Egal, ob es um die gestörte Beziehung des Menschen zu seinem Mikrobiom, die Auflösung von vitalen Banden in Ökosystemen oder die Beeinträchtigung des planetarischen Stoffwechsels geht – die Gegenwart ist heute durch eine Krise symbiotischer Beziehungen gekennzeichnet, die sowohl sozial induziert als auch für die Gesellschaft folgenschwer ist. Der vorliegende Aufsatz hat das Ziel, die Soziologie konzeptuell auf diese Problemlage einzustellen. Entwickelt wird eine Theorie symbiotischer Kollektive, die zwei Stränge verbindet: Zum einen erarbeiten wir einen allgemeinen Begriff des Sozialen, der symbiotische Beziehungen zu erfassen vermag. Diese werden im Anschluss an Robert E. Park, Gabriel Tarde und Alfred N. Whitehead als »mehr-als-menschliche« Assoziationsform in räumlicher wie zeitlicher Hinsicht spezifiziert. Zum anderen gilt es, die Historizität der gegenwärtigen Problematisierung des Symbiotischen zu berücksichtigen. Im Anschluss an John Dewey legen wir dar, wie symbiotische Zusammenhänge in der gesellschaftlichen Reflexion sichtbar und bearbeitbar gemacht werden. Erst das erlaubt es, ein historisch situiertes Verständnis dessen zu entwickeln, was wir als Symbiosozialität bezeichnen: eine neue Form der Sozialität, in der das Symbiotische das Soziale informiert und das Soziale Symbiosen modifiziert. Damit plädieren wir für ein Theorieverständnis, das in der Begriffsarbeit die historische Konstitution soziologischer Gegenstandsbereiche mitreflektiert und so in der Lage ist, das Soziale als offenes Prozessgeschehen zu verstehen.