Politische und andere Deutungsmöglichkeiten von Gorgoneia auf Münzen*
Abstract: The diachronic
examination of the gorgoneion motif as well as closely related
objects yielded a number of findings. In order to stage the
dangerousness of the gaze, the celators used a wide variety of
means. In addition to the special emphasis on the area
surrounding the eyes, these are: doubling of the gorgoneion,
highlighting a forehead crease to illustrate the effort,
›oblique‹ gaze, the adornment with snakes and the demonstrative
turning away of Perseus from the gorgoneion. The image idea of
the gorgoneion on coins seems to be the visualization of a fear
of gaze. As far as the visual message is concerned, there is no
indication that an ›apotropaic‹ effect, however exactly this
should be understood, could have played any role for coins with
a gorgoneion. This function seems to have been mainly limited to
the architectural context and certain objects. Also for a
solar-astral aspect of the gorgoneion, as it was occasionally
discussed by scholars, there is no evidence for the medium of
the coin.
On the other hand, a surprisingly strong
political aspect of the gorgoneion emerges from the
diachronically comparative perspective. In addition to
highlighting civic traditions that shape the identity of the
polis, the gorgoneion has occasionally been a commitment to the
rule of the Achaemenids since the beginning of the 5th century.
Since the second half of the 5th century, cities and rulers
competing with Athens occasionally use the gorgoneion in order
to claim to be particularly favored by Athena. In contrast, a
connection between the aegis decorated with a gorgoneion and
Alexander the Great emerged in the Hellenistic period. This
aspect, taken up again by Nero, may also have played a role in
the use of the aegis by Roman emperors. The gorgoneion itself
hardly played a role in imperial coinage in Roman times. Its use
was narrowed to a component of the imperial breastplate on which
it was most likely to develop the ›apotropaic‹ effect that was
and is otherwise always ascribed to it.
Key words: Numismatics
https://www.wikidata.org/wiki/Q631286, Greek coins
http://nomisma.org/id/greek_numismatics, coin iconography,
frontality
https://d-nb.info/gnd/4744098-3, Perseus
https://d-nb.info/gnd/118790455
Zusammenfassung: Die
diachrone Untersuchung des Gorgoneion-Motivs und verwandter
Objekte bringt eine Reihe von neuen Erkenntnissen. Um die
Gefährlichkeit des Blicks zu inszenieren, bedienten sich die
Stempelschneider verschiedenster Mittel. Neben der besonderen
Betonung der Augenpartie sind dies die Verdoppelung des
Gorgoneions, die Hervorhebung einer Stirnfalte zur
Verdeutlichung der Anstrengung, der ›schräge‹ Blick, die
Verzierung mit Schlangen und die demonstrative Abwendung des
Perseus vom Gorgoneion. Die Bildidee des Gorgoneions auf Münzen
scheint die Inszenierung der Angst vor dem Blick zu sein. Was
die visuelle Botschaft betrifft, so gibt es keinen Hinweis
darauf, dass ein ›apotropäischer‹ Effekt, wie auch immer dieser
genau zu verstehen sein mag, bei Münzen mit Gorgoneion eine
Rolle gespielt haben könnte. Diese Funktion scheint
hauptsächlich auf den architektonischen Kontext und
vergleichbare Objekte beschränkt gewesen zu sein. Auch für einen
solar-astralen Aspekt des Gorgoneions, wie er gelegentlich
diskutiert wurde, gibt es keine Belege im Medium Münze.
Auf der anderen Seite ergibt sich aus der
diachron vergleichenden Perspektive ein überraschend starker
politischer Aspekt des Gorgoneions. Neben der Hervorhebung
städtischer Traditionen, die die Identität der Polis prägen, ist
das Gorgoneion seit Beginn des 5. Jahrhunderts gelegentlich ein
Bekenntnis zur Herrschaft der Achaimeniden. Seit der zweiten
Hälfte des 5. Jahrhunderts verwenden mit Athen konkurrierende
Städte und Herrscher gelegentlich das Gorgoneion und
beanspruchen damit, von Athena besonders begünstigt zu sein.
Eine Verbindung zwischen der mit einem Gorgoneion geschmückten
Ägis und Alexander dem Großen entstand dagegen in
hellenistischer Zeit. Dieser Aspekt, der von Nero wieder
aufgegriffen wurde, mag auch bei der Verwendung der Ägis durch
römische Kaiser eine Rolle gespielt haben. Das Gorgoneion selbst
spielte in der römischen Kaiserzeit kaum eine Rolle in der
Münzprägung. Seine Verwendung beschränkte sich auf einen
Bestandteil des kaiserlichen Brustpanzers, auf dem es am ehesten
die ›apotropäische‹ Wirkung entfalten konnte, die ihm auch sonst
oftmals zugeschrieben wurde und wird.
Schlagwörter: Numismatik,
griechische Münzen, Münzikonografie, Frontalität, Perseus
Der folgende Beitrag ist Teil einer
größer angelegten Studie zum Thema »Frontaldarstellungen auf
antiken Münzen«. Es handelt sich hieraus um den ersten Beitrag
zur griechischen Münzprägung, den ich hier publiziere, um
Relevanz, Methodik und Stichhaltigkeit einem breiten Publikum
zur Prüfung vorzulegen[1].
Frontalität erfuhr bereits vielfach
eingehendere Behandlung in der numismatischen Literatur. Nach
dem 1899 in einer breit rezipierten Schrift von Julius Lange
formulierten und durchaus problematischen »Gesetz der
Frontalität« begann mit dem Amateurnumismatiker Joseph Eddé 1908
eine vertiefte Beschäftigung mit Frontaldarstellungen auf
Münzen, in deren Zuge Agnes Baldwin (1908/1909), Kurt Regling
(1924), Katherine Erhart (1979) einige wichtige Erkenntnisse zu
griechischen Frontaltypen erarbeiteten, insbesondere, was die
Typologie sowie die regionale und zeitliche Verteilung betrifft[2].
Die Frage nach den Beweggründen der Stempelschneider oder ihrer
Auftraggeber, die sowohl aufwändigere als auch fragilere
Frontalansicht zu wählen, hat zuletzt Wolfgang Fischer-Bossert
(2014) sehr feinsinnig beantwortet, wobei er v.a. die
Meisterwerke des Kimon und Eukleidas im Blick hatte, die in
vielerlei Hinsicht eine Ausnahmestellung einnehmen. Mein Ansatz
möchte die bislang weitgehend auf kunsthistorischer und
archäologischer Methodik beruhenden Beiträge um die
literarischen Quellen, die sich mit Frontaldarstellungen in
Verbindung bringen lassen, ergänzen. Dabei liegt der Fokus auf
dem Blick, genauer: der Wirkung des zunächst dämonischen, dann
tierischen, bald göttlichen, heroischen und schließlich
menschlichen Blickes. Bei der Beschäftigung mit solchen Texten
wird rasch deutlich, dass der Antike ein völlig anderes
Verständnis vom Sehen zugrunde liegt. Während wir heute wissen,
dass das Auge ein rezeptives Organ ist, das Lichtstrahlen
auffängt, nahm man in der Antike an, dass das Auge über einen
›Sehstrahl‹ verfügte (Emissionstheorie)[3].
Glücklicherweise erfuhr das sich daraus eröffnende Themenfeld
v.a. von philologischer Seite bereits vertiefte Behandlung[4]
und findet auch in der Archäologie gelegentlich Berücksichtigung[5],
wird in der Numismatik aber nur ausnahmsweise, nie aber
systematisch, beachtet[6].
Erste Untersuchungen, von denen ich bislang Teilergebnisse
vorstellen konnte[7],
lassen erwarten, dass es sich hier um ein ertragreiches
Forschungsgebiet handelt, das zum Verständnis der Konzeption von
Münzbildern beitragen kann, indem es den bislang vorwiegend
ästhetischen Deutungen eine objektivierende Komponente
hinzufügt. Darüber hinaus verspricht eine von der antiken
Emissionstheorie ausgehende Betrachtung frontaler Bilder im
Sinne eines gelegentlich verkündeten »visual turn«[8]
ein grundlegend neues Verständnis einiger Münztypen.
In der hier umrissenen
Frontalitätsstudie soll das gesamte numismatische Material, das
sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite, sowohl im
Kopfbildnis als auch im Ganzköperbildnis, eine den Betrachter
anschauende Gestalt aufweist, systematisch durchgearbeitet
werden – von der frühen Münzprägung bis hin zu Justinian II.,
dessen frontale Jesusbildnisse[9]
in vielerlei Hinsicht eine Zäsur darstellen. Das erste, hier
vorzustellende Hauptkapitel befasst sich mit einem der beiden
frontalen ›Urbilder‹: dem Gorgoneion. Die in den Folgekapiteln
angewandte Methodik, die Engführung der literarischen und
numismatischen Quellen, kann hier nur in begrenztem Maße
greifen: Zu oft bestehen große Unsicherheiten in der Datierung,
noch öfter bleibt der Münzherr, die Münzherrin, im Verborgenen.
Dennoch tragen auch im folgenden antike Textzeugnisse zum
Verständnis der gewählten Darstellungsmodi bei. Wo diese möglich
ist, soll zudem eine historische Einordnung mögliche Beweggründe
liefern, weshalb Gorgoneia als Münzbilder gewählt wurden. Es
wäre gewiss wünschenswert, das Thema »Frontalität auf antiken
Münzen« generell auch einmal auf quantitativer Grundlage zu
untersuchen[10].
Im folgenden Beitrag beschränke ich mich jedoch auf einzelne
Münztypen, die ich für repräsentativ halte.
Bisherige Forschung und eigener
Ansatz
Als Baldwin sich erstmals
systematisch mit Frontaldarstellungen befasste, schloss sie die
Gorgonenhäupter aus ihrer Studie aus, denn sie hätten »no more
reason to be enumerated among human and divine heads than the
lion’s scalp«, seien sie doch vorwiegend als Masken zu denken,
ohne dass sich das Problem der perspektivischen Darstellung
stellte. Während sich gerade in letzterem Argument der
spezifische Schwerpunkt von Baldwins Studie zeigt, nahm Erhart
Gorgoneia in ihrer kunsthistorisch angelegten Arbeit durchaus
unter die Untersuchungsgegenstände auf und kam dabei auch zu
einem Ergebnis, das hiermit vorweggenommen sei: Das Gorgoneion
kann auf Münzen schwerlich eine apotropäische Funktion gehabt
haben – jedenfalls nicht in der Intention der Münzherren[11].
Diese wichtige Feststellung öffnet den Weg für differenziertere
Ansätze, um den Bedeutungshorizont dieses Münzbildes
abzustecken, das zwar sehr häufig[12]
auf griechischen Münzen vorkommt, jedoch kaum einmal näher
betrachtet und auf seinen Bedeutungshorizont hin befragt wurde[13].
Zugleich zeigt sich in Erharts
Arbeit, in welche Schwierigkeiten man gerät, möchte man eine
möglichst allgemeingültige Interpretation für ein einzelnes
Münzmotiv anbieten. So ordnet Erhart, in Anlehnung an Moritz
Hoernes’ Beobachtung, dass in der Vasenmalerei der Blick zum
Betrachter gelegentlich von einem Sterbenden ausging, auch die
Gorgo den Sterbenden zu: »the gorgon Medusa was the first victim
figure to be identified with the facing head in Greek art«[14].
Dieser Ansatz ist originell, bereitet aber gleich zwei
Probleme: Erstens kann das Gorgoneion erst etwa seit Hesiod, der
die Tötung der Gorgo erstmals erwähnt, zur Gruppe der ›Opfer‹
gezählt werden, woraus sich für die früharchaischen Gorgoneia
ergäbe, dass diese eine völlig andere Bildaussage trügen.
Zweitens, damit verknüpft, fällt das Gorgoneion, auch wenn
Medusa von Perseus getötet wurde, kaum in die Kategorie
»Opfer/Sterbende/Tote«, da es ja alles andere als unbelebt ist,
sondern von ihm noch eine tödliche Kraft ausgeht[15].
Dies wird sich weiter unten mehrfach zeigen.
Vielversprechender als solche
Generalhypothesen[16]
ist der auch von Ingrid Krauskopf in ihrem LIMC-Artikel[17]
empfohlene methodische Ansatz, die Münzbilder in ihrem
historisch-geographischen Kontext zu betrachten. Zwar ist man
versucht, dem Gorgoneion pauschal eine »mehr dekorative
Verwendung« zuzusprechen[18].
Aber das mag für einige Vasen[19]
und andere Kunstgattungen gelten, mit Sicherheit jedoch nicht
für Münzen, für die in jedem einzelnen Fall patriamythologische
bzw. historisch-politische Gründe für die Wahl genau dieses
Münzbildes zu vermuten stehen. So sehr sich das Gorgoneion für
ästhetische Deutungen seiner Verwendung anbietet, so wenig
weicht dieses Münzbild vom universellen Prinzip der Münzprägung
ab, wonach Münzen in ihrer medialen Funktion primär Botschaften
über ihren Emittenten verbreiten sollten.
