Im Zytoplasma der Zelle sind Proteine von Wasser und einer Menge von Makromolekülen umgeben. Für ein quantitatives Verständnis des zellulären Systems ist die Kenntnis der dynamischen Prozesse in dieser gedrängten Umgebung von zentraler Bedeutung. Die reversible Bildung von Proteinkondensaten garantiert lebenswichtige Funktionen. Irreversible Proteinaggregationsprozesse sind für Proteinkondensationskrankheiten wie die Sichelzellanämie verantwortlich. Darüber hinaus ist die Proteindynamik in konzentrierten Lösungen relevant für die Entwicklung zukünftiger Medikamente und wichtig in der Lebensmittelindustrie. Bislang sind die statischen Eigenschaften von Proteinen in überfüllten Umgebungen gut untersucht, aber über ihre Dynamik ist wenig bekannt.
Die Röntgenkorrelationsspektroskopie (XPCS) ermöglicht den gleichzeitigen Zugriff auf die räumlichen und zeitlichen Eigenschaften der Probe. Mit neuen Röntgenquellen, wie Speicherringen der vierten Generation, werden XPCS-Experimente auf Zeitskalen von Femtosekunden bis Stunden möglich sein. Der hochintensive Röntgenstrahl ist jedoch auch die Ursache von Strahlenschäden, was die Entwicklung und Umsetzung neuer Wege für XPCS-Experimente mit niedrigen Dosen erforderlich macht.
Diese Arbeit zeigt die Machbarkeit von Bio-XPCS-Messungen zur Untersuchung der Proteindynamik während einer Flüssig-Flüssig-Phasentrennung auf einer Hierarchie von Längenskalen von Tröpfchengrößen im Bereich von Mikrometern bis hinunter zur Längenskala eines einzelnen Proteins im Nanometerbereich. Etablierte Strategien zur Abschwächung von Strahlenschäden, wie z.B. die Cyro-Kühlung, sind für die Untersuchung der Proteindynamik nicht durchführbar. Deshalb haben wir die Strahlgröße vergrößert, was zu einer verringerten Photonendichte auf der Probe führt. Um das Signal-Rausch-Verhältnis zu optimieren, setzten wir einen großen Proben-Detektor-Abstand im USAXS-Setup an der Beamline P10 an PETRA III ein, um die Speckles auflösen zu können.
Die Experimente, die am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) durchgeführt wurden, zeigten die Dynamik während der Flüssig-Flüssig-Phasentrennung (LLPS) eines Protein-Modellsystems, das aus dem Antikörper IgG in Gegenwart von Polyethylenglykol (PEG) besteht. Auf der Protein-Tröpfchenskala wurden Dynamiken identifiziert, die durch die Grenzflächenbildung der LLPS verursacht werden, gefolgt von heterogener ballistischer Bewegung der Proteindomänen aufgrund von Coarsening. Darüber hinaus wurde eine sehr heterogene Dynamik auf der Längenskala von Nanometern gefunden, die mit Bewegung von Partikelclustern innerhalb der proteinreichen Domänen assoziiert ist.
Die weitere Erforschung von Protein-Kondensationskrankheiten und die Entwicklung zu- künftiger Protein-Medikamente wird von den in dieser Arbeit entwickelten Methoden profitieren, indem Bio-XPCS-Experimente an den neuen Röntgenquellen durchführbar geworden sind.