Menschen mit Behinderungen sind besonders hohen Risiken im Erwerbsleben ausgesetzt. Dies betrifft insbesondere auch Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen. Insgesamt ist ihre Teilhabe am Arbeitsmarkt stark eingeschränkt. Im Vergleich mit der allgemeinen Arbeitslosenquote liegt die Arbeitslosenquote von schwerbehinderten Menschen deutlich höher und dementsprechend ist die Erwerbsquote von Menschen mit Behinderungen deutlich geringer als die allgemeine Erwerbsquote. Darüber hinaus steigen die Zugangszahlen der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen jährlich stetig an. Trotz großer Bemühungen und vielfacher Modellprojekte gelingen Übergänge aus der Werkstatt für Menschen mit Behinderungen nur in sehr geringer Zahl und wenn, dann sind sie vor allem für den Personenkreis der Menschen mit psychischen Behinderungen häufig nicht von Dauer.
Die seit 2009 auch in Deutschland ratifizierte UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen konkretisiert die Rechte von Menschen mit Behinderungen neben anderen Schwerpunktbereichen auch im Handlungsfeld Arbeit und Beschäftigung. Demnach ist gesetzlich verankert, dass Menschen mit Behinderungen nach Artikel 27 der UN-BRK das gleiche Recht auf Arbeit haben wie alle Menschen und dass dies "das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird" (ARTIKEL 27 ABS. 1 UN-BRK) beinhaltet.
Der theoretische Teil der vorliegenden Diplomarbeit beschäftigt sich sowohl mit den stabilisierenden als auch mit den belastenden Faktoren von Arbeit. Darüber hinaus wird der Wandel der Arbeitswelt in den letzten Jahren skizziert und die Rolle der Arbeit bei der Entstehung von psychischen Erkrankungen insbesondere vor dem Hintergrund der gestiegenen psychischen Belastungen in der Arbeitswelt beleuchtet. Die aktuelle Situation von Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt mit ihrer speziellen Erwerbs- und Arbeitslosenquote wird dargestellt, um anschließend zu untersuchen, welche unterschiedlichen Vorbehalte und Barrieren bezüglich der Einstellung von Menschen mit (psychischen) Behinderungen bestehen. In Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen werden die Angebote von Werkstätten für behinderte Menschen und von Integrationsprojekten vorgestellt, bevor auf die möglichen institutionellen Unterstützungsarrangements und spezifischen Konzepte eingegangen wird, die für Menschen mit Behinderungen zur Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entwickelt und installiert wurden. In diesem Zusammenhang werden vor allem die Unterstützungsmöglichkeiten durch das Integrationsamt und die Integrationsfachdienste sowie die Konzepte der Unterstützten Beschäftigung, der Arbeitsassistenz und des Persönlichen Budgets vorgestellt. Darüber hinaus wird in Bezug auf die Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention im Handlungsfeld Arbeit und Beschäftigung untersucht, welche Veränderungen neben den bereits initiierten Maßnahmen der Bundesregierung notwendig sind, um einen inklusiven Arbeitsmarkt als grundlegendes Leitziel der UN-BRK zu ermöglichen. Ein besonderes Augenmerk soll dabei auf die Frage gelegt werden, ob auch Institutionen des zweiten Arbeitsmarktes einen Beitrag zur Inklusion leisten können und ob sie demnach auch zukünftig auf einem angestrebten inklusiven Arbeitsmarkt eine Existenzberechtigung haben.
Im Rahmen einer eigenen empirischen Erhebung wurden fünf Menschen mit einer chronischen psychischen Erkrankung befragt, um herauszufinden, welche Erfahrungen Menschen mit psychischen Behinderungen im Arbeitskontext machen und wie sie selbst ihre Situation bzw. ihre Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt beurteilen.
In der vorliegenden Arbeit wird die Hypothese aufgestellt, dass die Bedingungen, unter denen Arbeit heutzutage stattfindet, weniger zur Inklusion als vielmehr zur Exklusion von Menschen mit Behinderungen führen. Da immer mehr Menschen mit den veränderten und sich weiter wandelnden Arbeitsbedingungen nicht zu Recht kommen, erkranken und aus dem Arbeitsleben ausscheiden bzw. zunehmend alternative Beschäftigungsformen, wie in Integrationsfirmen und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen geschaffen werden müssen, stellt sich die Frage, ob Arbeit unter den aktuellen Arbeitsbedingungen nicht psychische Erkrankungen sogar selbst "produziert". Ein Grundanliegen der vorliegenden Arbeit soll es dementsprechend sein, die Voraussetzungen und Bedingungen für einen Wandel von einem exklusiven zu einem inklusiven Arbeitsmarkt herauszuarbeiten.