Das hier zu verfolgende Ziel kann
indes nicht darin bestehen, jeden Gorgoneion-Typus in den
jeweiligen Patriamythos einzuordnen. Vielmehr ist die Auswahl
auf die Städte beschränkt, die sich besonders früh für dieses
Münzbild entschieden, dieses besonders häufig wiederholten, eine
große Strahlkraft besaßen oder einen besonderen Typ wählten, der
oft kopiert wurde. Es ist hier auch nicht der Ort, die
mythologischen und kunsthistorischen Ursprünge des Gorgoneions
zu ergründen. Dies leistet der entsprechende Beitrag im LIMC
hinreichend[20].
Dieser veranschaulicht zudem, dass der typologische Vergleich
von Gorgoneia auf Münzen mit anderen Materialgattungen genauso
wenig ertragreich ist, wie bei vielen anderen Bildern, weshalb
typologische Argumentationen nur zurückhaltend und allenfalls im
Rahmen der Gattung Münze genutzt werden sollen. Im Rahmen der
dieser Arbeit zugrundeliegenden Methodik ist es indes
erstrebenswert, Textbelege heranzuziehen, aus denen sich
erschließt, welche Bedeutung das Gorgoneion für den antiken
Betrachter gehabt haben mag, wenn es ihm auf Münzen
entgegentrat.
Dem numismatischen Publikum sei die
Entscheidung darüber überantwortet, ob mit den folgenden
Betrachtungen ein brauchbares Grundgerüst für eine größer
angelegte Studie zum Gorgoneion geschaffen ist. Im Rahmen meiner
Frontalitätsstudie erfüllen sie soweit ihren Zweck, als für die
wesentlichen Gorgoneion-Prägungen jeweils Bildintentionen
vorgeschlagen werden können, die ein historisches Fundament
besitzen. Besonders aufschlussreich scheinen mir einerseits das
relativ breite Bedeutungsspektrum, andererseits der an den
Epochengrenzen konstatierbare Bedeutungswandel des Gorgoneions.
Mythologie des Gorgoneions und
erstes Vorkommen auf Münzen
Es ist gut möglich, dass das
Bildmotiv des zähnefletschenden, oft deformierten Kopfes mit
monströsen Hauern und Schlangenhaar in der griechischen Kunst
vorhanden war, bevor sein Mythologem Gestalt annahm. In
homerischer Zeit ist letzteres noch etwas neblig. Der
Iliasdichter kennt die Gorgo als Teil der Ägis (Hom. Il. 5,741
f.) und nennt Hektor den mit dem »Gorgonenblick« (Hom. Il. 8,348
f.). Schließlich diente sie als Schildepisemon des Agamemnon:
»Die Gorgo, schauerlichen Anblicks, starrte zornig / um sie
herum Furcht und Schrecken«[21].
In der Odyssee dagegen ist sie ein
Wesen im Hades, das, von Persephone gesandt, Odysseus verjagt.
Seit Hesiods Theogonie dann ist der mythologische Stammbaum
klarer: Die Gorgonen waren drei Schwestern, von denen Medusa
sterblich war, und die im äußersten Westen der Welt hausten. Als
Medusa von Poseidon schwanger war, wurde sie von Perseus
getötet, wobei Pegasos und Chrysaor entstanden[22].
Apollodor steuert die Information bei, dass die Gorgonen Töchter
des Phorkys und der Keto waren und bietet als alternatives Motiv
für die Tötung der Medusa deren Vermessenheit, in Bezug auf die
Schönheit mit Athena konkurriert zu haben[23].
Bei Euripides findet sich die wohl nach der Vertreibung der
Peisistratiden in Attika zur Dominanz gelangende Version des
Mythos[24],
wonach Gorgo ein von Gaia geborenes Monster sei, das in der
Gigantomachie von Athena getötet wurde[25].
Das erstmalige Vorkommen eines
Gorgoneions bereitet naturgemäß besondere Probleme bei der
Anwendung der eingangs skizzierten Methode, da sich ein
Prägeherr nicht einmal ansatzweise ermitteln lässt[26].
Es handelt sich um eine kleine Elektron-Serie, von der bislang
zwei Statere (Abb. 1) und vier Triten nach
lydisch-milesischem Fuß bekannt sind. Kennzeichnend sind hier
die breite, querovale Gesichtsform, eine Knubbelnase, die vier
Hauer im gefletschten Maul und die daraus heraushängende Zunge.
Besonders dominant sind die rautenförmig geschnittenen Augen,
die in tiefen Höhlen liegen, um die tödliche Wirkung des Blicks
nochmals zu unterstreichen[27].
Alle Münzen wurden aus dem gleichen Aversstempel geprägt, in den
zwei spiegelsymmetrisch angeordnete Gorgoneia geschnitten waren,
deren Zungen ineinander übergingen[28].
Nach den jüngsten Erkenntnissen zur frühen Elektronprägung
dürften diese Münzen etwa um 600 datiert werden. Obwohl in
dieser Zeit der Gorgonenmythos in der griechischen Welt bereits
ausgeformt und weit verbreitet war, scheint der Bildgestaltung
keine primär mythologische Aussage zugrunde zu liegen. Vielmehr
hebt die dem Mythos zuwiderlaufende Dopplung[29]
der Gorgo hier offenbar den dämonischen Charakter dieses Wesens
– als was auch immer es hier verstanden wurde – hervor: Der
Betrachter wird gleich von zwei Augenpaaren angeglotzt. Auf
dieses Münzbild trifft Thomas Rakoczys Formulierung, eigentlich
auf eine Passage in der Odyssee bezogen, ganz besonders zu:
»bevor sie zur Gestalt wird, ist die Gorgo also nur Blick«[30].
In seiner Verstärkung dieses Blicks durch seine Verdopplung ist
das erste Münzbild der Gorgo am ehesten als ein Spiel mit »der
menschlichen Blickfurcht« zu verstehen[31].
Dieses psychologische Spiel, verbunden mit der Lust am Grotesken
und Dämonischen, mag auch die späteren Entscheidungen für das
Motiv der Gorgo beeinflusst haben.
Das Problem der Datierung und
Lokalisierung stellt sich auch bei dem nächsten Münztyp (Abb.
2), der vermutlich nur in zwei Exemplaren erhalten ist.
Abgebildet ist das Londoner Exemplar, das mit einem Gewicht von
recht genau 8 g einem halben Stater nach phokäischem Fuß
entspricht. Während Barclay V. Head das Stück noch dem mysischen
Parion zuschrieb (gefolgt bspw. von Franke und Krauskopf), ist
die aktuell vom British Museum vorgenommene Zuweisung nach
Ionien zu bevorzugen, wo das auf der Rückseite befindliche
Fünfpunkte-Incusum gut belegt ist[32].
Mit einiger Sicherheit scheint der Typ zwischen dem
früharchaischen und attischen Typ zu stehen. Im Vergleich zu
Ersterem ist er wesentlich feiner ausgeführt. Er weist ein nach
unten gebogenes Maul (ohne Hauer) mit heraushängender Zunge auf.
Die Augen, besonders die Pupillen, sind wieder besonders
deutlich hervorgehoben. Im gekräuselten Haar deuten sich einige
wenige S-Strukturen an, die als Bildformel für Schlangen (drakones)
aufzufassen sind. Matthias Steinhart verweist auf die gemeinsame
Wurzel dieses Wortes mit dem Verb dérkomai (sehen),
sodass angenommen werden darf, dass dieses Bildelement die
Gefährlichkeit des Blicks der Gorgo hervorheben sollte[33].
Gleichfalls in nur zwei Exemplaren
belegt ist ein archaischer Gorgoneion-Stater nach milesischem
Fuß (Abb. 3). Obwohl das Stück
aus dem British Museum mutmaßlich auf Melos gefunden wurde, hält
Kenneth Sheedy es für unwahrscheinlich, dass es auch dort
geprägt wurde. Münzfuß und Machart des Incusums könnten aber
durchaus auf eine Kykladeninsel als Urheberin deuten[34].
Typologisch schließt sich dieser Münztyp mit den rautenförmig
gestalteten Augäpfeln, der Knubbelnase, den strähnig
zurückgekämmten Haaren und dem gefletschten Maul mit
hochgezogenen Mundwinkeln am ehesten dem frühen Elektronstater (Kat.
Nr. 1) an. Bei dem Londoner Exemplar sticht zudem
eine erhaben angegebene, vertikale und zentrale Stirnfalte
heraus.
Das Gorgoneion in Athen und
mögliche Bezüge zu Argos
Mit den attischen Gorgonen-Didrachmen
(Abb. 4) schließlich betritt
man festeren Grund, was die räumliche und zeitliche Einordnung
betrifft. Laut John Kroll bildet dieses Aversmotiv den
Schlusspunkt der sogenannten Wappenmünzen-Reihe und dürfte um
525 datieren[35].
Das attische Gorgoneion zeichnet sich durch ein breites, nach
oben gezogenes Maul mit vier Hauern und herausgestreckter Zunge
aus. Auch hier sind die Augen dominant; die Augäpfel scheinen
aus den Augenhöhlen förmlich herauszuspringen. Bei vorzüglich
erhaltenen Exemplaren lassen sich die drakones gut
erkennen, die den Kopf anstelle von Haaren bedecken. Eine tiefe
Stirnfalte verleiht unter weiterer Hervorhebung der Augenpartie
dem Kopf etwas Felidenartiges. Aufgrund der hier auf der Hand
liegenden mythologischen Verbindung zu Athena ergibt sich die
folgende Deutung des Aversmotivs: Das Gorgoneion ist hier die
Trophäe der gorgophónos Athena. In seinem tödlichen Blick
sammelt sich die Wehrhaftigkeit der Polis.
Kim Hartswick konnte dem Münzbild in seiner
Studie zur politischen Relevanz dieses Motivs in Athen noch
einen weiteren Aspekt entlocken: »These Gorgoneia are not only a
reference to the Athenian goddess and the Argive Perseus, but a
reflection of the very real alliance between Argos and Athens
under the Peisistratids«[36].
Das Gorgoneion ermöglicht also den Brückenschlag
nach Argos.
Mit den attischen Tetradrachmen (Abb.
5) wird das Gorgoneion dann für einige Jahre
zum Hauptmünzbild Athens. Typologisch verändert es sich
gegenüber den Didrachmen nicht wesentlich. Es wird mit weiteren
frontalen Bildern im Revers gekoppelt, darunter, besonders
ausdrucksstark, eine zum Sprung ansetzende Raubkatze (dazu s.
unten). Den Bildwechsel zur Stadtgöttin Athena erklärt Hartswick
mit der Vertreibung der Peisistratiden nach 515 und dem sich
verschlechternden Verhältnis zu Argos, das für eine Weile dazu
führte, dass das Perseusmythologem in Athen unterdrückt wurde,
ablesbar an den archäologischen Zeugnissen. Erst um 460 kehrte
das Gorgoneion in Athen auf die Ägis der Athena zurück.
Makedonien, Mysien und mögliche
Bezüge zu den Achaimeniden
Während es in der attischen
Münzprägung bald von Athena Polias verdrängt wird, findet sich
das Münzmotiv wohl am Ende des 6. Jhs. im makedonischen Neapolis
wieder (Abb. 6) und bleibt dort
auch lange der Haupttyp. Bedeutende typologische Unterschied
liegen in den strähnig angelegten (Schlangen-)Haaren und der
gerümpften Nase der makedonischen Münzen, während ansonsten eine
gewisse Ähnlichkeit besteht, sodass man annehmen könnte, dass
nicht viel Zeit zwischen dem Ende der attischen Gorgoneia und
dem Beginn der Prägung von Neapolis verging[37].
Die Drachmen von Parion in Mysien (Abb.
7), gelegen an der Propontis, können nur mit
einiger Unsicherheit an die hier gewählte chronologische
Position gesetzt werden. Der Großteil dieser Prägungen gehört –
so archaisch sie auch anmuten mögen – ins 5. Jh.
Parion ist laut Strabon eine Gründung
von Milesiern, Erythraiern und den Bewohnern der Insel Paros.
Weder aus den Münzprogrammen, noch aus der Patriamythologie der
Mutterstädte ergibt sich ein Bezug zu den verschiedenen
Medusenmythologemen, sodass für Parion eine eigenständige
Erzählung angenommen werden kann, die dazu führte, das
Gorgoneion als ›Wappen‹ zu verwenden und über eine lange Zeit
hinweg beizubehalten. Die späteren, im 4. Jh. emittierten
Hemidrachmen, die im Revers ein Rind zeigen (Abb.
8), könnten einen Schlüssel für das
Bildprogramm von Parion liefern. Da die Rückseite so eindeutig
auf den Bosporos (bous-poros) verweist, könnte auch der
Avers einen engen Bezug zur geographischen Lage der Stadt haben.
Möglicherweise hielten es die Metropoleis für plausibel, den
Gorgonen-Mythos nicht am westlichsten Ende der bekannten Welt,
sondern der kleinasiatischen Halbinsel spielen zu lassen. Für
die Existenz eines solchen Mythologems im propontischen Mysien
spricht auch das (unten zu behandelnde) mehrfache Vorkommen von
Perseus und Gorgo auf den Münzen von Kyzikos (Abb.
9)[38].
Über die Verwandtschaft mit Phorkys, Keto und Poseidon sind alle
möglichen Konstruktionen eines Mythos denkbar, der am Hellespont
oder Marmarameer spielte.
Das ebenso wie Parion am mysischen
Ufer des Marmarameers gelegene Kyzikos prägte verschiedene
Motive aus dem Perseus-Gorgonen-Mythos, darunter ein Gorgoneion,
das sich über dem städtischen Parasema, dem Thunfisch, befindet.
