Mit den Oneirokritika des Artemidor von Daldis aus dem Kleinasien des 2. Jh. n. Chr. liegt die einzig erhaltene Abhandlung zum Traumwesen aus der griechisch-römischen Antike vor. Als solche enthält sie eine singuläre Zusammenfassung von Träumen und dementsprechenden Deutungen von Personen mit unterschiedlichem sozialen Status. Ausgehend von der These, dass das sogenannte ,Traumbuch' des Artemidor folglich als ein Fenster auf die Lebensverhältnisse, Motivationen, Ängste und Hoffnungen der kaiserzeitlichen Gesellschaft Kleinasiens dienen kann, werden die drei sozialen Gruppen der Sklaven, Athleten und Gelehrten als Repräsentanten verschiedener gesellschaftlicher Schichten im Rahmen einer diachronen Analyse untersucht. Der Fokus liegt dabei auf dem Gesellschaftsbild des Artemidor, das den Deutungen zugrunde liegt, sowie auf den damit verbundenen Handlungsnormen und Rollenerwartungen. In dieser Hinsicht leistet das Traumbuch einen maßgeblichen Beitrag zum Verständnis von individuellen sowie gesamtgesellschaftlichen Strukturen, Dynamiken und Entwicklungsmöglichkeiten zur Zeit der zweiten Sophistik.