Münzversorgung von Haltern und Kalkriese – eine Diskussion
Zusammenfassung: In seiner jüngsten Untersuchung über die Schlagmarken von Kalkriese weist Reinhard Wolters auf die Möglichkeit hin, dass Haltern und Kalkriese nach dem Jahre 9 n. Chr. erneut mit Assen der 1. Lyoner Altarserie versorgt wurden. Seine Überlegungen basieren dabei auf der zeitlichen Einordnung und relativen Abfolge der Gegenstempel CVAL und IMP mit Lituus. Die Datierung der Kontermarke IMP mit Lituus und die Möglichkeit diesen Stempel auf Germanicus zu beziehen, werden kritisch hinterfragt.
Schlagwörter: Frühe Kaiserzeit; Gegenstempel; Haltern; Kalkriese; Münzumlauf
Abstract: In his most recent study of the countermarks from Kalkriese, Reinhard Wolters suggests that Haltern and Kalkriese received a renewed supply of Asses of the first Lyons Altar Series after the year 9 A.D. His theories are based on the chronological order of the countermarks CVAL and IMP with Lituus. In this paper the date of the countermark IMP with Lituus and the possibility of linking this punch to Germanicus will be examined critically.
Key Words: Countermarks; Coin Circulation; Haltern; Kalkriese; Early Imperial Rome
In seinem Aufsatz »Zum Ende des
Legionslagers Haltern« verschob Konrad Kraft aus numismatischen
Überlegungen heraus die Aufgabe des Legionslagers Haltern vom
Jahr 16 n. Chr. ins Jahr 9 n. Chr.[1].
Damit fehlte plötzlich der numismatische Fundhorizont für die
nach dem Jahr 9 n. Chr. anzusetzenden militärischen Operationen
im Gebiet zwischen Rhein, Main und Weser. Die Argumente von
Konrad Kraft blieben jedoch weder von numismatischer[2]
noch von archäologischer Seite[3]
unwidersprochen. Von archäologischer Seite scheint es heute
durchaus möglich, das Ende der Okkupationsphase rechts des
Rheins im Verlauf des Jahres 17 zu fassen[4].
Innerhalb des Münzumlaufs kann im
rechtsrheinischen Germanien zwischen einem »Varus-Horizont« der
Jahre 7 bis 9 n. Chr. und einem »Germanicus-Horizont«, der mit
den Ereignissen zwischen 14 und 16 n. Chr. zu verbinden ist,
unterschieden werden[5].
Beide Horizonte erschließen sich heute in erster Linie über die
Gegenstempel. Unter Gegenstempel sind Einstempelungen zu
verstehen, die nachträglich auf der bereits in Umlauf
befindlichen Münze angebracht wurden. Eindeutige Über- und
Unterschneidungen einzelner Einstempelungen geben Hinweise auf
deren relative Chronologie. Die absolute zeitliche Einordnung
erfolgt gleichermaßen über die Zuweisung an eine bestimmte
Person, die Trägermünze auf der die Einstempelung erscheint und
den archäologischen Kontext, in dem die kontermarkierte Prägung
gefunden wurde. Sicher dem »Varus-Horizont« zuzuschreiben sind
die Schlagmarken CVAL (Abb. 1,1) und VAR (Abb. 1,2).
VAR bezieht sich auf den Statthalter Publius Quinctilius Varus
und CVAL auf dessen Stellvertreter Gaius Valerius[6].
Ebenso zweifelsfrei sind die Schlagmarken IMPAVC (Abb. 2,1),
TIBAVC (Abb. 2,2), TIBIM (Abb. 2,3) und CAESAR (Abb. 2,4)
dem »Germanicus-Horizont« zuzuweisen[7].
Die Schlagmarken CAVL und VAR sind in
erster Linie auf den Assen der 1. Lyoner Altarserie angebracht.
In seinem vielbeachteten Aufsatz aus dem Jahre 1993 datiert
Johann van Heesch diese Prägungen in die Jahre zwischen 7 v.
Chr. und 3/2 v. Chr.[8].