Den hier verwendeten Typ kennzeichnet ein regelrechter
Schlangenkranz, der das birnenförmige Gorgonenhaupt mit seinen
glotzenden, pupillenlosen Augen umgibt. Auch hier bereitet die
Feindatierung große Schwierigkeiten. Die jüngere Forschung
konnte die Prägezeit nur auf 500–450 einengen. Hristina Ivanova
erkennt im kyzikenischen Gorgoneion das stilistische Vorbild der
frühen silbernen Gorgoneion-Prägungen von Apollonia Pontika, das
dieses Motiv über einen langen Zeitraum hinweg in Massen
ausprägte und dessen Wirtschaft eng mit der von Kyzikos
verflochten war. Der früheste, publizierte Typ dieser Prägungen
sind die raren Statere, die in die erste Phase der Periode von
465–407 datiert werden (Abb. 10).
Auch die Reverse diverser, zwischen
480 und 460 datierter troadischer Silbernominale der Poleis
Abydos, Gergis und Kebren lehnen sich an das kyzikenische
Gorgoneion an[39].
Damit kann man, so denke ich, die untere Datierungsgrenze der
kyzikenischen Gorgoneia getrost einige Jahrzehnte hinaufsetzen.
Zu bedenken ist ohnehin die
politische Aussage der Prägeserie mit Bezug auf Perseus, für die
– mit Hinblick auf die attische Sensibilität auf das
Perseusmythologem – der Eintritt von Kyzikos in den
Delisch-Attischen Seebund 478 den terminus ante quem
bedeutet. Die Motive lassen sich, v.a. in ihrer Ballung,
schwerlich anders deuten, als dass sie einen Kniefall vor der
achaimenidischen Oberherrschaft zum Ausdruck bringen.
Möglicherweise sahen sich die Prägeverantwortlichen nach ihrer
Teilnahme am Milesischen Aufstand und dessen Niederschlag zu
einer solchen Geste veranlasst[40].
Akzeptiert man diese Hypothese, lässt sich der Prägezeitraum auf
etwa 494–480 einengen.
Der schräge Blick
Auch auf Lesbos finden sich frühe
Verwendungen des Gorgoneions als Aversmotiv (Abb.
11). Kleinsilbermünzen von Methymna aus der
ersten Hälfte des 5. Jhs. tragen auf der Vorderseite einen für
Münzen dieser Zeit typologisch völlig eigenständigen
Gorgonentyp, der sich durch eine Kombination von dichten
Krauslocken auszeichnet, die von Schlangen umzüngelt werden.
Zudem sind die pupillenlosen Augen besonders länglich
dargestellt. Das Münzbild wird im Revers sowohl mit einem im
Profil gezeigten Athena- als auch mit einem Areskopf kombiniert.
Für Athena ist von Lesbos die Epiklese Hyperdexía, die
Siegreiche, bekannt[41].
Möglicherweise sollte das Gorgoneion den kriegerischen Aspekt
der beiden mit ihm verbundenen Götter hervorheben. Für diese
Bildaussage, die auch zahlreiche spätere Münztypen mit Gorgoneia
und Ägides transportieren wollten, läge hier der erste,
einigermaßen sichere Beleg vor.
Eine Elektron-Hekte von Mytilene mit
Gorgoneion muss um 455 geprägt worden sein, wenn man Friedrich
Bodenstedts Chronologie akzeptiert (Abb. 12).
Bei diesem Münztyp haben wir es erstmals nicht mit einem zur
Fratze verzerrten Gorgoneion zu tun, sondern mit einem
allenfalls etwas pausbackigen, ansonsten aber stark menschlichen
Gesicht mit herausgestreckter Zunge und gewöhnlicher Haartracht[42].
Eine weitere Besonderheit besteht in den fein geschnittenen, mit
Lidern und Pupillen versehenen Augen, die auf dem Meisterstempel
seitwärts blicken. Vielleicht nimmt dieses Bilddetail, das den
üblichen Erzählungen vom starren, versteinernden Blick der
Medusa zu widersprechen scheint, auf den schrägen Blick
Bezug, der sich bei Anakreon (Anakr. 75,1: λοξὸν ὄμμασιν βλέπειν
τινά – jemanden mit schrägen Augen anblicken), Solon (Fr. 34,5)
und Theokrit (Theokr. 20,3) findet. Auf philologischer Basis
schreibt Rakoczy diesem von der Geraden abweichenden Blick
»einen stärkeren Ausdruck, mehr Wirkkraft« zu. Er sei gleichsam
die »zweite Form des Bösen Blicks«[43].
Auf einigen wenigen Vasen wie dem Ruvo-Krater (auch: Talos-Vase)
lässt sich beobachten, dass auch bildende Künstler versuchten,
den schrägen Blick umzusetzen[44].
Auch bei der in Rede stehenden Münze scheint die Wirkung des
Blicks eine besondere Rolle gespielt zu haben. Das belegt die
Kombination von Vorder- und Rückseitenmotiv, weist doch der
Revers einen frontal schauenden Luchskopf auf. Der Luchs war und
ist bekanntlich ein besonders scharfsichtiges Tier; ein, mit
einem Wort Steinharts, »Augentier«, das, gleich der Eule, fast
nur frontal gezeigt wird[45].
Vielleicht ist es kein Zufall, dass sich der Verantwortliche für
die Münzbilder für beidseitige Frontalität entschied, wie
bereits bei den attischen Tetradrachmen (Abb. 5)
und später in Kamarina (Kombination mit Eule) zu beobachten.
Während in Mytilene das schielende Gorgoneion nur in einem
Ausnahmefall vorkommt, wurden etwa 40 Jahre später in Kamarina
ganze Emissionen von Bronzemünzen mit nach rechts und nach links
schielenden Gorgoneia geprägt[46].
Die Rolle, die die Gorgone Medusa im
Patriamythos von Korinth spielte, ist dagegen bestens
beleuchtet, weshalb es zunächst verwundern könnte, dass Korinth
erst in der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts damit
beginnt, gelegentlich ein Gorgoneion auf seine (Klein-)Münzen zu
prägen[47].
Doch scheint es so, als spiegle sich in diesem Motiv im Kleinen,
was Stefan Ritter für die Konkurrenz von Athen und Korinth um
die für beide Städte so bedeutende Hauptgöttin, Athena,
beschrieben hat[48].
So konnte das Gorgoneion in Korinth vermutlich erst dann
auftauchen, als die oben angesprochenen, attischen Wappenmünzen
mit Gorgoneion längst von den ›Eulen‹ ersetzt wurden waren.
Möglicherweise spielte das ebenfalls spannungsreiche Verhältnis
zu Argos, der Heimatstadt des Perseus, eine weitere Rolle für
die zögerliche Verwendung des Gorgoneions durch die
›Pegasos-Stadt‹ Korinth.
Eine Verwicklung in den
Perseusmythos, wenn nicht gar eine Gründung durch Perseus,
suggeriert das westkilikische Kelenderis, das etwa im letzten
Viertel des 5. Jhs. mit der Prägung silberner Kleinmünzen mit
Gorgoneion und Pegasosprotome beginnt[49]
und auch später gelegentlich auf diesen Averstyp verfällt. Im
Vergleich zu früheren Gorgoneia stellen sie keinen
eigenständigen Typ dar, sondern stehen in der Tradition der
Gorgoneia mit grotesk in die Breite gezogenem Maul, wie sie
zunächst in Athen, dann in Neapolis und später im gesamten
Mittelmeerraum begegnen. Im ostkilischen Mallos begegnen gleich
mehrere verschiedene Münztypen mit Gorgonenmotiven – ebenfalls
mit klaren typologischen Anleihen an die Gepräge anderer Städte[50].
Möglicherweise schien es diesen Poleis aufgrund der persischen
Oberherrschaft opportun, eine fiktive Verwandtschaft mithilfe
des Perseus zu konstruieren[51].
Auch etwas weiter westlich, in den pamphylischen Städten
Aspendos[52]
und Side[53],
sowie in der pisidischen Polis Etenna[54]
spielte die Heldentat des Perseus eine große Rolle in der
jeweiligen Polisidentität, und in Selge scheint das Gorgoneion
mit der hohen Bedeutung Athenas als Stadtgöttin in Verbindung zu
stehen[55].
Mögliche Rivalitäten mit Athen
Während Datierung, Prägeumstände und
daher auch die Bildintention bei den etruskischen Prägungen, die
das Gorgoneion um die Mitte des 5. Jhs. und auch noch später
öfter aufgreifen, unklar bleiben, sind die sizilischen Münzen
mit diesem Bildmotiv bestens einzuordnen: Wenn Kamarina um 420
mit der Prägung von Bronzemünzen beginnt, die im Avers ein
(meist seitwärts blickendes) Gorgoneion und im Revers eine Eule
aufweisen, liegt darin ein unmissverständliches Bekenntnis zum
Bündnis mit Athen, das die dorische Stadt 427 einging[56].
Misslich ist indes, dass sich für Himera, das um 430 mit
gegossenen Bronzemünzen mit Gorgoneia im Avers die Prägung von
›Scheidemünzen‹ auf Sizilien einleitete (Abb. 13),
keine so deutlichen politischen Bezüge abzeichnen, was
vielleicht auch der dünnen Quellenlage für die Polis geschuldet
ist[57].
Bemerkenswert erscheint, dass der graphische Stil dieser
Gorgoneia mit seinem Verzicht auf jedes überflüssige Detail und
ohne jede Tiefenwirkung den Eindruck einer Maske hervorruft –
und vielleicht, im Gegensatz zu allen anderen hier besprochenen
Gorgoneia, auch tatsächlich nichts anderes als eine Maske
darstellen soll. Verblüffenderweise erfolgt dies in genau
derselben Weise wie dies auf den gegossenen und etwa
gleichzeitig entstandenen Bronzemünzen von Olbia an der
nördlichen Schwarzmeerküste geschieht (Abb. 14).
Die typologischen Unterschiede zwischen den Bildern der
sizilischen und olbischen Gussmünzen sollen indes nicht
unerwähnt bleiben.
Wenn in der Hochphase des
Peloponnesischen Krieges auf der mit Sparta verbündeten und also
mit Athen verfeindeten Insel Melos im Revers einer
Großsilbermünze ein Gorgoneion auftaucht, so scheint auch hier
eine politische Deutung naheliegend, liefert doch der lokale
Mythos dafür keinen Anhalt[58].
In Syrakus wurden 406/5 Gorgo-Motive
geprägt, von denen eines später mehrfach wiederholt wurde. Es
handelt sich um Goldstücke mit einem Gewicht von zwei und vier
Litren. Während das größere Nominal einen Schild mit einem
frontalen Gorgoneion als Episema im Avers trägt (Abb.
14), weisen die Dilitren im Revers eine Ägis
mit einem großen Gorgoneion auf (Abb. 15).
Es war der Doyen der sizilischen Numismatik, Christoph
Boehringer, der für das erstgenannte der beiden frontalen
Bildmotive ein überzeugendes Deutungsmodell anbot, indem er als
mögliches Vorbild den Schild heranzog, den eine Athena-Statue
auf der Balustrade des Athena-Nike-Tempels auf der Akropolis
hält: »Es ist der Schild der Athena. Wie auf einer Siegesweihung
in ein Heiligtum trägt ihr Schild hier in monumentalen Lettern
den Namen der Syrakusier – eine unmissverständliche Warnung, daß
deren Siegeswillen ungebrochen ist, wie ein knappes Dezennium
zuvor«. Demnach sei dieses Münzbild auf die bevorstehende
Auseinandersetzung mit Karthago im Zweiten Sizilischen Krieg zu
beziehen[59].
Analog hierzu lässt sich die mit einem Gorgoneion versehene
Ägis, die sich im Revers der etwa gleichzeitig emittierten
Dilitren befindet, ebenfalls als einen Hinweis auf die
Wehrhaftigkeit der Münzherrin deuten, stand ihr doch Athena samt
dieser magischen Waffe bei.
Erstmaliges Auftreten der Ägis mit
Gorgoneion
Es erscheint bemerkenswert, dass die
Gorgoneia beider Münztypen typologisch völlig verschieden sind.
Während das Schild-Gorgoneion sehr zurückgenommen-menschlich ist
und bereits dem »schönen Typ« nahekommt (vgl. Anm. 21), der sich
auch dadurch auszeichnet, dass der tödliche Makel des
abgetrennten bzw. abzutrennenden[60]
Halses von einem Knoten aus Schlangen verdeckt wird (vgl.
besonders Abb. 18), ist das Ägis-Gorgoneion
ausdrucksvoller: Auch hier überwiegen die menschlichen Züge, die
Kopfform ist betont rund, und auch die Haare bestehen nicht aus
Schlangen (welche sich indes am Rande der Ägis befinden). Zwei
mächtige Stirnfalten deuten an, dass Medusa keinesfalls tot ist
(vgl. oben), sondern vielmehr alle Kraft in ihren tödlichen
Blick lenkt, der aus den stark betonten, pupillenlosen Augen zu
schießen scheint. Dazu hängt die Zunge aus dem ansonsten anmutig
gestalteten Mund heraus. Auch hier könnte dem
Prägeverantwortlichen ein ähnlich konkretes Muster vorgelegen
haben wie bei dem Schild-Gorgoneion, das auch als Reverenz an
die Athena vom Parthenon verstanden werden kann. In jedem Fall
wird durch den völlig anderen Gesichtsausdruck die spezifische
Bildaussage der Ägis bestens untermalt. Man fühlt sich erinnert
an die Beschreibung der Ägis in den Händen Athenas in der Ilias
(Hom. Il. 5,738–742):
Siehe, sie warf um die Schulter die
Ägis, prangend mit Quästen,
Fürchterlich, rund umher mit
drohendem Schrecken umkränzet.
