15. Tag der antiken
Numismatik in Münster am 6. November
2021
Endlich war es
Münzfreund*innen und -forscher*innen nach einem Jahr
pandemiebedingter Pause wieder möglich, sich beim 15. Tag der
antiken Numismatik am 6. November 2021 in Münster zu treffen und
ihren regen Austausch fortzusetzen. Unter der Befolgung strenger
Hygienerichtlinien konnte die Veranstaltung in Präsenz
ausgerichtet werden, was den Teilnehmenden nach anderthalb
Jahren meist digitaler Konferenzen ausgesprochen willkommen war.
Auf den einleitenden Abendvortrag wurde allerdings verzichtet.
Die erste Sektion
»Fundmünzen« eröffnete Rahel Otte M.A. (Frankfurt a.M.)
mit ersten Ergebnissen ihrer Dissertation zum Thema
»Monetarisierung und Geldumlauf in ländlichen Siedlungen des
niederrheinischen Lössgebietes«. Dabei untersucht sie ca. 18.300
keltische und römische Fundmünzen, die nicht in Militärlagern
oder Städten am Rhein, sondern im Hinterland des Limes gefunden
wurden. Die Erhebung der Fundmünzen auf Grundlage der
entsprechenden FMRD-Bände (»Die Fundmünzen der römischen Zeit in
Deutschland«), der internen Datenbank BODEON (»BOdendenkmalpflege
und DEnkmalpflege ONline«) und noch einmal 6.500 neu
bestimmten Fundmünzen wurde bis Ende 2020 abgeschlossen.
Zwischen den unterschiedlichen Datenquellen lassen sich
chronologische Verzerrungen feststellen. Sondengängerfunde
weisen eine andere Zusammensetzung auf als Grabungsfunde oder
Altfunde. Auch räumliche Konzentrationen entsprechen eher zur
Verfügung stehendem Datenmaterial und weniger der antiken
Realität, sodass bei der Auswertung von Fundmünzen verschiedene
Datenquellen kombiniert werden müssen. Erste Beobachtungen zu
den Münzen deuten auf eine Verteilung entlang späterer römischer
Straßen hin. Die fehlende Münzprägung vor 30 v. Chr. lässt
zusätzlich darauf schließen, dass eine Monetarisierung des
Gebiets vor der Stationierung der römischen Armee nicht
stattgefunden hat. Ab wann von einer Monetarisierung gesprochen
werden kann und warum der Geldumlauf in der Spätantike endete,
wird von Rahel Otte noch weiter erforscht werden.
Den zweiten Vortrag der
Sektion präsentierte Diana Grethlein, M. A. (Frankfurt a.
M.), in dem sie ihr Masterarbeitsthema »Die Fundmünzen des
Tempelbezirks Nida-Heddernheim« vorstellte. Die Materialbasis
ihrer Arbeit bilden ca. 250 Fundmünzen eines hoch- und
spätkaiserzeitlichen Heiligtums im Frankfurter Stadtteil
Heddernheim, welche 2016/17 bei Ausgrabungen geborgen wurden.
Auffällig ist vor Allem die hohe Anzahl von Assen aus dem späten
2. Jh. n. Chr. Im allgemeinen Geldumlauf der Limesregion
dominieren zu dieser Zeit die Sesterzen, da es in Rom zu einer
Änderung im Prägeverhalten kam. In Nida aber sind Asse in so
hoher Anzahl vertreten, dass sich hier eine Selektion kleiner
Nominale für Opfergaben beobachten lässt. Für die Opfergruben
lassen sich zwei Typen fassen. Typ A wurde vor allem in
antoninischer Zeit angelegt, weist eine rechteckige Form auf und
wurde für die Deponierung einzelner Münzen verwendet. Im späten
2. / frühen 3. Jh. n. Chr. setzt eine Änderung im
Deponierungsverhalten ein, bei der nun mehrere Prägungen mit zum
Teil großer zeitlicher Differenz in unförmigen Gruben des Typen
B niedergelegt wurden. Vereinzelte Motive dieser Münzen sind
Darstellungen ritueller Handlungen, die auf eine bewusste
Auswahl der deponierten Stücke hinweisen und die Interpretation
der Anlage als Heiligtum unterstützen.