Der Beginn ist aufgrund der Funde aus dem Lager von Oberaden
rekonstruiert. Da sich unter den dortigen Münzfunden keine
Stücke der 1. Lyoner Altarserie fanden, schlussfolgerte van
Heesch, wurden die Stücke erst später geprägt. Das Ende der
Prägungen lag noch vor dem Jahre 2 v. Chr., als Augustus den
Titel des Pater Patriae verliehen bekam. Van Heesch
argumentiert, dass bei Prägungen, die nach dem Jahr 2 v. Chr.
erfolgten, der Titel des Pater Patriae Eingang in die
Münzlegende gefunden haben müsste. Die zeitliche Einordnung von
van Heesch blieb nicht unwidersprochen[9],
denn für den Beginn der Prägung geht er stillschweigend von der
Annahme aus, dass neue Münztypen flächendeckend innerhalb einer
Provinz oder einer Verwaltungseinheit ausgegeben werden und
daher notwendigerweise auch dort an allen Orten vorhanden sein
müssen. Versorgungslücken, aus welchen Gründen auch immer
entstanden, bleiben bei seinen Überlegungen weitgehend
unberücksichtigt. Das Ende der Ausprägung kann, muss aber nicht
mit dem Titel Pater Patriae in Verbindung gebracht werden, da
dieser Titel nicht auf allen Prägungen, die nach dem Jahre 2 v.
Chr. ausgegeben wurden, erscheint. In den Jahren zwischen 11 v.
Chr. und 9 n. Chr. wurden quinarii aurei geprägt, auf
deren Vorderseite das Bildnis des Augustus nach rechts zu sehen
und von der Legende AVGVSTVS DIVI F umgeben ist. Die Rückseite
trägt das Bild der Victoria nach rechts auf einem Globus
sitzend. In der zugehörigen Legende wird die Tribunicia Potestas
des Augustus genannt (RIC I2 Nr.
184,
185,
202,
203,
213,
214,
215,
216,
217,
218).
Die einzige Veränderung, die dieser Typ erfährt, besteht in der
Wiedergabe des Porträts. Ab dem Jahre 9 v. Chr. ist Augustus
nicht mehr barhäuptig, sondern mit dem Lorbeerkranz geschmückt.
Die Vorderseitenlegende dieses ›type immobilisé‹ wird also nicht
durch die Verleihung des Titels Pater Patriae beeinflusst. Daher
halten etwa Johannes Heinrichs und Eberhard Sauer eine längere
Prägedauer oder erneute Ausprägung der 1. Lyoner Altarserie nach
dem Jahre 2 v. Chr. für möglich[10].
Das Gros der Einstempelungen IMPAVC,
TIBAVC, TIBIM und CAESAR ist auf den augusteischen
Münzmeister-Assen angebracht, welche in größerer Menge erst mit
dem Regierungsbeginn des Tiberius ins Rheingebiet gelangten[11].
Während die zeitliche Einordnung von
Kalkriese wieder Gegenstand von Diskussionen ist[12],
darf nun als sicher gelten, dass Haltern auch nach dem Jahre 9
n. Chr. belegt war. Unklar muss freilich die Truppenstärke
dieser Zeit bleiben[13].
Bislang sind unter den in Haltern und Kalkriese gefundenen
Münzen keinerlei Prägungen der 2. Altarserie sicher belegt.
Bedeutsam ist hier eine Aussage von Bernd Korzus, welcher die
Münzen aus Haltern im Jahre 1971 vorlegte[14].
Im Zusammenhang mit einer Reihe dort gefundener Lyoner
Altarprägungen, deren Erhaltung eine genaue Zuweisung unmöglich
macht, wird im sechsten Band der Bodenaltertümer von Westfalen,
der im Jahre 1943 erschienen ist, als Bestimmung die 1. und 2.
Lyoner Altarserie angegeben[15].
Hierzu bemerkt Korzus: »Als Bestimmungsnachweis werden ›C.
236–240‹ (erg. 1. und 2. Lyoner Altarserie) angegeben; das
vollständige Fehlen der 2. Altarserie bei den übrigen eindeutig
bestimmbaren Lugdunumprägungen erlaubt jedoch mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit, C. 240 = RIC 360 anzunehmen«[16].
Zwar werden in den Fundmünzlisten aus Haltern für die Datierung
unbestimmbarer Münzen die Zeitspanne »28 v./14 n.« bzw. das
Datum »vor 14 n.« angegeben, doch ist die Möglichkeit dieser
zeitlichen Einordnung, weitgehend vom kategorischen Ende des
Lagers im Zusammenhang mit der Niederlage des Varus verdrängt
worden. Zu bedenken ist dabei auch, dass die wissenschaftliche
Durchführung der kritischen Neuaufnahme der Fundmünzen der
römischen Zeit in Deutschland zu dieser Zeit in den Händen von
Konrad Kraft lag[17].