Drauf ist Streit, drauf Stärke und
drauf die starre Verfolgung,
Drauf das gorgonische Haupt, des
entsetzlichen Ungeheuers,
Schreckenvoll und entsetzlich, das
Graun des donnernden Vaters! (Übers.: Voss)
Vielleicht sollte das Münzbild auch
Mut machen für den Kampf, so, wie Athena die Achaier für den
Kampf motivierte (Hom. Il. 2,450–452):
Hiermit (= mit der Ägis)
weithinleuchtend durchflog sie das Heer der Achaier,
Trieb
zur Eile sie an, und rüstete jegliches Mannes
Busen mit
Kraft, rastlos im Streite zu stehn und zu kämpfen. (Übers.:
Voss)
Das Auftauchen der Ägis bedeutet
insofern eine Zäsur in der numismatischen Bildgeschichte des
Gorgoneions, als sich hiermit eine weitere Bedeutungsebene
öffnet. Die Ägis stellt einen direkten Bezug zu Zeus oder auch
Athena her[61],
und sie ist zugleich ein konkretes Objekt, genauer: eine
unwiderstehliche Waffe. Ihre Wirksamkeit ist deutlicher auf eine
Einzelperson bezogen als dies beim Gorgoneion der Fall ist,
hinter dem zumeist die Patriatradition einer Polis sich
verbirgt. Es ist vielleicht kein Zufall, dass die Ägis erstmals
in der Zeit der Machtergreifung des Dionysios auf Münzen
auftaucht. Ganz gewiss kein Zufall ist ihre hohe Bedeutung, wie
zu zeigen ist, im Zeitalter der Alleinherrschaft, von Alexander
dem Großen bis hin zu Caesar und seinen Epigonen.
Möglicherweise hatte das neue
Bildmotiv der Ägis auch Rückwirkungen auf das Gorgoneion. Fortan
ist bei jedem Vorkommen eines einzelnen Gorgoneions zunächst die
Frage zu stellen, ob dies nicht pars pro toto für die
Ägis zu lesen ist.
Spätere, unselbständige
Gorgoneion-Typen
Im ausgehenden 5. und durchwegs im 4.
Jh. finden sich zahlreiche Wiederholungen des Gorgoneions im
gesamten Mittelmeerraum, die mal mehr, mal weniger eindeutige
Kopien der oben besprochenen Typen sind. Um 200 wird auf Kreta
ein Münztyp geprägt, der in der Forschung Aufsehen erregte[62].
Es handelt sich um (stark reduzierte) Didrachmen, die sich stark
an den rhodischen Helios-Typ anlehnen, indem sie im Avers einen
en face blickenden Kopf mit langem Haar und im Revers
eine Rosenblüte zeigen (Abb. 17). Bei näherem Hinsehen
entpuppt sich das Aversbildnis jedoch nicht als der rhodische
Helios, sondern als geflügeltes Medusenhaupt im schönen Typus.
Während Krauskopf das Phänomen für »erstaunlich« hält und dem
Gorgoneion aufgrund dieser vermeintlichen Nähe zu Helios einen
»solaren Aspekt« zuweisen möchte[63],
bietet die Numismatik eine gänzlich andere Erklärung: Diese
Münzen wurden nicht auf Rhodos, sondern, unter dem Einfluss
rhodischer Militärs, auf Kreta geprägt, um von dort stammende
Söldner zu bezahlen. Die erste Emission dieser »semi-rhodischen«
(Ashton) Prägungen wurde von einem Mann namens Gorgos
veranlasst, der, einerseits, um eine klare Abgrenzung von den
rhodischen Gorgos-Prägungen herzustellen, andererseits wohl auch
in Anspielung auf seinen Namen, den Helioskopf durch den der
Medusa ersetzte. Zugleich dürfte der tödliche Aspekt dieses
Bildes eine Rolle für seine Verwendung auf Söldnergeld gespielt
haben. Der zweite Fall, bei dem thessalische Imitationen
rhodischer Drachmen ebenfalls eine Medusa aufweisen[64],
ist in ähnlicher Weise zu interpretieren, wenngleich hier kein
Prägeverantwortlicher namens Gorgos auftaucht. Eine
»Sonnensymbolik«, wie Krauskopf sie vermutet, lässt sich
Gorgoneia auf Münzen indes schwerlich zuschreiben[65].
Die Ägis als Bezugnahme auf
Alexander?
Unter dem seleukidischen König
Antiochos IV. erlebte das Motiv der frontalen Ägis mit
Gorgoneion eine bemerkenswerte Renaissance. Es findet sich auf
raren Kleinmünzen aus Bronze und Silber (Hemidrachmen, Abb.
18)[66].
Seit ihrem Bekanntwerden ist die Forschung hauptsächlich darum
bemüht, sie mit einem Monument in Verbindung zu bringen, das
Pausanias über dem Dionysostheater an der Südmauer der Akropolis
gesehen hatte. Dort war eine ›goldene‹ Ägis befestigt, die ein
König namens Antiochos den Athenern geschenkt hatte[67].
Jüngst hat Mairi Gkikaki ein marmornes Fragment dieser Ägis, das
tatsächlich an der von Pausanias beschriebenen Stelle gefunden
wurde, publiziert. Sie geht davon aus, dass das Kunstwerk wohl
mit Goldblech beschlagen war und einen Radius von 1,45 m hatte.
Entgegen der Vermutung von Otto Mørkholm, der an dem Münzbild
einer sechseckigen Ägis sogar die Aufhängevorrichtungen der
goldenen Ägis erkennen wollte[68],
scheint die Ägis im Dionysostheater fast rund gewesen zu sein.
Gkikaki sieht als besten Vergleich die von den pontischen
Geprägen (Abb. 19, dazu s. unten) bekannten (dort
oktogonalen) Ägides. Ohne näher auf die seleukidischen Münzen
und die Diskussion, ob die Ägis vom dritten oder vierten
Antiochos gestiftet wurde, einzugehen, bietet sie eine
überzeugende Deutung der dahinterstehenden Symbolik: »Der
seleukidische Herrscher – wer auch immer er war – entschied
sich, die Akropolis und Athen in einer Zeit der Krise und vieler
Herausforderungen ›abzuschirmen‹«[69].
Und weiter: »Die Ägis an der Südwand der Akropolis erhält
angesichts dieser historischen Ereignisse [der
Auseinandersetzungen mit Makedonien, F. H.] ein besonderes
symbolisches Gewicht. Dies wird auch durch die Wahl ihrer
Position bestätigt. Mit anderen Worten, sie befand sich etwas
tiefer als ein wichtiges zeitgenössisches Denkmal, das ›Kleine
Gallier-Anathem‹ der Attaliden, das sich ebenfalls über dem
Theater des Dionysos, auf der Brüstung der Südwand der Akropolis
im Südosten des Parthenon befand«[70].
Überraschenderweise findet sich in
der modernen Literatur, soweit ich sehe, keine ernsthafte
Überlegung dazu, was Antiochos IV. genau mit den Münzen zum
Ausdruck bringen wollte, deren Rückseiten eine Ägis tragen. Dass
er damit seine Schenkung an Athen proklamieren wollte, wie
Mørkholm insinuiert, erscheint einigermaßen abstrus und ist nun
auch durch den völlig anderen Umriss der beiden Ägides
widerlegt.
Die Ägis kommt auf seleukidischen
Münzen zuvor überhaupt nicht vor, nicht einmal als Bestandteil
der Königsbüste (die ohnehin selten ist). Als solcher ist sie
indes fester Bestandteil der ptolemäischen Münzprägung. Es liegt
nahe, dass die Ägis, von Zeus an Alexander verliehen, dazu
diente, die Ptolemaier als rechtmäßige Nachfolger Alexanders
auszuzeichnen[71].
In der postumen Alexanderikonographie spielte die Ägis eine
nicht geringe Rolle, wie u. a. die Statuette vom Typ Alexandros
Aigiochos im Louvre belegt[72].
Wenn nun Antiochos IV. eine Ägis mit sechs Quasten und frontalem
Gorgoneion auf zwei kleine Münzserien setzen lässt, gibt es
dafür m. E. drei mögliche Beweggründe:
a) Macht er dieses Attribut den
feindlichen Ptolemäern streitig.
b) Setzt er sich in die Nachfolge
Alexanders.
c) Zeigt er sich als Günstling des
Zeus, der ja darüber befindet, wer die Ägis nutzen darf[73].
Es ist vielleicht typisch für den
Hellenismus, dass sich nicht ausschließen lässt, dass ein
Amalgam aus all diesen drei Ideen zu der Entscheidung für dieses
Münzbild beitrug.
Darüber hinaus ergibt sich –
unabhängig von dieser Kontextualisierung – aus der Kombination
von Königsportrait und der von Zeus verwalteten Superwaffe, dass
Antiochos IV. für sich beansprucht, über diese Schrecken
erregende, alles übertrumpfende Waffe zu verfügen. Es muss ein
besonderer Prägeanlass gewesen sein, der zu dieser Motivwahl
führte, zumal die Auflagen augenscheinlich gering waren
Immerhin aber liegt uns ein Zeugnis
darüber vor, wie diese Münzen rezipiert wurden. Nur wenige Jahre
später taucht dieses Aversmotiv nämlich in der indogriechischen
Bronzeprägung auf, die bekanntlich immer wieder Anleihen bei den
Seleukiden gemacht hat. Es ist der Euthydemide Antimachos II.
Nikephoros, der die Ägis auf die Vorderseiten bilingualer,
viereckiger Bronzemünzen setzen ließ (Abb. 20), die er
nach seiner Flucht vor Eukratides, der Baktrien eingenommen
hatte, in Alexandria Bukephalas prägen ließ[74].
Dieser Antimachos nutzte, wie Miller herausarbeitete, jede
Möglichkeit, seine Herrschaft durch den Bezug auf Alexander den
Großen zu legitimieren: »Antimachus Nikephorus, ruling from
Alexandria Bucephala, must have hoped that by invoking the
imagery of Alexander he could reverse his family’s fortunes
against Eukratides«[75].
Diese Beobachtung Millers, die hauptsächlich auf dem Münzmotiv
des Herrschers zu Pferd im Stile des Alexandermosaiks beruht,
zog noch nicht die Ägis-Bronzen in Betracht, die Antimachos’
Münzprogramm um einen weiteren Typ, der leicht auf Alexander
bezogen werden konnte, erweiterten.
Auch die Münzen des Seleukidenkönigs
Alexander (150–147) könnten in dieser Weise zu deuten sein.
Dieser Alexander übernahm ebenfalls das Ägismotiv von Antiochos
IV. und prägte Bronzemünzen, deren Revers den Pegasos zeigten.
Während die Bildkombination dieser Münzen zunächst so verstanden
werden sollte, dass hier zwei Werkzeuge des Zeus, sein
Donnerfell und sein Bote, dargestellt werden, war insbesondere
die Ägis im Avers wohl auch im Hinblick auf das Bemühen des
Usurpators Alexander Balas zu verstehen, sich durch Bezugnahme
auf Alexander den Großen Legitimität zu verschaffen[76].
Sind diese Formen der imitatio
Alexandri zunächst noch mehrdeutig, so wird letztere im
ausgehenden zweiten Jahrhundert, also gut fünf Dezennien später,
manifester. Der ›Alexander vom Pontos‹, Mithradates VI., lässt
zwischen etwa 90 und 85 immense Mengen von Messingmünzen in
verschiedenen Städten der Schwarzmeerküste prägen[77].
Alle tragen auf der Vorderseite die Ägis in ihrer achteckigen
Ausformung, während die Rückseite eine palmzweigtragende Nike
aufweist (Abb. 19)[78].
Diese Bildkombination ist in ihrer Betonung der Siegesgewissheit
auffallend ähnlich den Prägungen des Antimachos II. Noch
verblüffender ist die Tatsache, dass Mithradates VI. mit dem
formatfüllenderen, oktogonalen einen anderen Ägistyp wählte. Es
handelt sich somit um genau den Typ, den Gkikaki auch für die
Südmauer der Akropolis rekonstruierte. Dass pontische Münzen von
athenischer Kunst beeinflusst waren, ist kein Zufall:
Mithradates hatte in seinem Kampf gegen Rom feste diplomatische
Bande mit der einstigen Großmacht Athen geknüpft. In den Jahren
89 bis 87 scheint er direkten Einfluss auf Athen ausgeübt zu
haben, der sich wiederum in den attischen Tetradrachmen
niederschlägt, die als Beizeichen den mithradatischen Pegasos
aufweisen[79].
Pontische Ägismünzen finden sich dann auch in Gesellschaft mit
attischen Bronzemünzen im ›Piraeus-Hoard‹ – eine seltene
Vermischung von Bronzegeld aus weit auseinander liegenden
Regionen[80].
