Denunziationen stellten für die Gestapo eine ihrer wichtigsten Erkenntnisquellen dar. Zur Aufdeckung und flächendeckenden Bekämpfung von Protest waren sie unverzichtbar. In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, wie die alltägliche Unterdrückung im Zusammenspiel von Geheimer Staatspolizei, Justiz und Bevölkerung in Deutschland 1933-1945 funktionierte.
Wesentliche Grundlage der Untersuchung sind aus 331 Personenakten der Gestapo erhobene Daten zu Denunziation und Verfolgung bei Alltagsprotest. Die Erhebung umfaßt mit Dörfern, Kleinstädten und einer Großstadt Siedlungsgebiete unterschiedlicher Dichte und Größe. Theoretische Annahmen über die Mechanismen sozialer Kontrolle führen zur Identifizierung selektiver Filterprozesse
bei der Quellenentstehung. Diese Identifizierung erscheint für die NS-Zeit als ein Novum. Sie erlaubt eine quellenkritische Neubewertung älterer Forschungsergebnisse und verweist auf epochenübergreifende Mechanismen sozialen Mit- und Gegeneinanders.
Die Ergebnisse der empirischen Analyse geben Aufschluss über die ungleichen, wenn auch regelmäßigen Risiken ein Opfer nationalsozialistischer Verfolgung zu werden. Tabellen veranschaulichen den Verlauf von Protest- und Denunziation, das soziale Profil der Denunzianten und ihrer Opfer, die Motive sowie die Verteilung unterschiedlicher Sanktionsformen des Regimes. Im Vergleich mit dem Vorgehen gegen den organisierten Widerstand wird deutlich, wie sehr dort alternative
Erkenntnisquellen dominierten: Nicht generell die Selbstüberwachung der Gesellschaft sondern erst deren pragmatische Kombination mit proaktiver geheimpolizeilicher Aufdeckungsarbeit verlieh der Gestapo ihre legendäre Durchschlagskraft und trug, trotz begrenzter Ressourcen, entscheidend zur erfolgreichen Herrschaftssicherung bei.