Im Jahre 2000 hatten Peter Kehne und
Reinhard Wolters den Versuch unternommen, die Funde von
Kalkriese von der Niederlage des Varus abzukoppeln und die
Münzen mit den Feldzügen des Germanicus im Jahre 15 n. Chr. in
Verbindung zu bringen[18].
Aufgrund der in Kalkriese vorhandenen Kontermarken konnte dem
mit guten Gründen widersprochen werden[19].
In seiner jüngsten Untersuchung über die Schlagmarken von
Kalkriese weist Wolters nun auf die Möglichkeit hin, dass
Haltern und Kalkriese nach dem Jahre 9 n. Chr. erneut mit Assen
der 1. Lyoner Altarserie versorgt wurden[20].
Diese Münzen seien dann zum Teil mit den Gegenstempeln IMP mit
Lituus und AVC kontermarkiert worden.
Bei der Verwendung des Gegenstempels
IMP mit Lituus sind aufgrund der Trägermünzen zwei Phasen zu
unterscheiden. In der ersten Phase werden fast ausschließlich
Prägungen der 1. und 2. Serie von Nemausus kontermarkiert[21].
Die Trägermünzen und ihr Vorkommen in den Funden aus Oberaden
datieren die Verwendung dieses Gegenstempels in die Zeit der
Feldzüge des Drusus und Tiberius, somit in die Jahre 12 bis 7 v.
Chr. (Abb. 3). In dieser ersten Phase kann diese Schlagmarke
allem Anschein nach mit Augustus in Verbindung gebracht werden,
denn er hatte das Amt des Augurs seit dem Jahre 43 v. Chr. inne,
worauf der Lituus im Stempelbild verweist. Zudem standen die
kriegerischen Auseinandersetzungen der frühen Okkupation unter
den Auspizien des Princeps[22].
In der zweiten Phase finden sich
motivgleiche Einstempelungen in erster Linie auf den Assen der
1. Lyoner Altarserie, die hauptsächlich im Fundgut von Haltern
und Kalkriese vertreten sind. Bei der zeitlichen Einordnung der
erneuten Verwendung dieser Kontermarke ist entscheidend, ob die
Verwendung der Schlagmarke noch mit einer anderen Person als
Augustus in Verbindung gebracht werden kann. Ihre Anbringung
möchte Wolters »mit einem konkreten Anlass, nämlich mit der
Annahme einer imperatorischen Akklamation« in Zusammenhang
bringen[23]
und den beigefügten Lituus ebenfalls als Hinweis deuten, dass
die genannte Person das Augurat bekleidete[24].
Dieses Amt hatte auch Germanicus seit dem Jahr 7 n. Chr. inne[25].
Im Zusammenhang mit einer imperatorischen Akklamation und den
Ereignissen in Germanien und Pannonien kommen folgende Personen
Betracht[26].
Jahr |
Person/Akklamation |
Ereignisse |
Ende 3 / Anfang 4 n. Chr. |
Augustus (IMP XVI) |
Germanien |
Ende 5 / Anfang 6 n. Chr. |
Augustus (IMP
XVII), Tiberius (IMP III) |
Germanien |
Sommer 8 n. Chr. |
Augustus (IMP
XVIII), Tiberius (IMP IV) |
Pannonien/Illyrien |
Sommer 9 n. Chr. |
Augustus (IMP
XIX), Tiberius (IMP V) |
Pannonien/Illyrien |
Ende 11 / Anfang 12 n. Chr. |
Augustus (IMP
XX), Tiberius (IMP VI), Germanicus (IMP I) |
Germanien |
Sommer 14 n. Chr.? |
Augustus (IMP
XXI), Tiberius (IMP VII) |
Germanien |
15 n. Chr. |
Germanicus (IMP II) |
Germanien |
Die 18. und 19. imperatorische
Akklamation des Augustus und die gleichzeitige 4. und 5. des
Tiberius beziehen sich auf die kriegerischen Ereignisse in
Pannonien bzw. Illyrien. Mit den Ereignissen in Gemanien sind
die 16. sowie die 17., 20. und 21. Akklamation des Augustus,
bzw. die 3., 6. und 7. des Tiberius sowie die 1. und 2. des
Germanicus verbunden. Möchte man die Imperatur allein mit den
Ereignissen in Germanien in Zusammenhang bringen, so kommen
hierfür die Jahre 3/4, 5/6, 11/12, 14 und 15 n. Chr. in
Betracht.
