Die Religionssoziologie fragt nach der sozialen Funktion, die Opfer heute noch, nach Aufklärung und Säkularisation, haben könnte, zumal da ihr affektueller Charakter durch die Spiritualisierung in den Hochreligionen weitgehend verlorengegangen ist. Die Sündenbocktheorie Girards, vor allem sein Hinweis auf die affektbindende und identitätsstiftende Bedeutung von Religion kann in soziologischen Begriffen wie Selbststigmatisierung und Charismabildung aufgenommen werden, die jedoch nicht nur auf religiöse Phänomene zutreffen. Wie man sich eine opfertheoretische Bändigung der gegenwärtigen Konflikte vorzustellen hätte, da ja nach der Religion auch der Wohlfahrtsstaat seine friedensstiftende Funktion immer weniger erfüllen kann, bleibt offen.