Die Forderung nach Schadstoffemissionssenkungen im Luftverkehr treibt die Entwicklung neuer Werkstoffklassen mit einem höheren Einsatztemperaturbereich voran. Refraktärmetallbasierte Legierungsklassen, wie z.B. Co-Re-Basislegierungen, stellen geeignete Kandidaten hierfür dar, da sie neben einer erhöhten Schmelztemperatur auch eine für Hochtemperaturanwendungen erforderliche Eigenschaftskombination aus Festigkeit und Duktilität aufweisen.
Ziel der Arbeit ist die Entwicklung einer Legierungszusammensetzung auf Basis von Co-Re-Cr-Ni-Si-Y mit einem verbesserten Eigenschaftsprofil aus Gefügestabilität und Oxidationsbeständigkeit. In Vorarbeiten konnte eine positive Wirkung von Ni auf das Oxidationsverhalten beobachtet werden, wobei die zugrundeliegenden Ursachen unerforscht sind. Im Fokus dieser Arbeit steht daher das Erlangen eines fundierten Grundlagenverständnisses des positiven Effektes von Ni auf das Oxidationsverhalten sowie die Identifikation von Synergieeffekten zwischen Ni, Cr, Si und Y. Weiteres Augenmerk der Arbeit liegt auf der Mikrostruktur(entwicklung) sowie der Wechselwirkung zwischen Mikrostruktur und Oxidationsverhalten. Eine Korrektur des kommerziell erworbenen Co-Re-Cr-Datensatzes für die Software FactSage und Erweiterung des Datensatzes um die Elemente Ni und Si ermöglichte thermodynamische Berechnungen von Phasenstabilitäten und –anteilen, sodass Triebkräfte und Mechanismen abgeleitet werden konnten. Kinetische Daten mittels Thermogravimetrie (TGA) kombiniert mit mikrostrukturellen Analysen, wie Röntgendiffraktometrie (XRD), Raster- (REM) und Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) dienten der Charakterisierung des Gefüges und der Oxidationsbeständigkeit. Untersuchungen der Mikrostruktur verdeutlichen eine Stabilisation der kubisch flächenzentrierten (kfz) Matrixphase und der σ-Phase mit steigenden Ni- sowie kombinierten Cr- + Ni-Zusätzen. In Bezug auf das Oxidationsverhalten bewirken steigende Ni-Zusätze in Verbindung mit einer Cr-Konzentration von 23 At.% eine stetige Verbesserung, da die Bildung einer schützenden Cr₂O₃-Schicht beschleunigt wird. Dieses Phänomen wird durch eine beschleunigte Cr-Diffusion in der Matrix mit steigender Ni-Konzentration erklärt. Eine Reduzierung der Cr-Konzentration auf 18 At.% verschlechtert hingegen die Oxidationsbeständigkeit und führt zu einem erhöhten Masseverlust infolge abdampfender Re-Oxide. Ein Si-Zusatz von 2 At.% zur Legierung Co-17Re-18Cr-15Ni verbessert das Oxidationsverhalten geringfügig, da mit der Si-Zugabe gleichzeitig eine geförderte Bildung der σ-Phase einhergeht, welche den positiven Effekt von Si auf das Oxidationsverhalten abschwächt. Die geringe Löslichkeitsgrenze von Y in Co-Re-Legierungen bewirkt, dass nur niedrige Y-Konzentrationen von 0,1 At.% sowohl das isotherme als auch zyklische Oxidationsverhalten der Legierung Co-17Re-18Cr-15Ni-2Si verbessern, während Y-Zugaben von 2 At.% aufgrund der mehrphasigen Mikrostruktur einen verstärkten Masseverlust durch Re-Oxidverdampfung hervorrufen. Mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse ist es möglich einen optimalen Legierungszusammensetzungsbereich auf Basis von Co-Re-Cr-Ni-Si-Y festzulegen, der die Anforderungen an Gefügestabilität und Oxidationsbeständigkeit bestmöglich erfüllt.