Eine interessante Wiederholung des
Ägismotivs findet sich im kappadokischen Eusebeia, vermutlich in
der Regierungszeit des kappadokischen Königs von Roms Gnaden,
Archelaos (36–17 n. Chr.). Dort wurden heute recht seltene
Bronzemünzen geprägt, die im Avers die Ägis des Mithradates und
im Revers den Mons Argaios zeigen[81].
Thomas Ganschow sieht hierin eine Bezugnahme auf die unter
Mithradates VI. geprägten Münzen, was auch die Größengleichheit
zu bestätigen scheint. Für die Hypothese einer Bezugnahme auf
Mithradates scheint es einigermaßen misslich, dass der
Urgroßvater des Archelaos ein von diesem abtrünnig gewordener
Feldherr gewesen war[82].
Vielleicht stellt man das Ägismotiv dieser städtischen Prägung
am ehesten in Verbindung mit den in dieser Periode dort
ebenfalls vorkommenden Büsten des Zeus und der Athena[83].
Kaum zu trennen von den zuvor
besprochenen Ägismünzen ist ein weiterer, unter Mithradates
massenhaft ausgeprägter Münztyp. Es handelt sich um ein deutlich
größeres Messingnominal, das im Avers den Kopf der Athena
Parthenos zeigt, während auf dem Revers Perseus steht: frontal
dem Betrachter zugewandt, hält er das abgetrennte Medusenhaupt (Abb.
21); der zugehörige Körper liegt ihm zu Füßen[84].
Die Hinwendung des Perseus zum Betrachter verleiht der
Bildkomposition etwas Triumphales, indem der Blick des Helden
mit dem tödlichen Blick der Medusa konkurriert. Auf diese Weise
wird die Bedeutung des Perseus hervorgehoben, die für
Mithradates VI. enorm war, stellte er doch die Brücke dar
zwischen Hellenen und Persern, als deren Herrscher, in der
Nachfolge Alexanders und Dareios’, sich Mithradates verstand[85].
Medusa wird hier tatsächlich nur in der Rolle des Opfers gezeigt
(vgl. oben).
Eine andere Aussage dürfte den
Bewohner des kilikischen Soloi zu unterstellen sein, wenn sie
sich des Münzbildes der Ägis bedienen. Dort wurden, ebenfalls um
die Wende vom 2. zum 1. Jh., Bronzemünzen emittiert, die im
Avers eine sechszipflige Ägis mit geflügeltem Gorgoneion
aufweisen, also wiederum den ›seleukidischen‹ Typ zum Vorbild
haben. Im Revers scheint sich eine auf einem Stier reitende, mit
Polos versehene Aphrodite auf einen Gründungsmythos zu beziehen.
Für die Ägis eröffnen die für Soloi verfügbaren Informationen
zwei Deutungsmöglichkeiten: Sie könnte der Athena zugehören, die
offenbar die Polias Solois war, deren Attribut allerdings in
dieser Stadt zumeist die Eule ist, und die nie mit einer Ägis
auftritt. Die Ägis könnte aber auch auf den durch Arrian
belegten Besuch Alexanders im Jahr 333 verweisen[86].
Dies scheint umso wahrscheinlicher, als Soloi über weite Teile
des 2. Jhs. zum seleukidischen Herrschaftsgebiet zählte und
deshalb mit der Bedeutung der alexanderbezogenen Ägis-Symbolik
vertraut war. Es ist darüber hinaus auch denkbar, dass Soloi mit
dem Konzept der Ägis als Repräsentation Alexanders bereits in
der Zeit seiner ptolemäischen Besatzung im 3. Jh. in Berührung
kam[87].
Auftreten auf römischen Münzen
Die starke Politisierung der Motive
Gorgoneion und Aegis wird auch in der Münzprägung der
ausgehenden römischen Republik spürbar. Auffallend ist zunächst
– nachdem keines der beiden Motive eine eigenständige Rolle in
der römischen Münzprägung gespielt hatte[88]
– ein verdichtetes Vorkommens in den Jahren 47 und 46[89].
Den Auftakt bilden die 47 Rom geprägten Denare des L. Plautius
Plancus, der auf der Seite der Caesarianer stand (Abb.
22)[90].
Der Revers wurde von Gerold Walser überzeugend gedeutet als die
Wiedergabe eines Gemäldes des Nikomachos von Theben, welches
sich im Besitz der Plancii befand[91].
Gezeigt wird Nike inmitten von vier Pferden, die sie an den
Zügeln packt und somit eine Quadriga zum Sieg führt. Die
Tatsache, dass der Betrachter das Gesicht der Siegesgöttin
erkennen kann, ist keinesfalls einer Laune des Stempelschneiders
geschuldet, sondern beruht auf der Nähe des Münzbildes zum
Original des frühellenistischen Malers Nikomachos, der mit
diesem Detail die immense Anstrengung betonen wollte, die Nike
unternahm[92].
Es scheint mir bemerkenswert, dass
die Motivkombination ›Ägis/Nike‹ letztlich identisch ist mit den
hellenistischen Geprägen von Nikomachos II. (dessen Name darin
referiert wird) und Mithradates VI. Nach Walser »priesen die
Plautiermünzen nicht nur mehr die alte Größe der Gens, sondern
auch ihren Kunstsinn«[93].
Das mag stimmen[94].
Dennoch ist Michael Crawford beizupflichten, wenn er vermutet,
dass das Siegesgespann im Revers ebenso gut auf die
Sieghaftigkeit Caesars bezogen worden sein könnte[95].
Hierfür macht der britische Gelehrte v. a. geltend, dass sich
dieses Motiv auch auf Gemmen der späten Republik findet. Das
Gleiche gilt für das Medusenhaupt, das je nach Stempel immer
wieder andere Gesichtsausdrücke aufweist und die Lust der
Stempelschneider am Grausig-Grotesken vermittelt[96].
Es gibt weitere Hinweise darauf, dass das Gorgoneion als
siegverheißendes Zeichen für Caesar gedeutet werden kann. Da
sind zunächst die Messingmünzen, die ein C. CLOVI im Jahr 45 für
Caesar prägen ließ, und auf deren Revers Minerva einen Schild
trägt, der ein übergroßes Gorgoneion aufweist[97].
Und da sind schließlich die Denare des Manlius Cordius Rufus aus
dem Jahr 46 (Abb. 23)[98].
Crawford deutet das Prägeprogramm
dieses Münzmeisters mit Ausnahme eines Dioskurenmotivs, das der
Familienthematik geschuldet ist, als durchgehend »Caesarian«.
Folgt man dieser Deutung, so verweisen der Avers mit der Eule
und dem korinthischen Helm auf die Weisheit und Wehrhaftigkeit
der Athena, während der Revers mit der Ägis ihre tödliche
Bewaffnung zeigt. Diese Eigenschaften würden dann, eine andere
Deutung erlauben die politischen Umstände im Rom dieser Zeit
kaum, Caesar zugutekommen[99].
Möglicherweise war die Ägis im Revers als konkreter Bezug auf
die goldene, in Athen an prominenter Stelle angebrachte
Seleukiden-Ägis zu verstehen. Sei es als Hinweis darauf, dass
der Münzmeister mit der Topographie Athens vertraut war, sei es
als indirekte Alexander-Reverenz[100].
In der Kaiserzeit kommt die (seitlich
dargestellte) Ägis vornehmlich als Element des kaiserlichen
Kostüms vor. Es war Nero, der sie mit seiner Bronzeprägung in
das römische Münzwesen einführte. Bastien vermutet, dass dieses
Bildelement, vermittelt über die alexandrinische Münzprägung,
letztlich auf ptolemäische Traditionen zurückzuführen ist[101].
Dabei ist ein direkter Bezug auf Alexander den Großen
keinesfalls auszuschließen, wie Bastien vorzüglich
herausgearbeitet hat, der in der so zur Schau gestellten Ägis
einen »retour aux conceptions hellénistiques« und darin primär
das Instrument Jupiters sehen möchte[102].
Nur ganz selten ist bei den Kaisern
das Gorgoneion der Ägis klar erkennbar, noch seltener wird es
frontal dargestellt[103].
Auf den Brustpanzern der Kaiser, die ab Hadrian mit großer
Detailtreue wiedergegeben werden, finden sich auf Prägungen,
deren Stempelschnitt sichtlich heraussticht, gelegentlich
einzelne Gorgoneia auf den Brustplatten, wie sie aus der Glyptik
bekannt sind. Diesen Gorgonenhäuptern dürfte noch am ehesten die
vielbesagte ›apotropäische‹ Funktion zuzuschreiben sein[104].
Dies gilt dann wohl auch für als Schildzier verwendete
Gorgoneia, wie sie in der römischen Münzprägung sporadisch
begegnen[105].
Als formatfüllendes Motiv begegnen
Gorgoneion und Ägis indes nur einmal in der Römischen
Kaiserzeit: In den Jahren 207–208 n. Chr. findet sich ein
ähnlich auffällig verdichtetes Vorkommen dieser Motive, wie es
etwa 250 Jahre zuvor in der Römischen Republik und 615 Jahre
früher in Syrakus der Fall gewesen war. Es sind sehr seltene
Aurei des Septimius Severus, die auf der Rückseite das
Gorgoneion sowie die Legende P M TR P XV COS III P P tragen, die
eine Datierung ins 15. Jahr der Machtübernahme dieses Kaisers,
also 207 n. Chr. erlauben (Kat. 24)[106].
Der Blick dieser pausbackigen, an den Schläfen mit Flügeln
versehenen Medusa wirkt recht versonnen und weist nach rechts.
Im gleichen Zuge mit diesen Geprägen dürften die Medusenaurei
des Caracalla entstanden sein, bei denen der Blick nach links
weist, und die mit der Legende PROVIDENTIA versehen sind (Abb.
25)[107].
Mit diesen wiederum sind die Denare gleichen Typs zu verbinden,
bei denen die Blickrichtung der wenigen bekannten Exemplare
wiederum nach rechts weist[108].
Daneben existiert ein einziges Exemplar eines Denars mit dem
Bildnis des Caracalla im Avers und dem Medusenkopf samt der
Legende P M TR P XI COS III P P, der also im 11. Jahr der
Erhebung Caracallas zum Augustus, mithin 208 n. Chr. geprägt
wurde[109].
Darüber hinaus wurden sowohl mit den Portraits des Septimius
Severus als auch des Caracalla Denare mit Ägis-Rückseite
geprägt, die ebenfalls die Legende PROVIDENTIA tragen und
demnach ebenfalls 207 oder 208 n. Chr. geprägt worden sein
dürften (Abb. 26)[110].
Obwohl die severischen
Ägis-Medusa-Münzen zu den großen Raritäten dieser Zeit gehören,
deutet die breite Varianz – zwei verschiedene Nominale; zwei
verschiedene Kaiser; zwei verschiedene Datierungen – darauf,
dass diese Münzen ursprünglich nicht ganz so selten gewesen sein
könnten. Als Bekräftigung dieser Vermutung sei vorweggenommen,
dass Motiv und Legende von einem sechzig Jahre später
regierenden gallischen Usurpator übernommen wurden, die antike
Rezeption dieser Münzen also bedeutend gewesen sein dürfte.
Historisch treten zwei Ereignisse in
den Blickpunkt, die zur Wahl dieser außergewöhnlichen
Reversmotive beigetragen haben mögen: Das 15- und 10-jährige
Regierungsjubiläum 207 n. Chr. und der Aufbruch in den
Britannienfeldzug 208 n. Chr. Bei der Interpretation ist es
methodisch geboten, ein mögliches Prägeprogramm zu
rekonstruieren, aus dem sich eine Bildaussage der
Medusenprägungen ableiten lässt. In der Forschung wird darauf
verwiesen, dass im Jahr 207 n. Chr. weitere Aurei geprägt worden
seien, die im Revers diverse ›Köpfe‹ aufweisen und somit
miteinander in Verbindung stehen könnten[111]:
Ebenfalls frontal gezeigt wird der
Kopf des Zeus Ammon, gekoppelt mit dem Aversportrait des
Septimius Severus, umrahmt von der Legende IOVI VICTORI[112].
Als Linksbüste dargestellt wird die behelmte Roma,
gekoppelt mit der auf die zehnte Tribunicia Postestas des
Caracalla verweisende Legende, dessen Portrait die Vorderseite
ausfüllt[113].
Als drittes Reversbildnis begegnet das der Minerva,
gekoppelt sowohl mit dem Vater als auch mit dem Sohn sowie
verschiedenen Legenden[114].
Dann wird das ›Portrait‹ des Jupiter (IOVI CONSERVATORI)
mit dem des Senior-Kaiser gezeigt[115].
Und schließlich wird Sol als PACATOR ORBIS in gleicher
Weise dargestellt wie der als Rechtsbildnis gezeigte Septimius
Severus.
Bei dieser Reihung ist zu beachten,
dass in Wirklichkeit nur die Motive ›Roma‹ und ›Minerva‹ (sowie
selbstverständlich die Gorgonenmünzen) zweifellos in das Jahr
207 n. Chr. zu datieren sind[116].
Auch wenn sich aus den vorgenannten Rückseiten ein schlüssiges
Prägeprogramm ergäbe, so muss sich die Interpretation doch auf
die vier Reverstypen beschränken, die sicher 207 (und teils auch
noch 208 n. Chr.) geprägt wurden: Minerva, Gorgo, Ägis (beidmals
PROVIDENTIA) und Roma (RESTITVTORES VRBIS).