Die zweite Sektion »Sammlungsgeschichte«, begann
mit einem Vortrag von Marjanko Pilekić, M.A. (Stiftung
Schloss Friedenstein Gotha) mit dem Titel »Von der barocken
Sammlung, über die Gegenwart zur (digitalen) Zukunft des Gothaer
Münzkabinetts«. Die ereignisreiche Geschichte der Entstehung und
Entwicklung des Gothaer Münzkabinetts mit ihren Akteuren seit
dem 17. Jh. führten zu den Vorfällen innerhalb der Sammlung
während und nach dem 2. Weltkrieg, als fast die gesamte Sammlung
unter sowjetischer Besatzung nach Russland gelangte und von dort
erst 1958 mit 91.000 Münzen zurück nach Gotha kam. Unter den
noch fehlenden über 16.000 Münzen waren hauptsächlich
griechische und römische Münzen, die, noch bevor die sowjetische
Trophäenkommission sie sicherstellen konnte, nach Coburg
verbracht wurden. Nach mehrjähriger Verhandlung mit dem Herzog
von Sachsen-Coburg und der Gotha’schen Stiftung für Kunst und
Wissenschaft fand 2011 der Rückerwerb mit Hilfe verschiedener
Unterstützer durch die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha
statt. Bis heute muss ein Teil des Rückerwerbs neu bestimmt und
zugeordnet werden. Diese Arbeiten verband Pilekić abschließend
mit dem »Gotha transdigital
2027«-Projekt, das eine vollständige Schnellerfassung und
anschließende Tiefenerschließung der Münzen über
KENOM (»Kooperative
Erschließung und Nutzung der Objektdaten von Münzsammlungen«)
plant, um den digitalen Zugang der Gothaer Sammlung langfristig
zu gewährleisten.
Anschließend führte Dr. Christoph Klose
(Universität Jena) mit seinem Beitrag »Der Plan zum Ausbau der
Münzsammlungen im neugegründeten Freistaat Thüringen der 1920er
Jahre« das Publikum in die kuratorischen Wirren ein, die
politische Umbrüche mit sich bringen können. Nach dem Ende der
Kleinstaaterei erarbeitete der Numismatiker Behrendt Pick
(1861–1940) im Auftrag der Landesregierung einen Plan zur
Stärkung der numismatischen Schwerpunkte an allen
Sammlungsstandorten des 1920 gegründeten Freistaats Thüringen,
von denen viele bis 1918 unter fürstlicher Verwaltung standen.
Dies sollte durch Tausch zwischen den Sammlungen geschehen; eine
Zentralisierung der Bestände wurde nicht bezweckt. Der Plan sah
beispielsweise einen Schwerpunkt für antike Münzen im
Akademischen Münzkabinett der Universität Jena und einen für
sächsische und reformationszeitliche Gepräge am Weimarer
Kabinett vor. Picks inhaltlich motiviertes Interesse an den
Zusammenlegungen überwog dabei sammlungsgeschichtliche Aspekte
der historisch gewachsenen Bestände. In den folgenden
Jahrzehnten setzte eine zur ursprünglich angestrebten
institutionellen Reorganisation rückläufige Entwicklung ein, die
dazu führte, dass Sammlungen nun mit Restitutionsforderungen
ehemaliger Fürstentümer konfrontiert wurden. Diese wechselvolle
Geschichte führte letztlich zu zahlreichen Sammlungsverlusten,
die als Folge politisch motivierter und nicht akademisch
geleiteter Bestandsverwaltung zu werten sind.
In seinem Beitrag »Eine
›Jahrhundertsammlung‹: Neue Materialien zur orientalischen
Numismatik im Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums Wien«
legte Mag. Ehsan Shavarebi (Wien) dar, welches
Forschungspotential die neuerworbene Sammlung des Dr. Dr. Erich
Lindpaintner (1914–1989) bietet. Die 2021 durch Fritz Rudolf
Künker vermittelte Kollektion des Mediziners setzt sich aus
1.685 vorder- und zentralasiatischen Stücken zusammen, wobei
Prägungen der Kušan und der Sasaniden dominieren. Shavarebi, der
die neue Sammlung aufarbeitet und digitalisiert, wies darauf
hin, dass das KHM Wien nun mit insgesamt ca. 2.650 Stücken die
sechstgrößte Sammlung sasanidischer Münzen weltweit kuratiert.
Durch den Kontakt Lindpaintners zu Univ.-Prof. Dr. Robert Göbl
(1919–1997) in den 1970er und 80er Jahren wurden bereits alle
Kušan-Münzen in dessen Referenzwerk »System und Chronologie der
Münzprägung des Kušanreiches« (Wien 1984) publiziert, jedoch
konnten bei einer erneuten Durchsicht bei den sasanidischen
Stücken vorher unveröffentlichte Typen und Varianten erfasst
werden. Eine Druckpublikation in der Reihe Sylloge Nummorum
Sasanidarum befindet sich derzeit in Vorbereitung, während
einige der Stücke bereits im IKMK
Wien digital abrufbar sind.
