Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Charakterisierung des Ausbreitungsverhaltens kurzer Ermüdungsrisse in drei Edelstählen bei zyklischer Belastung und unter dem Einfluss von Wasserstoff. Hierfür wurden in-situ Versuche sowohl an einer servohydraulischen Prüfmaschine als auch an einer Miniaturprüfmaschine durchgeführt. Diese Charakterisierung ist wichtig, da die Lebensdauer von Bauteilen stark von der Kurzrissausbreitung dominiert werden kann.
Untersucht wurden zwei sich durch ihren Nickelgehalt unterscheidende, metastabile austenitische Edelstähle (X2CrNi19-9 und X2CrNi19-12) sowie ein rein martensitischer Stahl (X3CrNiMo13-4). Dafür wurden mit Wasserstoff vorbeladene Proben mit entsprechenden unbeladenen Proben als Referenz verglichen. Sowohl der X2CrNi19-9 als auch der X2CrNi19-12 neigen zu verformungsinduzierter Martensitbildung während der Ermüdung, wobei der X2CrNi19-9 durch seinen geringeren Nickelgehalt leichter Martensit bildet.
Während die Rissausbreitungsgeschwindigkeit in X2CrNi19-12-Proben kaum durch den anwesenden Wasserstoff beeinflusst wird, zeigt sich der X2CrNi19-9 bei niedrigerem Nickel- und höherem Martensitgehalt wesentlich anfälliger gegenüber Wasserstoff. So erhöht sich die Rissausbreitungsgeschwindigkeit in diesen Proben durch den anwesenden Wasserstoff deutlich.
Als ausgeprägte Antwort auf die Anwesenheit von Wasserstoff kann die Veränderung der Rissinitiierungsorte und der Gleitbandmorphologie bei beiden austenitischen Edelstählen genannt werden. Während Risse in Referenzproben an Gleitbändern und Korngrenzen initiieren, starten sie bei mit Wasserstoff vorbeladenen Proben an großen mikro-strukturellen Defekten wie Korngrenzen-Tripelpunkten.
Den größtmöglichen Einfluss von Wasserstoff auf die Ermüdungseigenschaften zeigen die martensitischen X3CrNiMo13-4-Proben. Hier kommt es in mit Wasserstoff vorbeladenen Proben zu einer deutlich höheren Risswachstumsrate.