Kolloide spielen eine wichtige Rolle in der Forschung. In vielen Anwendungsgebieten, beispielsweise Optik, Mikro- und Nanoelektronik, Mikrofluidik, Automobilindustrie, Mineralölindustrie, dienen sie sowohl als Testsubstanzen als auch "Werkzeug", um grundlegende Vorgänge zu erforschen. In der Grundlagenforschung dienen kolloidale Suspensionen als Modelle für atomare und molekulare Systeme. In der vorliegenden Arbeit habe ich Suspensionen aus festen Kolloiden (auch als Partikel bezeichnet) in externen elektrischen und magnetischen Feldern studiert.
Externe Felder modifizieren die Wechselwirkungen der Kolloide untereinander sowie zwischen Kolloiden und Lösungsmittel und sind daher eine klassische Methode für Untersuchungen an dem Verhalten im Nichtgleichgewicht. In dieser Arbeit habe ich die Bewegung von Kolloiden aus Polymethylmethacrylat (PMMA) in einem dichteangepassten Lösungsmittel in dielektrophoretischer Flasche (DEP-Flasche, engl. "electric bottle") mittels hoher Gradienten der elektrischen Felder im Nichtgleichgewicht untersucht. Aufgrund der inhomogenen Verteilung der dielektrophoretischen Kraft (DEP-Kraft) bildete sich kurz nach dem Anschalten des elektrischen Feldes am Rand der Elektroden eine an Kolloiden verarmte Zone (Verarmungszone) aus. Später entwickelte die Front der wandernden Kolloide eine wellige Form. Diese Instabilität ähnelt Rayleigh-Taylor-Instabilität. Sie hängt nicht von der Feldfrequenz sondern von der Feldstärke ab.
Während dieses Wechselspiel zwischen DEP-Kraft und Hydrodynamik auf einer Längenskala von etwa 100 µm stattfindet, eignet sich die DEP-Flasche auch dazu, die lokale Kolloidkonzentration zu erhöhen, bis Kristallisation eintritt. In den resultierenden koexistierenden flüssigen und kristallinen Phasen von kolloidalen Suspensionen habe ich lokale rheologische und dynamische Eigenschaften untersucht. Magnetische Kolloide wurden dafür als Sonden mittels magnetischer Felder durch die jeweiligen Phasen gezogen.
Um die magnetischen Kolloide in Bewegung zu setzen, ist in der kristallinen Phase eine minimale Kraft ("Pinning-Kraft") erforderlich. Nach meinen Ergebnissen hängt diese von den Wechselwirkungen zwischen Kolloiden also auch von der Kolloidkonzentration ab. Aufgrund ihrer starken magnetischen Wechselwirkung können magnetische Kolloide aggregieren und auch in verdünnten Lösungen Ketten (Züge) bilden. Magnetische Kolloidzüge verhalten sich in kolloidalen Suspensionen im Wesentlichen wie zylinderförmige Objekte.
Durch wiederholte Drehung magnetischer Kolloidzüge in der Horizontalen habe ich die dynamischen Eigenschaften von Kristallen aus PMMA-Kolloiden auch in zwei Dimensionen studiert. Während der Drehung verformten sich die Kristallgitter weit entfernt von den Kolloidzügen nur elastisch. Eine Analyse des Lindemann-Parameters ergab, dass der Einfluss der Kolloidzüge auf die Bewegung der umgebenden Kolloide bei zunehmendem Abstand zum Drehzentrum exponentiell abfällt. Durchziehen eines Kolloidzuges durch eine kristalline Matrix induzierte lokales Schmelzen des Kristalls. Zeit- und Ortsaufgelöste konfokale Mikroskopie zeigte, dass die PMMA-Kolloide weniger als 2 Minuten benötigten, um zu rekristallisieren.
Die beschriebenen Ergebnisse zeigen, dass kolloidale Sonden von komplexer Form (Kolloidzüge) nicht nur für die Untersuchung der mikrorheologischen Eigenschaften kolloidaler Suspensionen, sondern auch für Studium der Defektdynamik besonders geeignet sind.
In mikrofluidischen Anwendungen kolloidaler Suspensionen gewinnen Wandeffekte und räumliche Einschränkung der Bewegung an Einfluss. Um diesen Aspekt zu untersuchen, habe ich die Bewegung und Verteilung der Kolloide in elektrischen Gleichspannungsfeldern in Mikrokanälen verfolgt. Mikrokanäle wurden mittels optischer Lithographie hergestellt und der Prozess optimiert. Sowohl die Geschwindigkeit als auch die Packungsdichte hängen von der Kanalform ab. Wie sich herausstellte, wurde nach Anschalten des elektrischen Feldes die Kolloide vorwiegend durch Elektroosmose statt Elektrophorese angetrieben. Im Vergleich dazu hängt die durch Gravitation verursachte Kolloidbewegung von der lokalen Packungsdichte und dem Neigungswinkel des Kanals ab. Bei hinreichender Kolloidkonzentration wurde eine Separation der Kolloide von der Wasserströmung
beobachtet. Die quantitativen Resultate zu diesen Phänomenen ermöglichen uns, das kolloidale Verhalten in den komplexen Situationen in Mikrofluidik zu verstehen und mikrofluidische Anwendungen zu optimieren.