Die dritte Sektion
»Technisches & Nachnutzung« eröffnete Dr. Wolfgang Bretz
(Bochum) mit seinem Beitrag »Aufs Gran genau? Zur Einhaltung des
Standards in der antiken Münzprägung am Beispiel der
Cistophoren«. Im Rahmen eines interdisziplinären Projektes unter
der Leitung von Frau Prof. Dr. Bärbel Morstadt (Institut für
Archäologische Wissenschaften der Ruhr-Universität Bochum)
wurden umfangreiche zerstörungsfreie und zerstörende
Untersuchungen an Cistophoren zur Klärung archäometallurgischer
Fragestellungen durchgeführt. Die zerstörungsfreie Messung ergab
neben metrologischen und qualitativen Beurteilungen auch
Informationen über die chemischen Zusammensetzungen und
elektrischen Leitfähigkeiten. Die 19 zerstörend untersuchten
Münzen lieferten Erkenntnisse hinsichtlich des Aufbaues der
Patina sowie des Gefüges. Hieraus lassen sich Rückschlüsse auf
die Schmelz-, Gieß- sowie Verformungsbedingungen ableiten. Eine
wesentliche Erkenntnis war das Vorhandensein von Fremdpartikeln,
die sogenannten Kapseln. Diese dienten offenbar der Einstellung
des Normgewichtes nach dem äginetischen Standard von
untergewichtigen Schrötlingen. Computertomographisch lassen sich
diese Kapseln ebenfalls zerstörungsfrei nachweisen, sodass
langfristig eine zerstörungsfreie Forschung an diesen Kapseln
möglich sein wird. Auch experimentelle Versuche zu der Gieß- und
Schmelztechnik solcher Schrötlinge mit Kapseln sind laut Bretz
im weiteren Verlauf des Projektes geplant.
In der zweiten Panelhälfte
stellte Friederike Stahlke, M.A. (Heidelberg) unter dem
Titel »Alles geritzt? Ein Werkbericht zu Graffiti auf römischen
Goldmünzen« ihr laufendes Dissertationsprojekt (SFB 933) vor. Um
das epochen- und nominalübergreifende Phänomen adäquat
betrachten zu können, ist die Arbeit auf Goldprägungen begrenzt,
bei denen eine intentionelle Bearbeitung durch Einritzungen
anzunehmen ist. Ziel der Arbeit ist unter anderem eine
Systematisierung von sekundär aufgebrachten Markierungen auf
Goldmünzen. Neben der damnatio memoriae in Ungnade
gefallener Kaiser ist ein häufig auftretendes Phänomen die
Aufbringung V-förmiger Graffiti vor dem Mund der Porträtierten,
die modernen ›Sprechblasen‹ ähneln (Abb. 2). Darüber
hinaus finden sich einzelne Buchstaben bis hin zu ganzen
Wörtern. Die Bandbreite der interpretatorischen Ansätze ist
aufgrund des Materials sehr heterogen und reicht von Deutungen
als Apotropäismus über Zu- und Abneigungsbekundungen bis hin zur
Kennzeichnung von falsa. Ein weiteres Resultat der
vielversprechenden Arbeit ist bereits die Erweiterung der
mk-edit/IKMK-Eingabemaske, welche die Beschreibung von Graffiti
ermöglicht und sowohl jetzt schon die Bearbeiter*innen als auch
später Nutzer*innen der Datenbank für dieses Phänomen
sensibilisiert. Graffititragende Stücke werden langfristig einem
projekteigenen Portal gesammelt und zur Verfügung gestellt (http://pecunia.zaw.uni-heidelberg.de/graffiti/).
Die letzte Sektion
»Numismatische Botschaften« leitete Giuseppina Marano, M.A.
(Toulouse – Münster) mit ihrem Vortag »Zeus’ Motifs in Northern
Syrian Coins. How Numismatic Iconography interacts with Cults?«
ein. In ihrer Dissertation beschäftigt sie sich neben der
Analyse von Epitheta mit numismatischen Zeusdarstellungen im
seleukidischen Nordsyrien hinsichtlich ihrer Aussagekraft über
lokale Kultausprägungen. Im Zuge der ikonographischen Auswertung
liegt ihr Augenmerk besonders auf der unterschiedlichen Funktion
des Gottes für Individuen und Gemeinschaften sowie den regional
verschiedenen Aspekten, die im Kult ausgedrückt werden. So weist
Zeus in Kyrrhos eine enge Verbindung zu Athena auf, da er mit
ihr auf den Prägungen unter dem Seleukidenherrscher Alexander I.