Die von Wolters postulierte zeitliche
Einordnung der Schlagmarke IMP mit Lituus basiert auf der
relativen Abfolge der in Kalkriese gefundenen Schlagmarken AVC
(Abb. 4,1), CVAL (Abb. 1,1), IMP mit Lituus (Abb. 4,2) und VAR
(Abb. 1,2). Mit diesen vier Schlagmarken seien zwei aufeinander
folgende Kontermarkierungshorizonte verbunden. CVAL und VAR sind
gleichzeitig verwendet und unbestritten in den Jahren zwischen 7
und 9 n. Chr. angebracht worden. Die Stempelungen mit den
Schlagmarken IMP mit Lituus und AVC seien ebenfalls
gleichzeitig, aber später anzusetzen. Diese zeitliche Abfolge
wird mit einem Neufund aus Kalkriese-Dröge begründet, welcher
auf dem Avers eine Einstempelung der Schlagmarke CVAL trägt und
auf der Rückseite mit dem Gegenstempel IMP mit Lituus
kontermarkiert wurde (Abb. 5). Besagte Prägung mit der
vorderseitigen Einstempelung CVAL »hat eine Wölbung, die
offensichtlich das Resultat der erst danach auf dem Revers
angebrachten Marke IMP / L ist«. Und so stellt Wolters fest:
»Ausgeschlossen werden kann aber angesichts der Parallelität von
AVG und IMP / L eine Datierung der IMP / L-Überprägungen von
Lugdunum I-Stücken auf 4–6 n. Chr.«[27].
Aus diesen Überlegungen heraus schlägt er drei mögliche
Chronologien vor, um die Abfolge der Schlagmarken zeitlich zu
verorten. In der ›kurzen Chronologie‹ findet die Münzversorgung
im Jahre 9 n. Chr. statt. Bei der ›langen Chronologie‹ wird die
Kontermarkierung in die Jahre 10 n. Chr. und 16 n. Chr. gelegt.
Über die ›mittlere Chronologie‹ der Jahre 15 und 16 wäre dann
der fehlende Germanicus-Horizont anhand der Schlagmarken
fassbar.
Abb. 4,1–2: Häufige
Gegenstempel in Kalkriese
Entscheidend bei allen drei
Chronologien und dem Ausschluss der 16. und 17. Imperatur des
Augustus in den Jahren 4–6 n. Chr. ist die relative Abfolge der
Schlagmarken CVAL/VAR und IMP mit Lituus/AVC, welche mit dem
Neufund aus Kalkriese-Dröge belegt sei. Auch wenn Reinhard
Wolters die methodischen Probleme selbst anführt[28],
darf man dieses Stück nicht überstrapazieren. Entsprechend den
Möglichkeiten von OZeAN ist ein 3D-Scan der Münze beigefügt, der
die Wölbung der Münze und die Platzierung der Einstempelungen
zueinander deutlich vor Augen führt (Anlagen 1a,
1b,
1c und
2a,
2b)[29].
In Abbildung 5,3 wurden die Höhenlinien des Avers eingefärbt
wiedergegeben. Deutlich erkennbar ist zunächst, dass die
Einstempelung CVAL außerhalb der Mitte zum Rand hin
eingeschlagen wurde. Sie bleibt, wie die 3D-Ansicht vor Augen
führt, von der Quetschung, welche die rückseitige Einstempelung
IMP mit Lituus auf der Vorderseite hinterlassen hat,
unverändert. In einem zweiten Schritt wurde die Münze an
mehreren Stellen digital durchschnitten (Abb. 5,2). Die
Schnitte 1 und 2 wurden vor dem unteren und oberen Rand der
Einstempelung CVAL angesetzt und zeigen ihre Tiefe und Position
im Bezug zum Münzbild (Abb. 5,4–5 =
Anlagen 3
und
4).
