Im letzten Jahrzehnt hat sich eine Variante der Wissenssoziologie entwickelt, diesich grundlegend am Begriff des Gedächtnisses orientiert und damit insbesondere zeitliche Bezüge insozialen Prozessen in den Fokus rückt. Mit der Weiterentwicklung des gedächtnissoziologischen Ansatzesstellt sich die Frage nach seinem gesellschaftstheoretischen Potenzial. Der Text lotet diese Perspektiveaus. In einem ersten Schritt wird die prozessorientierte Gedächtnissoziologie kurz skizziert. Danacherfolgt eine erste Einordnung dieses Ansatzes entlang der Unterscheidung Sozialtheorie/Gesellschaftstheorie.Drittens werden einige Probleme des Gesellschaftsbegriffs erörtert und damit eine Grundlagefür die Diskussion der gesellschaftstheoretischen Perspektiven geschaffen, die im vierten Schritt entwickeltwerden. Neben der grundsätzlichen Leistung der Temporalisierung, die ein derartiger prozessorientierterAnsatz ermöglicht, werden insbesondere die Erfassung von Antagonismen und Konfliktenund die Konzeptualisierung gesellschaftlichen Wandels bzw. gesellschaftlicher Transformationen skizziert.