Die Strategie des Kopierens der Partnerwahl fasziniert Forscher seit Jahrzehnten, aber dennoch ist nur wenig über seinen grundlegenden Mechanismus bekannt. Die Erforschung davon, welche Aspekte der sozialen Information relevant sind, um Kopierverhalten auszulösen und wie diese miteinander verknüpft sein könnten, ist ein zentrales Ziel derzeitiger Forschung. In meiner Doktorarbeit untersuchte ich den Nutzen sozialer Information für das Kopieren der Partnerwahl bei dem lebendgebärenden Breitflossenkärpfling Poecilia latipinna. Es wurde gezeigt, dass sowohl die Männchen, wie auch die Weibchen, die Partnerwahl von Artgenossen kopieren, was den Breitflossenkärpfling zu einer idealen Modellart macht. Neben der klassischen, experimentellen Vorgehensweise mit echten Stimulusfischen um das Kopieren zu untersuchen, verwendete ich auch einen methodisch neuen Ansatz, nämlich den mittels Computeranimation. Dafür beinhaltete meine Doktorarbeit auch die Entwicklung von „FishSim Animation Toolchain“, innerhalb des interdisziplinären Projekts „Virtueller Fisch“ an der Universität Siegen. FishSim ist eine Softwareoberfläche für die Erstellung, Animation und Präsentation von virtuellen Breitflossenkärpflingen für Experimente. Eine positive Validierung der neuen Methode konnte zeigen, dass Testweibchen an virtuellen Männchen gleichermaßen interessiert waren, wie an echten Männchen oder solchen die als Videoaufnahmen gezeigt wurden. In einer Reihe von Kopierexperimenten mit echten und virtuellen Stimulusfischen, manipulierte ich innerhalb der Beobachtungsphase den Inhalt sichtbarer sozialer Information, der entweder durch ein Modellweibchen und/oder ihre sexuelle Interaktion mit einem Männchen zur Verfügung stand.
Es wird vermutet, dass die Körpergröße eines Modellweibchens auf ihre Qualität als Modell hinweist, im Hinblick auf ihr Alter und, in der Konsequenz, auf ihre Erfahrung bei der Partnerwahl. Größere Modelle seien älter und daher erfahrener in der Partnerwahl. In einer Vergleichsstudie mit echten und virtuellen Stimulusfischen fand ich heraus, dass die Körpergröße eines Modellweibchens das Kopierverhalten von beobachtenden Testweibchen nicht beeinflusste. Sie kopierten die Wahl des Modellweibchens (echt oder virtuell) für ein vormals nicht präferiertes Männchen unabhängig davon, ob das Modellweibchen größer oder kleiner als das Testweibchen war. Diese Ergebnisse stehen im Kontrast zu früheren Studien, die größenabhängiges Kopierverhalten bei dem nahverwandten Guppy demonstrierten. Ich vermute, dass grundlegende Regeln für das Kopieren der Partnerwahl artabhängig sind und zwischen verschiedenen sozialen und ökonomischen Begebenheiten variieren können.
In einer anderen Studie vermutete ich, dass der Trächtigkeitsfleck, welcher ein typisches Merkmal von weiblichen, lebendgebärenden Zahnkarpfen ist, möglicherweise Informationen über die Qualität eines Modellweibchens im Hinblick auf ihren Fortpflanzungsstatus verrät. Ich konnte allerdings zeigen, dass weder das Vorhandensein, noch die Abwesenheit des Trächtigkeitsflecks bei einem virtuellen Modellweibchens das Kopierverhalten der Testweibchen beeinflusste. Sie kopierten die Wahl eines virtuellen Modellweibchens in beiden Fällen, was andeutet, dass der Trächtigkeitsfleck keine Quelle zuverlässiger Information für beobachtende Weibchen darstellt. Zumindest nicht für Breitflossenkärpflinge.
Um zu untersuchen, ob die Verhaltensinteraktion zwischen dem Modellweibchen und dem Männchen das Kopierverhalten von beobachtenden Testweibchen beeinflusst, manipulierte ich das Balzverhalten des interagierenden Paares. Ich verwendete FishSim, um Balzverhalten zu präsentieren, das entweder einvernehmlich war oder jeweils nur von dem Männchen oder dem Modellweibchen ausging. Ich konnte zeigen, dass die Testweibchen die Wahl eines virtuellen Modellweibchens in jeder der drei Situationen kopierten. Die Stärke des Kopierens wurde jedoch durch Unterschiede im Balzverhalten beeinflusst. Das Kopierverhalten war am stärksten, wenn nur das Männchen aktiv balzte und am schwächsten, wenn Männchen und Weibchen beide aktiv balzten und sogar sichtbar kopulierten. Wenn kein Modellweibchen anwesend war, sorgte ein Fehlen des männlichen Balzverhaltens dafür, dass die Testweibchen das Interesse an einem vormals präferierten Männchens verloren. Meine Ergebnisse zeigen, dass obwohl ein Modellweibchen wertvolle Information für die Beurteilung eines Männchens liefern kann, ein sexuell aktives Modellweibchen nichts desto trotz auch als Konkurrentin wahrgenommen werden könnte, was das Kopierverhalten insgesamt vermindert. Diese Studie beschreibt einen ersten Versuch für eine systematische Manipulation von Verhalten, um dessen mögliche Effekte auf das Kopieren der Partnerwahl zu untersuchen, was bisher noch nicht unter solch kontrollierten Bedingungen versucht wurde.
In einem letzten Experiment mit realen Fischen manipulierte ich die Verhaltensinteraktion des Modellweibchens und dem Männchen, indem ich die Distanz zwischen ihnen vergrößerte. Ich konnte zeigen, dass Testweibchen Kopierverhalten zeigten wenn sich Modellweibchen und Männchen in unmittelbarer Nähe zueinander befanden (1 cm) aber auch, wenn sie voneinander entfernt waren (40 cm) und nur über Distanz kommunizieren konnten. Diese Ergebnisse stehen im Kontrast zu meiner Vermutung, dass eine Vergrößerung der Distanz zwischen dem Paar das Balzverhalten und jegliche sexuelle Interaktion verhindern würde, welche normalerweise als in kurzer Distanz stattfindend beschrieben wird.
Zusammengefasst unterstützen meine Ergebnisse das bisherige Wissen über die Wichtigkeit des Modellweibchens und heben zudem die Wichtigkeit hervor, Aspekte zur Verhaltensinteraktion des Modellweibchens und des Männchens in zukünftige Forschung zum Kopieren der Partnerwahl zu integrieren. Zusätzlich konnte ich eine hoch kontrollierte und standardisierte Vorgehensweise für zukünftige Forschung zum Kopieren der Partnerwahl mit FishSim vorstellen, die außerdem die Möglichkeit bereithält das Tierwohl in der Forschung zu verbessern.