Schnitt 3 wurde rechtwinklig zur Einstempelung gelegt und gibt
deren Anbringungswinkel zur gewölbten Münze und die Stellung der
beiden Einstempelungen zueinander wieder (Abb. 5,6 =
Anlage 5). In der 3D-Ansicht erlauben die drei Schnitte
sowie das Gesamtbild der Münze folgende Beobachtungen. Das
Stempeleisen CVAL wurde annährend senkrecht aufgesetzt. Schnitt
1 zeigt, dass die Positionen der Schlagmarken IMP mit Lituus und
CVAL zueinander eine klare Abfolge der Einstempelungen nicht
erkennen lassen. Das großflächige Stempeleisen des Gegenstempels
IMP mit Lituus wurde mittig auf die rückseitige Münze gesetzt
und hat diese bei der Einstempelung nach außen gewölbt. Die
hierzu vergleichsweise kleinflächige Einstempelung CVAL, die zum
Rand der Münze hin auf der Vorderseite eingeschlagen wurde, wird
von der Verformung aufgrund ihrer Platzierung und ihrer
vergleichsweise kleinen Fläche nicht beeinflusst. So scheint es
auch möglich, eine Anbringung von CVAL n a c h IMP
mit Lituus erkennen zu können. Damit kann die Münze aus
Kalkriese-Dröge allein nicht als Begründung für die von Wolters
vorgeschlagene chronologische Reihung herangezogen werden.
Es ist daher weiterhin problemlos
möglich, den Gegenstempel IMP mit Lituus auf Augustus zu
beziehen, der in den Jahren zwischen 4 und 6 n. Chr. die 16. und
17. imperatorische Akklamation für militärische Verdienste in
Germanien erhielt und zu diesem Zeitpunkt bereits das Augurat
innehatte. Es scheint mir auch schwer vorstellbar, motivisch
gleiche Gegenstempel mit zwei verschiedenen, noch lebenden
Personen in Verbindung zu bringen[30].
Die in Kalkriese belegten Einstempelungen der Gegenstempel IMP
mit Lituus und AVC können, wie auch Wolters in seiner
vorbildlichen Ausführung des Für und Wider seiner Theorien
darlegt, somit weiterhin allein mit einem Ereignis vor dem 9 n.
Chr. verbunden werden.
Reinhard Wolters geht bei seinem
Modell von der Annahme einer erneuten Münzversorgung des
rechtsrheinischen Gebietes mit Assen der 1. Altarserie aus[31].
Diese Münzen seien dann über die Kontermarkierung »aktualisiert«
worden. Offen bleibt, ob es sich hier um »die Zufuhr
neugeprägter Münzen älteren Typs« oder bereits umgelaufener
Prägungen handelt. Der Transport von bereits ausgegebenen und
umgelaufenen Münzen in ein anderes Gebiet ist mehrfach innerhalb
der römischen Kaiserzeit belegt und von Susanne Frey-Kupper und
Clive Stannard untersucht worden[32].
Mit den Münzmeisterassen liegt auch ein Beispiel aus dem
Untersuchungsgebiet vor. Diese wurden, wie oben erwähnt, aus
Italien ins Rheingebiet verschickt und, dort angekommen,
teilweise mit Gegenstempeln versehen. Es gibt meines Erachtens
noch ein weiteres Beispiel aus der Provinz Moesia, welche wohl
gegen Ende der Herrschaft des Augustus eingerichtet wurde[33].
Rudolfo Martini konnte eine große Menge an Münzen, die in diesem
Gebiet gefunden wurden, vorlegen[34].
Viele der von ihm dokumentierten Prägungen stammen aus Ephesos
(RIC I2 Nr.
485,
486)
und Pergamon (RIC I2 Nr.
495,
500)
und sind stark abgenutzt. Diese Münzen kursierten ursprünglich
in Asia minor und Syria[35].
Es scheint mir auch hier sehr wohl möglich zu sein, dass mit der
Einrichtung der Provinz Moesia ein möglicher Kleingeldmangel
durch den Import großer Mengen bereits umgelaufener Aesprägungen
behoben wurde[36].
Teile dieser Prägungen wurden dort mit den Gegenstempeln TICAE (Abb.
6,1) und AVG (Abb. 6,2) versehen[37]
und wieder in Zirkulation gebracht. Die Schlagmarke TICAE ist
mit Tiberius in Verbindung zu bringen. Nach seiner Adoption im
Jahr 4 n. Chr. durch Augustus lautete sein neuer Name Tiberius
Iulius Caesar. Die Kontermarke AVG ist auf Augustus, den ersten
römischen Kaiser, zu beziehen.
