Die Optimierung moderner Verbrennungsmotoren bezüglich der Abgasemissionen stellt die Entwickler der Steuergerätefunktionen in immer größerem Maß vor neue Anforderungen. Zur Erreichung einer hohen Konvertierungsrate des Katalysators muß die Gemischbildung in jedem Betriebspunkt zunehmend genauer gesteuert bzw. geregelt werden. Im Stationärbetrieb (konstante Drehzahl, konstantes Motormoment) wird dies weitgehend durch die Lambdaregelung realisiert. Im Instationärbetrieb sind jedoch zusätzliche Funktionen zur Berücksichtigung thermodynamischer und strömungsdynamischer Phänomene des Luft- und Kraftstoffpfades erforderlich. Den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit bildet die Anwendung linearer und nichtlinearer Kalman-Filter, sowie Zustandsregelungen zur Verbesserung der instationären Gemischbildung bei konventionellen Ottomotoren. Aus steuerungstechnischer Sicht stellen das nichtlineare Befüll- und Entleerverhalten des Saugrohres, die instationären Temperatureffekte im Saugrohr, die Totzeit zwischen der Berechnung der Einspritzzeit und dem Schließzeitpunkt des entsprechenden Einlaßventiles, sowie die Dynamik des Wandfilmes die wesentlichen Ursachen für dynamische Gemischfehler dar.
Die regelungstechnische Beschreibung dieser Effekte erfolgt in der Literatur in fast allen Arbeiten in Form von Mittelwertmodellen [Boam, Aqui, Wu, Benn, ...]. Darüber hinaus zeigen jedoch auch die den Mittelwerten überlagerten, deterministischen Störungen (Pulsationen) aufgrund der nichtlinearen Drosselwirkung an der Drosselklappe Einfluß auf die Befüllung des Saugrohres [Sche-1]. Sie können mit Hilfe eines signaltheoretischen Ansatzes berücksichtigt werden. Durch Lastsprünge verursachte, schnelle Druckänderungen bewirken starke, kurzzeitige Temperaturänderungen, welche unkompensiert nicht zu vernachlässigende Gemischfehler verursachen können. Zur Modellierung der Wandfilmeffekte existieren eine ganze Fülle von Arbeiten [Aqui, Fek, Tur,...] mit sehr unterschiedlichen physikalischen Einzelphänomenen als Grundlage. Die Annahme einer getrennten Wand- und Ventilfilmdynamik führt zu einem Modell zweiter Ordnung mit Durchgriff, welches über einen weiten Temperaturbereich mit hoher Genauigkeit parametriert werden kann. Es kann gezeigt werden, daß eine externe Abgasrückführung das vorgesteuerte Gemischverhältnis (angesaugte Luft und eingespritzter Kraftstoff) in Abhängigkeit der Abgasrückführrate beeinflußt. Dieser Nachweis stellt im Umkehrschluß ein einfaches Verfahren zur Bestimmung der AGR-Rate auf Basis der Bilanzierung von eingestelltem und an der Lambdasonde gemessenem Gemischverhältnis dar.
Für ein saugrohrdruckbasiertes Einspritzsystem können zur Bestimmung der Zylinderluftmassen mit Hilfe eines Extended Kalman-Filters sowohl die deterministischen als auch die stochastischen Eigenschaften der Saugrohrdynamik berücksichtigt werden. Das Verfahren zeigt in seiner einfachsten Form (nichtlineares Systemmodell 2.Ordnung mit den beiden Zuständen Saugrohrdruck und Saugrohrtemperatur) ein nachteiliges Verhalten bei Parameterschwankungen. Die Einführung eines adaptiven Parameters steigert die Robustheit des Verfahrens erheblich. Darüber hinaus kann mit Hilfe dieses adaptiven Kalman-Filters zusätzlich Leckluft im Saugrohr identifiziert werden [Sche-4]. Die Transformation des Verfahrens in den Kurbelwinkelbereich ermöglicht die Modellierung der Saugrohrdruckpulsationen in den Systemgleichungen als deterministische, harmonische Überlagerung mit konstanter Frequenz. Die zusätzliche Berücksichtigung der Pulsationen liefert einen störungsfreien, hochdynamischen Druckmittelwert bei gleichzeitiger Bestimmung der instationären Saugrohrtemperatur.
Die Prädiktion der Zylinderluftmasse (Last) zur Kompensation der Totzeit zwischen Einspritzzeitberechnung und Schließzeitpunkt des Einlaßventils (letzter möglicher Zeitpunkt für eine Laständerung) erfolgt bei konventioneller Technik entweder über einen additiven Luftmassenanteil in Abhängigkeit der Drosselklappenwinkeländerung, oder mit Hilfe einer (linearen) Extrapolation des Lastverlaufes. Als Alternative erfolgt die Prädiktion im Rahmen der vorliegenden Arbeit modellbasiert. Die Drosselklappenbewegung als wesentliche Störgröße und Ursache für eine schnelle Laständerung wird stochastisch analysiert und als farbiger Rauschprozeß modelliert. Ein mit Hilfe dieser Modellgleichungen entworfenes, lineares Kalman-Filter stellt mit seinen Schätzwerten die prädizierten Eingangsgrößen für ein Lasterfassungsverfahren zur Verfügung. Durch eine Anpassung des Prädiktionshorizontes an die Ventilsteuerzeiten unter Berücksichtigung der Vorlagerungswinkel kann eine zylinderindividuelle, korrigierte Lastprädiktion realisiert werden.
Bei allen derzeit bekannten Lasterfassungsverfahren basiert die Luftmassenberechnung auf den Signalen eines ”Hauptlastsensors”, z.B. des Luftmassensensors oder des Saugrohrdrucksensors. Oft sind jedoch aufgrund von zusätzlichen Anforderungen (z.B. Diagnose) auch noch andere Sensoren mit wichtigen, redundanten Lastinformationen verfügbar, deren Signale bisher nicht zur primären Lastberechnung genutzt werden. Im Gegensatz zu dieser Sensordatenintegration bietet die Sensordatenfusion (multisensorielle Meßdatenverarbeitung) die Möglichkeit, redundante Informationen zu nutzen und das Schätzergebnis zu verbessern [Arndt-1, Arndt-2]. Diese Methode bietet auch bezüglich der Lasterfassungsproblematik Vorteile. Stehen mehrere Lastsensoren gleichzeitig zur Verfügung, so kann die Gewichtung der Sensorsignale durch die Modellierung der stochastischen Parameter an den Arbeitspunkt des Motors angepaßt werden. Im Falle eines Sensorausfalls erfolgt nach erkanntem Defekt und Anpassung der Parameter eine Rekonstruktion des fehlenden Signals ohne Strukturumschaltung des Modells [Sche-3].
Die Wandfilmdynamik zeigt ihre größten Auswirkungen auf die Gemischbildung bei tiefen Kühlwasser- und Ansauglufttemperaturen. Eine wesentliche Abhängigkeit der Dynamik von Drehzahl und Last kann nicht festgestellt werden. Als Kompensationsverfahren ist die Model-Matching Methode in der Praxis stark verbreitet. Dabei handelt es sich um eine reine Steuerung, bei der ein invertiertes Wandfilmodell als Vorsteuerglied eingesetzt wird [Benn]. Mit Hilfe einer Wandfilmkompensationsregelung können durch die zusätzlichen Informationen des Lambdasondensignales die Auswirkungen von Parameterschwankungen und Störungen gedämpft werden. Die Kompensationsregelung zeigt gegenüber der Model-Matching Methode ein robusteres Verhalten.