In den 1990er Jahren erlebte die deutschsprachige Gewaltsoziologie eine Konjunktur. Vor dem Hintergrund des sprunghaften Anstiegs bewaffneter Konflikte nach dem Endes des Kalten Krieges und der Rückkehr des Krieges auf den europäischen Kontinent setzten sich Soziologinnen nicht nur mit Dynamiken der Gewalt in der Gegenwart auseinander. Sie diskutierten auch, warum die Soziologie zu diesen Ereignissen recht wenig zu sagen hatte. In diesen Debatten formierte sich ein Forschungsfeld, das als »Neuere Gewaltsoziologie« bekannt geworden ist. Dabei ging es nie nur darum, empirische Gegenstände zu erschließen. Von Anfang an war die Neuere Gewaltsoziologie auch ein theoretisches Projekt, das darauf zielte, den Ort der Gewalt in allgemeinsoziologischen Theorien zu bestimmen.