Eine Beschickung und Auszahlung von
›Altgeld‹, welches zuvor in einem anderen Gebiet umgelaufen war,
ist kein unbekanntes Phänomen und könnte somit auch im Gebiet
zwischen Rhein, Lippe und Weser zum Tragen gekommen sein. Aber
es gibt bislang keine Gründe, dieses öfters zu beobachtende
Phänomen mit dem Auftreten des Germanicus in Verbindung zu
bringen.
Für
Hinweise und Diskussionsbereitschaft danke ich Stefan
Burmeister (Kalkriese), Claire Franklin Werz (Weil am
Rhein), Henning Hassmann (Hannover) Fleur Kemmers
(Frankfurt am Main), Susanne Wilbers-Rost (Kalkriese)
und David Wigg-Wolf (Frankfurt am Main). Zu danken habe
ich auch Willi Dräger (Bad Münder), welcher die erste
Korrekturlesung vornahm. Der als Anlage beigefügte Scan
wurde von der Firma Formwerk3D (Hannover) erstellt.
[1] Kraft 1955/1956;
Wolters 2018, 306–307.
[2] de Weerd 2003,
187; Martin 2018, 254–268; Wolters 2018, 301–314.
[3] Zusammenfassend
Berke 2018, bes. 181–184.
[4] Berke 2018, 184;
zögerlich Rudnick 2018, 203–206.
[5] Werz 2018.
[6] Werz
2009: CVAL 79, VAR 77.
[7] Werz 2009: IMPAVC
113, TIBAVC 195, TIBIM 210.
[8] van Heesch 1993;
siehe auch van Heesch 1999, 348.
[9] Besombes et al.
2003/2004, 18–20; Sauer 2005, 30–31; zurückhaltend
Suspene 2014, 38; Wolters 2007, 151–152; Wolters 2018,
309 mit Anm. 72; vgl. auch Wolters 2000, 93.
[10] Sauer 2005, 31:
»probably even until c. AD 9/11«; Heinrichs 2007, 292:
»Prägung mit Unterbrechungen bis ca. 7 n.Chr.«.
[11] van Heesch 2000,
164; Heinrichs 2007, 300–301; Martin 2018, 267;
Wigg-Wolf 2018, 248; Wolters 2018, 278.
[12]
Wolters 2018, bes. 304–313; Ortisi 2018; Ortisi 2019a,
2019b; siehe auch
https://www.archaeologie-online.de/nachrichten/grossangelegte-grabungen-im-museumspark-kalkriese-3933/.
[13] Vgl. Rasbach
2018, 140–142.
[14] Korzus 1971, Nr.
4057.
[15] Stieren 1943, 79.
Zur Problematik der Bestimmungen keltischer Kleinerze
aus Haltern, siehe auch Ilisch 1999, 285.
[16] Korzus 1971, 78.
[17] Gebhardt et al.
1956, 11.
[18] Wolters 2000;
Kehne 2000.
[19] Werz – Berger
2000.
[20] Wolters 2018,
bes. 294–304.
[21] Werz 2009 Band
II, 417.
[22] Anders Wolters
2018, 288; seiner Auffassung nach, kann diese
Kontermarke »mit hoher Wahrscheinlichkeit« mit dem
älteren Drusus verbunden werden.
[23] Wolters 2018,
287.
[24] Siebert 1999,
130–132; Schauber 2005, 394–396.
[25] Werz 2009 Band
II, 415–417.
[26] Faoro 2016,
synoptisch 212.
[27] Wolters 2018,
285.
[28] Wolters 2018,
285.
[29] Der 3D-Scan kann
mit dem 3D-Viewer in Windows 10 betrachtet und mit der
kostenlosen Software MeshLab weiter bearbeitet werden
http://www.meshlab.net/.
[30] Vgl. auch die
Diskussion der verschiedenen Deutungen der Schlagmarke
AVC: Werz – Berger 2000, bes. 242.
[31] Wolters 2018,
298.
[32] Frey-Kupper –
Stannard 2014; Frey-Kupper – Stannard 2018.
[33] Matei-Popescu
2010, 30–31.
[34] Martini 2003; zum
Problem der Fundmünzdokumentation im Allgemeinen vgl.
Duch 2017, 97.
[35] Butcher 2004,
28–29; RPC I, S. 369.
[36] Werz 2009 Band I,
S. 28; Die Anbringung der Gegenstempel habe ich zunächst
im Zusammenhang mit dem Triumph des Tiberius ex Pannonis
Delmatisque des Jahres 12 und entsprechenden
Geldgeschenken gesehen.
[37] Martini –
Paunov 2001.