Ror Wolf hat sich seit dem Beginn seiner literarischen Produktion
Mitte der sechziger Jahre als feste Größe innerhalb einer
progressiven, experimentell ausgerichteten und nach neuen
Ausdrucksformen suchenden Literatur etabliert. Seine erklärte
Abneigung gegen Dogmen und verfestigte Thesen nimmt die
Unmöglichkeit, sein schriftstellerisches Werk unter
literaturtheoretischen Gesichtspunkten in ein klar umrissenes
Theorem einzupassen, vorweg. Eine definitorische Zuordnung der
Wolfschen Prosa zu einem bestimmten, wie auch immer gearteten
Programm wird mit vorliegender Arbeit nicht angestrebt. Vielmehr
möchte die Verfasserin interferierende Einflüsse und Tendenzen
innerhalb der Prosa Ror Wolfs transparent machen und deren
mannigfaltige Verschränkungen aufzeigen. Dabei geraten sowohl
thematische als auch sprachtechnische Fragestellungen in den
Fokus. Es wird angenommen, dass Ror Wolf konkrete ästhetische
Verfahren der Moderne aufnimmt und sie in Richtung einer
postmodernen Schreibweise weiterentwickelt; und zwar in dem Sinne
als er die erkenntnistheoretischen Errungenschaften der Moderne
nicht beklagt und dramatisiert, sondern spielerisch und immer
auch mit Witz und vorgegebener Leichtigkeit die sich darbietenden
Möglichkeiten von Sprache als Weltbewältigung in unserer Zeit
problematisiert. Es werden daher Elemente moderner Tradition und
Grundzüge postmodernen Erzählens aufgezeigt, ohne Wolfs Prosa
starrsinnig zu kategorisieren und sie begrifflichen Epochen
zuzuordnen, über deren Gestalt in der Forschung nur begrenzt
Einigkeit herrscht und die in vielerlei Hinsicht miteinander
verschmelzen. Die differenzierende Zuordnung vorhandener
Stilmerkmale und Themata steht kapitelübergreifend zur
Disposition und wird an exemplarischen Textstellen diskutiert,
wobei gegebenenfalls auch andere Analysekriterien als die
modernen und postmodernen fruchtbar gemacht werden.