Der Beitrag problematisiert die Bifurkation der soziologischen Gewaltforschung in einen makroskopischen Ereignisholismus einerseits und eine ›neue Mikroskopie der Gewalt‹ andererseits. Während ersterer soziale Prozesse, die sich über längere Zeiträume entwickeln, unter Stichworten wie Krieg, Massaker oder Genozid zu einem Ereignis zusammenfasst, entwickelt letztere extrem fokussierte, hoch aufgelöste Situationsanalysen. Der Text unternimmt einen Brückenschlag zwischen beiden Perspektiven, indem er fortgesetzte Gewalt prozesssoziologisch zu rekonstruieren und erklären sucht. In Anlehnung an allgemeinsoziologisch fruchtbare Studien von Howard S. Becker entwickelt er, wie sich situationsbezogene Rekonstruktionen zur Erklärung transsituativer Vorgänge nutzen lassen. Die Verkettung von Ereignissen und die Verstrickung von Situationsbeteiligten mit anwesenden und abwesenden Dritten dienen dabei als zentrale Konzepte, mit denen eine Erklärung fortgesetzterGewalt möglich ist.