Besonders im Lebenslauf von Weibchen stellt die Reproduktion eine Phase von hohem Energie- und Zeitaufwand dar. Sind die Resourcen eines Individuums limitiert, muss das Weibchen die zur Verfügung stehende Energie auf die verschiedenen Prozesse des Körpers aufteilen. Diese Prozesse lassen sich in die drei Bereiche Selbsterhalt, Wachstum und Reproduktion aufteilen. Investiert das Tier viel Energie in die Reproduktion, steht ihm diese Energie nicht mehr zur Aufrechterhaltung anderer wichtiger Prozesse zur Verfügung. Eine Allokation zugunsten der Reproduktion führt dann möglicherweise zu einem "trade-off" zwischen Reproduktion und anderen physiologischen Prozessen. In diesem Kontext wird eine verringerte Immunkompetenz als Ergebnis des erhöhten Energiebedarfs während der Reproduktionsphase diskutiert (Apanius V 1997 Adv Stud behav 27). Eine verringerte Immunkompetenz kann zu einem erhöhten Krankheitsrisiko (z.B.: Parasitenbefall) oder auch zu einer erhöhten Mortalität führen.
Weibliche Hausmeerschweinchen (Cavia porcellus) eignen sich besonders gut zur Untersuchung dieser Zusammenhänge, da sie während der Reproduktionsphase eine große Menge zusätzlicher Energie benötigen. Sie produzieren während der Tragzeit etwa die Hälfte des eigenen Körpergewichts an Jungtiermasse, während der Laktationsphase etwa ihr eigenes Gewicht an Milch.
Diese Studie prüft, ob sich der stark erhöhte Energiebedarf von Hausmeerschweinchen-Weibchen während der Reproduktionsphase negativ auf das Immunsystem der Tiere auswirkt.
Um die Auswirkung von Tragzeit und Laktation auf das Immunsystem bei weiblichen Hausmeerschweinchen zu überprüfen, wird während der Tragzeit oder am ersten Tag der Laktation und eine Woche später eine Immunisierung mit Keyhole Limpet Haemocyanin (KLH) durchgeführt. Die gegen dieses Antigen gebildeten Antikörper werden im Blutserum der Tiere bestimmt.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich eine Immunisierung mit KLH nicht auf konditionelle Parameter der Mütter und Jungtiere auswirkt. Die Immunantwort der während der Tragzeit immunisierten Mütter unterscheidet sich nicht von der Immunantwort nicht reproduzierender Weibchen. Die Immunantwort der während der Laktation immunisierten Weibchen fällt jedoch signifikant geringer aus als die Immunantwort der trächtigen und nicht reproduzierenden Tiere.
Während der Laktation sind die Tiere also nur in der Lage, eine sehr schwache Immunantwort zu generieren. Möglicherweise besteht zu diesem Zeitpunkt der oben beschriebene "trade-off" zwischen Reproduktion und Immunsystem.
Diese Arbeit zeigt erstmalig den erstaunlichen Befund eines funktionellen trade-off's im Laktationsstadium, der - wie auch immer verursacht - zu erheblichen Kosten der Fortpflanzung für die Mütter führen kann.