Im Bereich sehr hoher Lastspielzahlen (Very High Cycle Fatigue (VHCF)) und damit sehr niedrigen Lastamplituden ist nicht klar, ob alle Risswachstumsphasen der konventionellen Risswachtsumkurve auftreten. Die natürliche Rissinitiierung der Aluminiumknetlegierungen EN-AW 6082 und EN-AW 5083 tritt bei sehr niedrigen Belastungsamplituden vorzugsweise im Werkstoffinneren auf, wobei die Rissausbreitung ohne Kontakt zu atmosphärischen Bestandteilen der Umgebungsluft stattfindet. Um das Rissausbreitungsverhalten im Werkstoffinneren abbilden zu können, wurden Ermüdungsexperimente im Vakuum durchgeführt. Hierbei ermöglichte die Ultraschallermüdungsprüftechnik mittels einer kleinen Vakuum-Probenkammer in Verbindung mit der Fernfeldmikroskopie die Erfassung des Langrissausbreitungsverhaltens bei einer Resonanzfrequenz von etwa 19,2 kHz unter unterschiedlichen Spannungsverhältnissen. Desweiteren ermöglichte ein speziell für das Rasterelektronenmikroskop (REM) konstruiertes und gebautes Miniaturprüfsystem eine in-situ Beobachtung sowie Charakterisierung der Schädigung unter der Vakuumbedingung der REM-Probenkammer. Um den Atmosphäreneinfluss auf die VHCF-Langrissausbreitung genauer untersuchen zu können, wurden Ermüdungsexperimente unter verschiedenen Umgebungsbedingungen durchgeführt. Die Ergebnisse aus den Ermüdungsversuchen zeigen, dass ein signifikanter Atmosphäreneinfluss auf das VHCF-Langrissausbreitungsverhalten besteht, welcher sich sowohl im Risspfad als auch in der Rissausbreitungsrate manifestiert. Insbesondere für die Aluminiumknetlegierung EN-AW 6082 im maximal ausscheidungsgehärteten Zustand konnte nachgewiesen werden, dass
unter VHCF-Belastung sowohl eine ausgeprägte Einfachgleitung als auch hauptsächlich schubspannungsgesteuertes Risswachstum im Vakuum stattfinden. Damit unterscheidet sich das VHCF-Rissausbreitungsverhalten in diesem Werkstoffzustand im Vakuum signifikant vom bisher bekannten Risswachtum im Low-Cycle- bzw. High-Cycle-Fatigue-Bereich. Mit dieser Erkenntnis wurde mit Hilfe eines zweidimensionalen, numerischen Kurzrisswachstumsmodells, das auf der Randelementemethode basiert, die VHCF-Langrissausbreitung im Vakuum in diesem Werkstoffzustand simuliert. Durch die Anwendung von synthetischen Mikrostrukturen ermöglicht das Modell eine physikalisch basierte Bewertung von mikrostrukturellen Merkmalen hinsichtlich des Effektes und deren Relevanz auf die VHCF-Ermüdungsrissausbreitung.