Mediale Innovationen lösen auf dem Weg ihrer gesellschaftlichen Durchsetzung
Wertedebatten aus, die vergleichbare Argumentationsmuster aufweisen, obwohl sie
um unterschiedliche Medientechniken und in unterschiedlichen historischen Kontexten
geführt werden. Diese These überprüft die Untersuchung anhand einer exemplarischen
Gegenüberstellung zweier Etablierungsdiskurse, die das Auftauchen des
Films als neues Medium in den 1910er Jahren und des Internets als neues Medium
achtzig Jahre später auslöste.
Die so genannte Kino-Debatte und die Diskussion um die Anfänge der Filmwirtschaft
vor dem Hintergrund des militärisch-politischen Komplexes des Ersten Weltkriegs
sowie die ersten größeren Filmtheorien werden strukturiert und dem aktuellen
Digitalisierungsdiskurs über die „elektronische Demokratie“ und das „Wissensmedium
Internet“ vergleichend gegenüber gestellt.
Bei aller Unterschiedlichkeit der jeweils zu Grunde liegenden Technik, weist die
Form der öffentlichen Diskurse weitreichende Ähnlichkeiten auf. Zum Teil identische
Formulierungen, Motive und diskursive Versatzstücke werden in der Untersuchung
vergleichbaren Strukturmustern und Diskurstopoi subsumiert. Die Unterschiedlichkeit
der diskursiven Zuschreibungen jeweiliger medialer Qualitäten zeigt,
dass sich die Diskurse von ihrem Gegenstand loslösen und sich gemäß jeweils virulenter
Werte-Diskussionen formieren, also nicht von einer zu Grunde liegenden Medientechnik
vorgezeichnet sind. So erscheint das neue Medium gleichermaßen in
seiner Anwendung unbestimmt wie universell in seinen Möglichkeiten. Einen
Schwerpunkt bei der Darstellung homologer Debattenstrukturen bildet der Diskurstopos
„Wirklichkeitsverlust“, die befürchtete Erosion der Unterscheidbarkeit von
Sein und Schein. „Medienrevolutionen“ erscheinen in der Perspektive dieser Untersuchung
als Ansammlung aufeinander bezogener Redereflexe und nicht als medientechnisch
induzierte Innovationen.