Darüber hinaus scheint es methodisch
geboten, die Bedeutung der Reverslegenden zu ergründen. Diesen
Weg beschritt bereits Joseph Eckhel, indem er bemerkte, dass das
Gorgoneion aufs Engste mit Minerva verbunden ist, und die
PROVIDENTIA-Münzen als ein Supplement zu dieser dea
Providentiae betrachtete, woraus sich ein
komplementäres Verhältnis zwischen den drei Motiven Gorgo, Ägis
und Minerva ergäbe[117].
Es versteht sich von selbst, dass diese Münzen nicht allein der
Huldigung der Minerva dienten, sondern dass die hier beschworene
Providentia zugleich auch eine Eigenschaft der severischen
Kaiser darstellt, wie die Providentia auch zuvor, als sie von
einer Personifikation dargestellt wurde, immer die kaiserliche
Voraussicht gewesen war[118].
Möglicherweise birgt die Wahl dieser neuartigen
Providentia-Formel auch einen wortspielerischen Aspekt. Nun
begegnet ein Frontalbildnis der Gorgo Medusa bzw. einer Ägis,
dessen Wirkung maßgeblich auf deren (An-)Blick (visio)
beruht. In jedem Fall ist das Gorgoneion als ein pars pro
toto für die Ägis der Minerva zu verstehen, wie es auch
bereits für die republikanischen Denare mit diesen beiden
Motiven zu vermuten stand.
Bedeutend scheint auch die Tatsache,
dass diese bemerkenswerte Münzrückseite so wirkungsstark und
aussagekräftig war, dass sie von dem gallischen Usurpator
Victorinus 269 n. Chr. mit der Legende PROVIDENTIA AVG
wiederholt und durch das Genitivattribut unmittelbar auf den
Kaiser bezogen wurde[119].
Bernhard Schulte setzt diese Rückseite selbstverständlich in
Bezug auf die kaiserliche Providentia: »Die Darstellung der
Medusa mit der Legende PROVIDENTIA AVG ist wohl programmatisch
zu verstehen: Die weise Vorsorge des Kaisers wird alle Übel
fernhalten und dadurch die FELICITAS SAECVLI heraufführen«[120].
Den ›apotropäischen‹ Aspekt, der in Schultes Deutung
mitschwingt, kann man getrost außer Acht lassen, wenn man die
Funktion der Ägis in der Hand des Kaisers betrachtet. Er konnte
damit minervagleich seine Feinde bezwingen:
Pallas’, der Zürnenden, Wehr, die
Entsetzen verbreitende Aigis,
Putzt wetteifernd man dort mit
Gold und Schuppen von Schlangen;
Auch das verschlungne Gewürm
und Gorgo selbst auf der Göttin
Brust, wie die Augen sie
wälzt im Kopf mit zerschnittenem Halse[121].
Mit dem Bildnis der Gorgo Medusa
liegt übrigens eines der spätesten Zeugnisse origin griechischer
Ikonographie auf römischen Münzen vor. Unter Victorinus war es
ein letztes Mal Hauptmotiv einer Münze. Auf dem kaiserlichen
Brustpanzer tritt es zuletzt unter Julianus Apostata auf.
Zusammenfassung
Die diachrone Betrachtung des
Bildmotivs ›Gorgoneion‹ sowie der eng damit verbundenen Ägis
unter dem Gesichtspunkt der Frontalität ergab einige Befunde,
die noch einmal kurz in Erinnerung gerufen werden sollen.
Um die Gefährlichkeit des Blicks zu
inszenieren, bedienten sich die für die Stempel verantwortlichen
Künstler verschiedenster Mittel. Neben der besonderen Betonung
der Augenpartie sind dies: Verdopplung des Gorgoneions,
Hervorhebung einer Stirnfalte zur Verdeutlichung der
Anstrengung, ›schräges‹ Blicken, demonstrative Abwendung des
Perseus vom Gorgoneion.
Was die Bildaussage anbelangt, so
gibt es keinen Hinweis darauf, dass ein ›apotropäischer‹ Effekt,
wie immer dieser genau zu verstehen sein sollte, für die
Herausgeber von Münzen mit Gorgoneion irgendeine Rolle gespielt
haben könnte. Diese Funktion scheint hauptsächlich auf den
architektonischen Kontext und gewisse Gebrauchsgegenstände
beschränkt gewesen zu sein. Auch für einen solar-astralen Aspekt
des Gorgoneions, wie er gelegentlich in der Forschung diskutiert
wurde, fand sich für das Medium der Münze kein Hinweis.
Dagegen erschließt sich aus der
diachron-vergleichenden Perspektive ein überraschend starker
politischer Aspekt des Gorgoneions. Während in der Frühzeit der
Münzprägung die konkreten Motivationen der Motivwahl zumeist
noch im Dunkeln bleiben, wird bei den attischen Gorgoneia
erstmals ein politischer Anlass greifbar.
Neben der Hervorhebung von
Patriatraditionen, die zumeist mit Erzählungen von Perseus
und/oder Athena zusammenhängen, scheint sich hinter dem
Gorgoneion seit dem beginnenden 5. Jh., vermittelt über Perseus,
gelegentlich ein Bekenntnis zur Herrschaft der Achaimeniden zu
verbergen.
Im Sinne eines Bilderstreits zeichnet
sich daneben seit der zweiten Hälfte des 5. Jhs. hinter dem
Gorgoneion gelegentlich bei mit Athen konkurrierenden Städten
und Herrschern die Behauptung ab, von Athena besonders
begünstigt zu sein.
In hellenistischer Zeit deutet sich
dann eine Verbindung der mit einem Gorgoneion verzierten Ägis
mit Alexander dem Großen ab. Dieser Aspekt dürfte, von Nero
wieder aufgegriffen, auch eine Rolle für die Verwendung der Ägis
durch römische Kaiser gespielt haben.
Das Gorgoneion selbst spielte in
römischer Zeit kaum noch eine Rolle für die offizielle
Münzprägung. Seine Verwendung verengte sich auf einen
Bestandteil des kaiserlichen Brustpanzers, auf dem es am ehesten
noch die ›apotropäische‹ Wirkung entfalten konnte, die ihm sonst
stets zugeschrieben wurde und wird.
*
Mit Dank an Marc-Philipp Wahl, Hristina
Ivanova-Anaplioti, Katharina Martin, die beiden anonymen
Gutachter(Innen?) sowie die TeilnehmerInnen des
Online-Workshops »Wiener numismatische Gespräche« vom
25.6.2021, die mich auf einige gelochte
Gorgoneion-Münzen aufmerksam machten.
Jahresangaben verstehen sich
im Folgenden als »v. u. Z.«. Wenn nicht, ist dies eigens
angegeben.
Wegen der ikonografischen
Fragestellung werden die Münzen im Text einheitlich groß
wiedergegeben. Im PDF-Anhang sind die Münzen in Originalgröße abgebildet.
[1] In
Vorbereitung befinden sich die folgenden Themen: Löwen,
Apollon, Athena. In Druck ist ferner eine Studie zu den
Frontalbildnissen der Licinii (JNG 2021).
[2]
Einzelbeobachtungen finden sich zudem bei Göbl 1978, Bd.
I, 137, 139; R.-Alföldi 1978, 104 f. (haupts. zu techn.
Aspekten), 124, 161, 171–174, 200 f. und Langford 2013
(s. v. frontality, Marsden 1997 ignorierend). Die
frontalen römischen Bildnisse behandelt Bastien 1992,
Bd. I, 305–320. Eine eingehende Darstellung der
wissenschaftlichen Beschäftigung mit Frontalität, von
der Großplastik bis zur kleinformatigen Flächenkunst,
befindet sich in Vorbereitung. Als Überblick ist vorerst
zu empfehlen: Zaloscer 1969, 59–69.
[3] Dazu
grundlegend Simon 1992, der die Bemerkungen von
Empedokles, Theophrast, Aristoteles, Pythagoras,
Chrysipp und Galen u. a. zum Sehen und insbesondere die
Abhandlungen zur Optik von Euklid und Ptolemaios einem
neuen Verständnis zuführt. Simon kommt zu dem Schluss,
dass die in der Aufklärung entstandene »Opposition
zwischen dem wahrnehmenden Subjekt und dem
wahrgenommenen Objekt« so nicht auf das antike Sehen,
das ja immer auch eine Erkenntnisform ist, übertragbar
ist (Simon 1992, 20, 210). V.a. ist zu beachten, dass
der antike Sehstrahl die Welt regelrecht ›ertasten‹
konnte und dass die Optik erst in der Neuzeit zu einer
»Theorie vom Licht« wurde, während die antike Optik
umfassender ist.
[4] Rakoczy
1996; Seligmann 1910.
[5]
Steinhart 1995; Smith 1997; Safran 2006.
[6] So
gelingt es Numismatikern zumeist, um nur ein Beispiel zu
nennen, den ›brennenden‹ Blick des Sonnengottes Helios
bei entsprechenden Frontaldarstellungen zu deuten. Fast
nirgends beachtet wird indes, dass aus den Augen auch
aller Abkömmlinge des Zeus »ein Feuerschein blitzt«
(Apollod. 2,4,9).
[7] Haymann
2021a und Haymann 2021b.
[8] So z. B.
Safran 2006 in ihrem programmatischen Aufsatz.
[9] Zu
diesen vorläufig Barasch 1991, 118.
[10] Als
Leitstudie hierzu könnte bspw. Morin 2013 dienen, der
über Renaissanceportraits handelt und dessen Kenntnis
ich Barbara Pavlek verdanke. Den Inhalt stellte mir
David Weidgenannt freundlicherweise bereit.
[11]
Durchaus begegnen in den daraufhin leicht durchsuchbaren
Datenbanken Münzen mit Gorgoneia, die eine antike
Lochung aufweisen, also offenbar als Amulette getragen
wurden: a)
Hemidrachme, Neapolis, b)
Hemidrachme, Parion, c)
Hemidrachme, Neapolis, d)
Bronze, Amisos. Vgl. auch Abb.
11 in diesem Beitrag (Bohrversuch im Avers). Aus
meiner Sicht sind solche Sekundärverwendungen an
Gorgoneion-Münzen jedoch nicht häufiger zu beobachten
als bei anderen Bildmotiven. Bemerkenswert erscheint,
dass das Loch in den meisten Fällen (a, c, d) eben nicht
so angebracht wurde, dass das Gorgoneion den Betrachter
anblickte. Vielmehr scheint die korrekte Ausrichtung
unbedeutend gewesen zu sein, was z. B. für gelochte
Münzen mit Kaiserbildnis außergewöhnlich ist.
[12] Floren
1977, 5 bezeichnet das Gorgoneion als den
»meistdargestellte(n) Gegenstand der griechischen
Kunst«. Potts 1982, 80 kennt – auf einem Forschungsstand
vor 1930 basierend – 38 Prägestätten mit
Gorgonenmotiven. (Vorliegende Studie umfasst 37 Poleis.
Die Zahl ließe sich jedoch leicht auf 50 erhöhen.) Würde
man die Häufigkeit griechischer Münzbilder statistisch
erfassen, würde das Gorgoneion vermutlich hinter den
Darstellungen von Athena und Herakles rangieren.
[13] Eine
rein numismatische, größer angelegte Studie zum
Gorgoneion ist mir nicht bekannt. Stattdessen wurden
Münzen immer wieder in archäologische und
kunstgeschichtliche Betrachtungen zur Gorgo und zum
Gorgoneion integriert. Six 1885 interessierte sich in
seiner grundlegenden Arbeit hauptsächlich für Typologie,
Chronologie und Herkunft des Gorgoneions, wobei sein
Bemühen, Münzen gleichberechtigt in sein Corpus zu
integrieren, vielleicht zu dessen Komplexität beitrug.
Einen breiteren Ansatz verfolgte Furtwängler in seinem
enzyklopädischen Beitrag zu Roschers Mythologischem
Lexikon, der die Six’sche Typologie auf den Archaischen,
Mittleren und Schönen Typus reduzierte und gelegentlich
Münzen berücksichtigte. Auch Besig, der sich auf die
archaischen Gorgoneia konzentriert und Furtwängler nur
in wenigen Aspekten ergänzen oder korrigieren konnte,
nimmt Münzen in sein Corpus auf, ohne ihnen indes eine
eigenständige Gewichtung zuzugestehen. Dies zeigt sich
paradigmatisch an seiner Behauptung, S. 115, das
Gorgoneion im makedonischen Neapolis schaue nach unten,
was er darauf zurückführen möchte, dass
Dachschmuck-Gorgoneia als Bildvorlage gedient hätten.
Floren schließlich, der sich hauptsächlich mit dem
Mittleren Gorgoneion-Typus befasst, lässt die Münzen
außen vor, da sie ihm – zurecht – in seiner streng
typologisch angelegten Studie als wenig dienlich
erscheinen. In den LIMC-Beiträgen zu Gorgoneia finden
viele der auch hier zu behandelnden numismatischen
Haupttypen Erwähnung und werden zumeist
bildgeschichtlich eingeordnet. Eine historische
Einordnung erfolgte, der Ausrichtung des LIMC gemäß,
nicht. Die Hauptautorin, Ingrid Krauskopf, erkannte
offenbar das Potenzial einer solchen Fragestellung und
kündigte eine eigene numismatische Studie an, die
bislang nicht vorlegt wurde.