Balas (reg. 150–145 v. Chr.) seine Attribute tauscht (Abb.
3–4). Ein möglicher Zusammenhang besteht zur Schlacht gegen
König Demetrios I. Soter (reg. 162–150 v. Chr.), in welcher ihm
vor allem Athena zum Sieg verholfen haben soll. Darüber hinaus
wird der kyrrhische Zeus Kataibates (›der Hinabsteigende‹) sowie
Zeus Nikephoros Keraunophoros in Anlehnung an die Tyche von
Antiochia ebenso auf einem Felsen sitzend dargestellt, was ihn
sowohl mit der lokalen Topographie verknüpft als auch auf seine
Rolle bei der Stadtgründung verweist.
Abb. 4 (rechts): Revers einer Bronzemünze des Alexander I. Balas (SCO Nr. 1810). Athena steht frontal, hält in vorgestreckter rechter Hand eine Nike und stützt ihre linke Hand auf ihre Lanze. © Bibliothèque nationale de France, Inv. FRBNF41819245 (Bildnachweis: Gallica)
Dr. Domenic Städtler
(Berlin) referierte im Anschluss über »Philippopolis unter
Severus Alexander«, was in einer numismatischen Veranstaltung
paradox erscheinen mag, da die thrakische Stadt die Ausgabe von
Münzen unter Severus Alexander (reg. 222–235 n. Chr.)
einstellte. Zuvor erweist sich die städtische Münzprägung seit
der mittleren Kaiserzeit von Domitian (reg. 81–96 n. Chr.) bis
Elagabal (reg. 218–222 n. Chr.) als konsequent und weist keine
größeren Lücken auf. Grund für die Einstellung der Prägung mag
die Entziehung des einzigen Neokorientitels gewesen sein, den
Philippopolis gerade erst unter Elagabal erlangt hatte. Die
Verleihung dieses Titels wird in Zusammenhang mit der
Kultpartnerschaft Elagabals mit dem Kult des Apollon-Kendrisos
in Verbindung gesehen, was gleichzeitig auch den Höhepunkt der
städtischen Münzprägung markiert. Die Entziehung des Titels
unter Severus Alexander kann schließlich sowohl inschriftlich
belegt als auch in anderen Städten, wie Sardes, Ephesos und
Milet, beobachtet werden. Gründe für diesen politischen
Kurswechsel Severus Alexanders und den systematischen Entzug der
Neokorientitel sieht Städtler in der Abgrenzung zu dem
vorherigen Kaiser Elagabal. Anders als in den genannten
kleinasiatischen Städten reichen die Konsequenzen in
Philippopolis weiter, denn hier endet nicht nur der Status mit
Ehrentitel, sondern auch die städtische Münzprägung überhaupt.
Den letzten Vortrag des
Tages hielt
Auch
in diesem Jahr wurden aus der Nachwuchsstiftung der
Numismatischen Kommission der Länder (NK) Reisestipendien
finanziert, mit denen diesmal die Nachwuchswissenschaftlerinnen
Maya Lerner (Mainz) und Olivia Ullrich,
M.A. (Tübingen) unterstützt werden konnten.
Neben den
abwechslungsreichen Vorträgen des Tages wurden drei Poster im
Foyer des Fürstenberghauses präsentiert, die in den Pausen
genauer betrachtet werden konnten. Die Poster thematisierten
»Die Antike (Numismatik) im Podcast – Chancen und Hürden der
numismatischen Wissenschaftskommunikation« (Fabiola Heynen &
Max Resch), »Aufnahme der antiken Fundmünzen aus
Niedersachsen« (Anke Matthes & Ulrich Werz) sowie »Und
täglich grüßt der Wolf. Kleinsilber aus Lykaonien« (Katharina
Martin).
Der 15. Tag der Antiken
Numismatik wurde wie in jedem Jahr von der Forschungsstelle
Antike Numismatik am Institut für Klassische Archäologie und
Christliche Archäologie / Archäologisches Museum der WWU, dem
Münzkabinett am LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster sowie
dem Verein der Münzfreunde für Westfalen und Nachbargebiete e.V.
organisiert. Unterstützt wurde die Veranstaltung
dankenswerterweise erneut von der Münzhandlung
Fritz Rudolf
Künker GmbH & Co. KG, Osnabrück und dem
Verband der deutschen
Münzenhändler e.V. (VDDM).