entwicklung der Mathematik in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. wesentlich bereichert und korrigiert und Informationen aus erster Hand zu einigen wichtigen Akteuren der mathematischen Gemeinschaft jener Zeit liefert.