[14] Erhart
1979, 288. Siehe auch ihre Kategorien, Erhart 1979, 287:
Face of Fear / Death.
[15] Vgl.
hierzu nur Steinhart 1995, 107, auf den Kontrast
zwischen dem toten Achill, dargestellt mit augenlosem
Helm, und dem Gorgoneion auf seinem Schild eingehend.
Siehe auch Besig 1937, 12.
[16] An
solchen ist die Sekundärliteratur zum Gorgoneion nicht
arm. Zuletzt wollte Stephen Wilk erweisen, dass es sich
bei Medusa im Kern um die Verbildlichung verwesender,
menschlicher Leichen handle (Wilk 2008, 226).
[17]
Krauskopf 1988, 329. In ihrem LIMC-Artikel zu Gorgoneia
benannte Ingrid Krauskopf die Notwendigkeit einer
eigenen numismatischen Studie dieses Bildmotivs, die
bislang jedoch nicht publiziert wurde.
[18] So
Krauskopf 1988, 329, in Bezug auf hellenistische
Gorgoneia. Ivanova 2017, 90 geht sogar so weit, das
Gorgoneion von dem Medusenmythos zu trennen.
[19] Zur
politisch-medialen Funktion von Vasen s. z. B. Hartswick
1993, 285.
[20]
Krauskopf 1988, 288–290. Unterscheidet zwischen dem
archaischen (ab 620), dem mittleren (5. und 4. Jh.) und
dem schönen Typ (bereits ab 450) sowie Misch- und
Übergangsformen dieser Typen. Der archaische Typ ist
geprägt von einem geöffneten Mund mit sichtbaren Zähnen
und herausgestreckter Zunge (290–292), den mittleren Typ
charakterisieren eher menschliche Gesichtszüge,
monströse Hauer, meist herausgestreckte Zunge und oft
querovale Gesichtsform. Beim schönen Typ ist das
Monströse nur noch am Schlangenhaar erkennbar, das dann
zumeist auch vor dem (kaum sichtbaren) Hals verknotet
ist.
[21] Hom.
Il. 11,36: τῇ δ᾽ ἐπὶ μὲν Γοργὼ βλοσυρῶπις ἐστεφάνωτο /
δεινὸν δερκομένη, περὶ δὲ Δεῖμός τε Φόβος τε. Übers.:
FH.
[22] Hes.
theog. 274–286; Ov. met. 4, 798; 6, 119.
[23]
Apollod. 2,4,2–3.
[24] Zur
Abkehr von der Perseuserzählung aufgrund der Bevorzugung
des Theseus als Stadtheros nach 510 s. Hartswick 1993,
besonders 291.
[25] Eur.
Ion 989,1478.
[26]
Krauskopf 1988 vermutet Ephesos als Prägestätte, gibt
jedoch keinen Hinweis, worauf diese Vermutung beruht.
Ein Münztyp, den Krauskopf weder anführt, noch überhaupt
kennen konnte, könnte tatsächlich in diese Richtung
weisen: Aus der sehr frühen Prägephase von Ephesos
tauchten in jüngerer Zeit silberne Drittel-,
Vierundzwanzigstel- und Zwölftelstatere (Auktion
Naumann 91, 2020, 747) im Münzhandel
auf, die ein Gorgoneion im Avers tragen.
[27] Anders
als Krauskopf 1988, 289 mit ihrer Einordnung dieser
Münzen in die Gruppe der »Isolierte(n) Gorgoneia«
suggeriert, lassen sie sich gut den archaischen,
östlichen Gorgoneia, Nrn. 50–59, zuordnen.
[28]
Weidauer 1975, 45. Spätere Untersuchungen dieses
Münztyps, etwa im Rahmen des White-Gold-Projekts, sind
mir nicht bekannt.
[29] Zur
Dopplung mythischer Figuren, darunter auch die Gorgo, s.
Schauenburg 1960, 44.
[30] Rakozcy
1996, 47 Anm. 31.
[31] Rakoczy
1996, 92: »Auch die Gorgo ist so nur das Ergebnis der
ins monströse gesteigerten menschlichen Blickfurcht
(…)«. Um diese Wirkung beim Betrachter hervorzurufen,
bietet es sich zunächst an, das Gorgoneion vollfrontal
darzustellen. Nur ganz selten begegnet es im Profil.
Eine besonders elegante Lösung, die Gefährlichkeit des
Gorgonenblicks bildlich hervorzuheben fand der
kyzikenische Stempelschneider, der auf einer kleinen
Emission von Elektronhekten Perseus mit dem abgetrennten
Gorgonenhaupt zeigt: Während Perseus seinen Blick davon
abwendet (sichtbar gemacht durch den rückwärtsgewandten
Kopf), blickt die Gorgo starr geradeaus (jedoch nicht
zum Betrachter, der hierdurch versteinert werden
könnte). Den Gedanken der Blickfurcht scheint dann Mack
2002, wenn ich ihn richtig verstanden habe, in seinem
etwas diffusen Aufsatz auszuwälzen.
[32] Vgl.
hierzu zuletzt Hilbert 2018, 76 f.
[33]
Steinhart 1995, 115. Vgl. auch Macr. Sat. 1,20,3, der
auf diese Herleitung näher eingeht und erläutert, dass
Schlangen wegen ihres wachsamen und scharfen Blicks
vorzüglich zur »Bewachung von Tempeln, Heiligtümern,
Orakeln und Schätzen« (Ü.: Schönberger) geeignet seien.
[34] Sheedy
2006, 67. Die Zuweisung des hier abgebildeten Stücks
durch den Verfasser des Auktionskatalogs, aus dem das
abgebildete Stück (Nr. 4) stammt, ist in mehreren
Punkten falsch. Er schreibt: »Trotz kleinerer
stilistischer Abweichungen zur bekannten Drachmenprägung
scheint die Zuweisung an Parion doch die einzig
denkbare, da das Stück sich dort perfekt in das
Nominalsystem einordnet und auch die Art des Incusums
äußerst ähnlich ist«. Weder das Gorgoneion noch das
Incusum finden irgendeine Parallele in der großen
stilistischen Bandbreite der parischen Prägungen. Auch
der Hinweis auf den Münzfuß ist irrig: Bei einem
Drachmengewicht von etwa 4 g ergäben sich 16 g für die
Tetradrachme (also das phokaische Gewicht), während das
angesprochene Stück gerade einmal 14,34 g wiegt.
[35] Kroll
1981.
[36]
Hartswick 1993, 283, basierend auf einer Untersuchung
der archäologischen Überlieferung attischer
Kunstproduktion, wobei er ein Ausbleiben des Gorgoneions
auf Athena-Darstellungen von etwa 515 bis 460
feststellte.
[37] Den
besten typologischen Überblick bietet nach wie vor
Gaebler 1935, 79–83. Bei den Emissionen ab Typ 4 hat man
den Eindruck, dass die Gorgo die Augen zusammenkneift.
Die Motivwanderung von Attika nach Makedonien führte
auch zu der Hypothese, dass Neapolis eine attische
Gründung gewesen sein könnte, nicht zuletzt unter dem
Verweis darauf, dass man dort auch eine Parthenos
verehrte, mit der allerdings die lokale Artemis gemeint
war. Immerhin beschlossen die Athener im Jahre 410/409
eine Stiftung für die Parthenos als Belohnung für die
Hilfe der Neapoliten bei der Eroberung von Thasos (IG I2
108 I). Der neapolitische Münzfuß und andere Indizien
sprechen indes für eine Gründung durch Thasos (von
Bredow 2000). Umso erklärungsbedürftiger ist indes das
Münzbild der Gorgo, das für die gesamte Münzprägung der
Stadt bis zur Annektion durch die Argeaden übernommen
wurde. Ohne dafür einen konkreten Beleg bieten zu
können, scheint sich mir in diesem Münzbild der Einfluss
Athens auf das nördliche Makedonien auszudrücken.
[38] s. nur
SNG Paris 5, Nr. 193 (Stater mit Perseuskopf), ebd.
310–313 (Münzen mit kniendem Perseus und Gorgonenhaupt);
Im ausgehenden 4. Jh. übernahm das mysische Gambrion
zudem das Gorgoneion von Parion auf der Rückseite einer
Kleinbronzenprägung von geringem Umfang (SNG Paris 5,
Nr. 938).
[39] Vgl.
den Katalogtext zu Auktion CNG Triton XVI, 2013, 437.
Dort wird eine Münzunion vermutet.
[40] Hdt.
6,33.
[41] Jessen
1914.
[42]
Krauskopf 1988, Nr. 103: »mit großem, aber ganz
menschlichem Mund«. Dem »mittleren Typus« zugeordnet.
[43] Rakoczy
1996, 45 mit 56.
[44] Vgl.
Rakoczy 1996, 160 f.
[45]
Steinhart 1995, 11.
[46] HGC 546
und 552. Ein weiterer Münztyp, bei dem das Gorgoneion
auf zahlreichen Stempeln schielt, ist Nr. 28.
[47] Es
handelt sich um Trihemiobole vom Typ HGC 1892 mit
Pegasos und Gorgoneion im Revers, die etwa um 450
eingesetzt haben dürften. Das Gorgoneion hat Krauslocken
und zwei Hauer, entsprechend Florens »Mittlerem Typus«
(vgl. Floren 1977, Taf. 6, Nr. 5).
[48] Ritter
2002, 19–34.
[49] SNG
Paris 2, Nrn. 108–115.
[50]
Obol mit Gorgoneion / Sphinx, SNG
Paris 476; Obol mit Gorgoneion / ›attischer‹ Eule,
Leu e12, 2020, 501; Tetartemorion
mit gleicher Motivkombination:
CNG e415, 2018, 249;
Bronze mit Pyramos / Gorgoneion,
SNG Paris 2, Nrn. 406–408.
[51] Der
Fall von Mallos ist komplex und erst zu entscheiden,
wenn eine sichere Datierung der erst in jüngerer Zeit
aufgetauchten Gepräge vorgenommen worden ist. Die
Kombination des Gorgoneions mit der im attischen Schema
dargestellten Eule könnte auch auf eine Annäherung an
Athen weisen. In jedem Fall bietet die Tatsache, dass
sich auf dem Territorium von Mallos das bedeutende
Heiligtum der Athena Magarsia befand, eine gute
Verankerung für ein Gorgonenmythologem.
[52]
SNG Paris 3, Nrn. 26–43.
[53]
SNG Paris 3, Nrn. 1912, 1928–1934; 1948–1955.
[54] SNG
Paris 3, Nr. 1530. Diese Obole dürften im 3. Jh. geprägt
worden sein und zeigen neben dem Gorgoneion im Avers
eine Sichel im Revers. Bei der Sichel handelt es sich um
so etwas wie das Stadtwappen Etennas, hinter dem sich
nach Nollé 1992, 66 f. die aretè seiner Krieger
verbergen soll. Das mag sein. Dennoch scheint die
Bildkombination auf den genannten Obolen explizit auf
den Perseusmythos zu verweisen und sei es in dem Sinne,
dass man sie dahingehend verstehen konnte, die
etennischen Krieger seien so tapfer wie Perseus.
[55] De
Callataÿ – Doyen 1987 datieren die frühen Obole vom Typ
»Gorgoneion/Athenakopf« bereits um 450. Dass sie dem
persischen Gewichtsfuß folgen, wie Nollé 1999, Nr. 329
meint, ist nicht erwiesen (vgl. de Callataÿ – Doyen
1987, 63 Anm. 3).
[56] HGC
546; Thuk. 3,86,2.
[57] HGC
462–473.
[58] Kraay
1964, Nr. 23. Erst spät, als die Insel längst unter der
Herrschaft Athens steht, erscheint auch Athena auf
melischen Münzen, z. B. HGC 825, 828, 831 (alle datiert
ca. 200–180).
[59]
Boehringer 1992, 79. Das attische Vorbild aus der Zeit
um 410: Krauskopf 1988, 302, Nr. 176.
[60]
Der schöne Typus
scheint mit der erstmals beim sizilischen Mythographen
Euhemeros (4. Jh.) vorzufindenden Erzählung in
Verbindung zu stehen, wonach Gorgo mit Athena in einen
Schönheitswettbewerb trat, wofür Letztere sie mit dem
Tod bestrafte (Apollod. 2,4,3, vgl. Cic. Verr.
4,56,124).
[61]
Lichtenberger 2015, 230 weist darauf hin, dass auch
Apollon bei Homer mit der Ägis ausgestattet wird. Dieses
Detail scheint sich jedoch nicht in der späteren
Überlieferung durchgesetzt zu haben, und auch in den
materiellen Zeugnissen findet sich kein Apollon mit
Ägis.
[62] Zur
Datierung und Lokalisierung: Ashton 1987.
[63]
Krauskopf 1988, 330.
[64]
Krauskopf 1988, Nr. 118 mit S. 330.
[65]
Krauskopf 1988, Nr. 106 und S. 329 stützt sich auf
Litren von Segesta, wo ein Gorgoneion als Beizeichen
neben Swastika, Stern auftritt. Aus einem Beizeichen
jedoch sollte man keine weitreichenden Schlüsse ziehen.
[67] Paus.
