Die Funktionen des zentralen Nervensystems werden maßgeblich durch die Interaktion und Kommunikation zwischen den Neuronen gesteuert. Proteine der extrazellulären Matrix und Zellerkennungsmoleküle auf der Zellmembran sind wichtige Bestandteile dieser Interaktion. In der vorliegenden Arbeit wurden die möglichen Auswirkungen des Fehlens des extrazellulären Matrix Proteins Tenascin-R (TN-R) und des Zellerkennungsmoleküls CHL1 auf das Verhalten von Mäusen untersucht.
TN-R ist ein wichtiger Bestandteil der extrazellulären Matrix des Gehirns. In dieser Studie wurde das Verhalten TN-R defizienter Mäuse im Vergleich zu ihren Wildtyp Geschwistern untersucht. Eine Langzeitstudie, welche Tests zum Explorationsverhalten und Angstverhalten sowie zur Motorik und Kognition beinhaltete, wurde durchgeführt. Die Mäuse wurden in unterschiedlichen Altersstufen und unter unterschiedlichen Haltungsbedingungen getestet. TN-R defiziente Mäuse zeigten eine verminderte Motivation zu Erkunden und erhöhte Ängstlichkeit im offenen Feld, freiwilligen offenen Feld und erhöhtem Plus Labyrinth. Des Weiteren zeigte sich, dass das Angstverhalten der TN-R defizienten Mäusen stärker von Umweltfaktoren beeinflusst wurde als das der Wildtyp Mäuse. TN-R defiziente Mäuse wiesen zudem Beeinträchtigungen in der motorischen Koordination beim Seil-Hängen, Rotarod und Stab Test auf. Demzufolge führt das Fehlen von Tenascin-R bei Mäusen zu einem veränderten Verhaltensprofil, welches sich unter natürlichen Bedingungen nachteilig auf das Überleben auswirken könnte.
Mäuse, denen das Zellerkennungsmolekül CHL1 fehlt, zeigen Verhaltensänderungen, welche einigen Symptomen der Schizophrenie ähneln. Die Entstehung von Schizophrenie wird auf das Zusammentreffen von genetischer Prädisposition und von negativen Erfahrungen in der frühen Entwicklung zurückgeführt. Somit stellte sich die Frage, ob CHL1 defiziente Mäuse anfälliger für postnatale Störungen sein könnten als Wildtyp Mäuse. Wir untersuchten, welchen Einfluss eine tägliche Trennung vom Muttertier auf das Verhalten von CHL1 defizienten Mäusen und deren Wildtyp Geschwistern hat. Männchen und Weibchen wurden als Erwachsene in einer Langzeitstudie mit Tests zum Explorationsverhalten und Angstverhalten, zur sozialen Interaktion, Motorik und Kognition getestet. Die maternale Separation führte bei Männchen beider Genotypen zu Hyperaktivität und bei Weibchen beider Genotypen zu einem impulsiveren oder weniger gehemmten Verhalten. Somit kann maternale Separation das Verhalten männlicher und weiblicher Mäuse langfristig beeinflussen. Die maternale Separation zeigte bei den meisten Parametern einen ähnlichen Effekt bei beiden Genotypen, jedoch konnten Hinweise auf eine mögliche Verminderung des Arbeitsgedächtnisses (ein Hauptsymptom der Schizophrenie) spezifisch bei männlichen CHL1 defizienten Mäusen gefunden werden.