5,12,4 mit 1,21,3. Dazu Habicht 1989, bes. 11 und Mittag
2006, 104 f. mit weiterer Literatur.
[68]
Mørkholm 1963, 23 f.
[69] Gkikaki
2020, 233 (Übersetzung: FH).
[70] Gkikaki
2020, 235.
[71] Bastien
1980, 251.
[72] Weiter
Belege bei Kühnen 2005, 15. Vielleicht ist die groß
angelegte Emission von Bronzemünzen mit nach rechts
blickendem Medusenkopf, die Seleukos I. fertigen ließ (SC
6–7 [Sardeis]; SC 8 [Magnesia am Mäander], SC 21–24
[Antiochia], SC 151–153 [Seleukeia am Tigris II), SC
191–193 [Susa], SC 224–225 [Ekbatana], SC 290 [Ai
Khanoum/Bactra]), als eine Reaktion
auf die ptolemäische Vereinnahmung der Ägis zu
verstehen. Das Medusenhaupt wäre somit ein pars pro
toto für die Ägis; der im Revers gezeigte stoßende
Stier stünde ebenfalls mit Zeus in Verbindung.
[73] Zur
besonderen Nähe des Antiochos IV. zu Zeus (in der
Nachfolge Alexanders d. Gr.) s. Mittag 2006, 142 f.
[74] Tarn
1951, 230 geht fehl, wenn er dieses Motiv als
»Gorgon-head« bezeichnet und es in der Nachfolge der
Gepräge des Demetrios sieht, der einen Schild mit
Gorgoneion auf manche Münzen prägen ließ. Den Münztyp
führt auch Six 1885, 68, der an gleicher Stelle auch auf
die rechteckigen Bronzen Menanders mit Gorgonenschild im
Revers hinweist.
[75] Miller
2008, 58.
[76] Der
Münztyp:
SC 1792. Der Pegasos begegnet in
der seleukidischen Münzprägung als Hauptmotiv sonst nur
auf Bronzen Seleukos’ II.,
SC 712. Ihm kam keine dynastische
Bedeutung zu, wie beispielsweise dem Anker oder Apollon.
Vgl. auch die Darstellung dieses Alexander mit einem
Gorgoneion auf einer Gemme, Six 1885, 73.
[77] Dazu
zuletzt ausführlich de Callataÿ 2007, bes. 282.
[78] Von
Gkikaki 2020 gedeutet als »glücksbringend«.
[79]
Zur Chronologie dieser Emission: de Callataӱ
1997, 305. Badian 1976, 105–128.
[80] CH III,
1976, Nr. 73 (niedergelegt 86), vgl. de Callataӱ 1997,
309.
[81]
Ganschow 2018, 26, der sich aufgrund dieser motivischen
Nähe für eine Datierung dieser Münzen zwischen 67/66 (=
Neugründung von Eusebeia) und »wenig nach 63«
ausspricht.
[83]
Ganschow 2018, 21–27.
[84] s.
Schauenburg 1960, 30 f., der vermutet: »Die Münzen
könnten auf ein Gemälde zurückgehen, das zur
Verherrlichung des Herrschers geschaffen wurde«. Zur
Datierung zuletzt de Callataÿ 2007, 282.
[85] McGing
1986, 93–102. Vgl. auch Klein 1968–1972, 28 und Kleiner
1955, 15 f. Beide betrachten die Ägis/Nike-Münzen jedoch
als reine Zeugnisse der Perseusgenealogie des
Mithradates VI. M. E. übergehen sie damit die
Möglichkeit, den triumphalen Charakter dieser
Motivkombination und auch die Bezugnahme auf Alexander
den Großen klar zu benennen.
[86] Arr.
an. 2,5,8; 6,4 sowie Strab. 14,5,17.
[87] Kühnen
2005, 15.
[88] Eine
Ausnahme mag ein Triens des Jahres 116/115,
Crawford 1974, Nr. 285/4, mit
Minervakopf und Aegis (also der gleichen
Motivkombination wie auf den oben besprochenen
Goldmünzchen Dionysios’ I.) dargestellt haben, der
bislang allerdings nur in einem Exemplar belegt ist.
Medusa begegnet einmal auf Denaren eines L. Cossutius
Sabula,
Crawford 1974, Nr. 395/1, wohl 74 oder 72 – bemerkenswerterweise im
Linksprofil. Im Revers kämpft Bellerophon mit dem
Pegasos. Die Verbindung, die Hollstein 1992, 80–83
zwischen diesen Münzen und dem römischen ›Piratenkrieg‹
der 70er und 60er Jahre zieht, ist plausibel. Aus der
hier verfolgten Fragestellung der Frontalität sei die
Vermutung ausgesprochen, dass die seitliche Darstellung
des Medusenhaupts der Abgrenzung zu den zu dieser Zeit
zahlreich im östlichen Mittelmeerraum kursierenden
Bronzemünzen mit frontalen Gorgoneion zirkulierenden
Münzen diente. Nur der Vollständigkeit halber sei
bemerkt, dass der Bellerophonmythos auch auf incerten
Silbermünzen nach attischem Gewichtsfuß aus dem 5. Jh.
in ähnlicher Weise thematisiert wird. Münzen vom Typ
Auctiones e54, 2016, 67 läuft die Chimaira im Avers nach
rechts. Im Revers befindet sich ein Gorgoneion vom
Schlangenkranz-Typus in einem inkusen Rechteck.
[89]
Ausgeschlossen von der Betrachtung sei hier der Denar
des C. Cornelius Lentulus (Crawford
1974, Nr. 445/1a und
Nr. 445/1b) aus dem Jahr 49 mit
einem Triskelis im Avers, dessen Zentrum ein frontales
Gorgoneion bildet. Es ist äußerst schwierig, das
Gorgoneion aus dem Kompositmotiv des Triskelis, der hier
selbstverständlich stellvertretend für Sizilien steht,
herauszulösen. Zu diesen Münzen und späteren Variationen
s. Paoletti 1988, 354, Nr. 125 (mit S. 361, wo erwogen
wird, ob das Gorgoneion nicht für die Sonne stünde;
ähnlich auch Krauskopf 1988, 330) und Küter 2014, 117.
Triskeles mit Gorgoneia begegnen zuerst freilich auf
Drachmen von Syrakus (HGC 1365), dann aber kurioserweise
auch auf einer Kleinmünze aus Thessalien, welches
bekanntlich sizilische Motive aufgriff (Liampi 1996,
111, Nr. 6, Taf. 5, 38).
[90]
Crawford 1974, Nr. 453/1a–e. Zum
Münzmeister: Münzer 1933 und Walser 1960.
[91] Walser
1960 mit den früheren, kaum überzeugenden, aber heute
noch im Münzenhandel gelegentlich zu findenden
Deutungsversuchen. Der Bruder des Münzmeisters, Munatius
Plancus, gelangte nach der Ermordung des Plautius 43 v.
Chr. in den Besitz des Gemäldes und weihte es anlässlich
seines Triumphs über die Gallier dem Jupiter. Eine
alternative Sicht bietet Vollenweider 1966, 29 Anm. 18.
[92] Vgl.
auch die Gemmen und Glaspasten mit dem gleichen Motiv
bei Vollenweider 1966, Taf. 19 f., die allesamt das
Gesicht der Victoria sehr gut erkennen lassen.
[93] Walser
1960, 220. Vgl. auch Zehnacker 1971, 601, der nicht mit
einem Wort auf die Vorderseitengestaltung eingeht.
[94] Vgl.
aber Vollenweider 1966, 29 mit Anm. 18 mit einer
Betonung der liberalitas des Plautius.
[95]
Crawford 1974, 468.
[96] Vgl.
Paoletti 1988, 351 Nr. 111 mit der falschen Behauptung,
das Gorgoneion weise in allen Varianten ein Grinsen auf.
Das Spektrum in der Darstellung des Mundes reicht
vielmehr von einem leichten Lächeln über ein breites
Grinsen über ein aufgerissenes Maul bis hin zu trübe
heruntergezogenen Mundwinkeln. Siehe auch Haymann 2021b
für ein Exemplar mit ›schrägem Blick‹.
[98]
Groag 1900.
Crawford 1974, Nr. 463/2.
[99] s. auch
die zahlreichen Medusenhäupter aus caesarischer Zeit bei
Vollenweider 1966, 25, 27, 28, 48–50 etc.
[100]
Auch Crawford 1974, 468 erwägt, ob das Gorgoneion nicht
als Alexander-Reverenz fungiert haben könnte. Vgl. auch
Groag 1900 der, Cavedoni folgend, annimmt, dass
Ägismotiv verweise darauf, dass Cordius Pompeius bei
dessen Mithradateskrieg begleitet habe und somit als
pompeianischer Münzmeister anzusehen sei.
[101]
Bastien 1980, 267.
[102]
Bastien 1980, 269.
[103]
Bastien 1980 bietet auf seinen Tafeln II–V die
eindrucksvollsten Beispiele.
[104]
Auf Panzer bei Hadrian:
https://www.coinarchives.com/a/openlink.php?l=19910|21|496|02b3b7e839eeb84179604848147e5c5f
. Auf Panzer bei Geta
https://www.coinarchives.com/a/openlink.php?l=66181|71|959|42f69c0e00555880f13b203e627fb059
.
[105]
Auf Schild bei Pius:
https://www.coinarchives.com/a/openlink.php?l=40032|43|556|bd0027406f48f714d12dc1de747133cf
.
[106]
RIC
IV,1, Nr. 205A.
[109]
Auktion Calicó 241, 2012, 167 (= Auktion CNG 36, 1995,
2437).
[110]
RIC IV,1, Nr. 165
(Caracalla) und
286
(Sept.).
[111]
Zuletzt Lichtenberger 2011, 199–202. im Abschnitt »Fünf
programmatische Köpfe«. Seine Ergebnisse erscheinen mir
nicht überzeugend, v.a., weil er sich nicht von der
Deutung des Gorgoneions als »Apotropaion« lösen kann.
Lichtenberger stellt die Medusen-Motive zusammen mit dem
ebenfalls frontalen Ammonskopf. Er verweist auf die
Literatur zu den Fora, in der mehrfach auf das
gemeinsame Vorkommen von Gorgoneia und Ammonsköpfen als
Bildschmuck verwiesen wird. Dieses Archtitekturelement
wird i.A. ›apotropäisch‹ gedeutet. Lichtenberger
betrachtet es als »innovativ«, Elemente kaiserlicher
Repräsentation von der Architektur auf Münzen zu
übertragen. Die Deutung, dass die Gorgo-Münzen eine
bewusste Anspielung auf die Forenarchitektur seien,
bereitet aber große Schwierigkeiten. Ein solch direktes
Zusammenspiel ist meines Erachtens für die römische
Münzprägung bislang sonst nicht belegt. Zudem lässt
diese Deutung die Legende PROVIDENTIA außer Acht.
[113]
RIC IV,1, Nr. 90. Hill weist
darauf hin, dass die Gesichtszüge von Kaiser und
Gottheit identisch sind. Hinzuzufügen ist, dass Roma
kurzes Haar und Koteletten trägt.
https://pro.coinarchives.com/a/lotviewer.php?LotID=814142&AucID=1521&Lot=300
[114]
Von Lichtenberger als Roma gedeutet.
RIC IV, I, Nr. 206 (Septimius S.;
P M TR P COS III P P); sowie mit der Legende RESTITVTORES
VRBIS: Auktion CNG Triton I, 1997, Nr. 1528 –
falsch bei Lichtenberger 2011, 201 mit Anm. 178
(Fehllesung der Legende) 203 f. und Abb. 151.
[115]
Lichtenberger 2011, 199. Datierung 202–210 n. Chr.;
Denar.
[116]
Gegen Pink 1933, 42 Anm. 39.
[117]
Eckhel 1828, 186 f. unter Verweis auf Macr. Sat. L. I.
c. 17 (Inschrift auf Delos, die pronoia Athenas
lobend) und die MINERVA SANCT(a)-Denare (RIC
IV, I, Nr. 98), die 202 in Laodikeia
für Geta geprägt wurden. Vgl. Paoletti 1988, 363 der aus
der in der Kaiserzeit üblichen Verwendungen der Ägis im
Avers zunächst auf einen Bezug zu Jupiter schließt, dann
aber auch nicht ausschließen kann, dass die Ägis auf
Minerva verweist. Six 1885, 75 und 90 dagegen geht nicht
näher auf die mögliche Bedeutung der Legende ein,
sondern setzt diese Münzen (zusammen mit anderen
kaiserzeitlichen Zeugnissen) in Beziehung zu Lukian, quo
modo hist. conscrib. § 27, wo der kaiserliche Schild,
verziert mit einem Gorgoneion, beschrieben wird.
[118]
So auch der Kommentator zu Auktion
Leu 1, 2017, Nr. 259.
[119]
Minerva kommt indes im Prägeprogramm des Victorinus
nicht vor. Auch Victorinus wird damit kaum auf
kaiserliche Fora haben verweisen wollen, wie
Lichtenberger meinte.
[120]
Schulte 1983, 57.
[121]
Verg. Aen 8,435–438: aegidaque horriferam, turbatae
Palladis arma, / certatim squamis serpentum auroque
polibant / conexosque anguis ipsamque in pectore divae /
Gorgona, desecto vertentem lumina collo (Übers.:
Hertzberg).