Die Dissertation untersucht die Genese und das Scheitern des ersten modernen, des republikanischen Nationalismus der United Irishmen in Irland im ausgehenden 18. Jahrhundert (1782-1798). Ausgehend von der These, dass Nationalismen - jenseits ihrer strukturfunktionalen Analogien und Parallelitäten - spezifische Hervorbringungen der Gesellschaften sind, in denen sie entstehen, untersucht die Fallstudie eine doppelte Fragestellung:
1. Wie kommen Menschen in einem Land, das aufgrund seiner kolonial geprägten Gesellschaftsstruktur fundamental fragmentiert ist, auf den Gedanken, ein Nationskonzept zu entwickeln, das - zumindest in der Theorie - alle Bevölkerungsgruppen zu integrieren versucht und wie hofften diese Nationalisten, in der breiten Bevölkerung Unterstützung für diese Vorstellung generieren zu können?
2. Aus welchen Gründen scheiterte dieses Projekt trotz der stimmigen Argumentation und des enormen Einsatzes seiner "Schöpfer"?
Diese Fragestellungen beantwortet die Arbeit mit einem Dreischritt.
Ausgehend von einer Kritik der Implikationen modernisierungstheoretisch informierter Nationalismustheorien wird zunächst eine Konstellationsanalyse der irischen Gesellschaft im 18. Jahrhundert vorgenommen, um innergesellschaftliche Konfliktpotentiale und Interessengegensätze zu identifizieren, die einer nationalen Mobilisierung der Bevölkerung potentiell im Weg standen, aber auch um Interessen und Orientierungen herauszupräparieren, an die eine "nationalbewusste Minderheit" für ihr Nationalisierungsprojekt anknüpfen konnte.
Im zweiten Schritt erfolgt eine klassisch sozialgeschichtliche Trägerschichtenanalyse, in der die Organisationen untersucht werden, die für die "Entwicklung" und Verbreitung des republikanischen irischen Nationalismus in den 1790er Jahren verantwortlich zeichneten. Neben der Frage nach der sozialen und beruflichen Zusammensetzung der Mitgliederschaften der drei schwerpunktmäßig behandelten Organisationen - den United Irishmen, dem Catholic Committee und den Defenders - geht es auch um Organisationsformen und deren Wandel sowie das Politikverständnis, das diesen Organisationsformen zugrunde lag.
Im dritten Teil wendet sich die Arbeit dem Kernthema zu -- dem Prozess der Konstruktion der republikanischen Nation, den Prozessen nationaler Mobilisierungsbemühungen von oben und der Re-imagination nationaler Vorstellungen von unten, die in der Arbeit als komplementäre Aspekte der Genese des republikanischen Nationalismus betrachtet werden. Diesen Gegenständen nähert sich die Arbeit mit einer Bricolage aus begriffsgeschichtlichen, ideologiegeschichtlichen und hermeneutischen Methoden.
Abschließend werden die Ergebnisse der Arbeit vor dem Hintergrund der Debatte um den Act of Union (1799/1800) resümiert und diskutiert. Die Kernthese der Arbeit ist, dass die nationalen Vordenker und Visionäre einer unabhängigen irischen Nation aufgrund des besonderen kolonialen Bedingungs- bzw. Entstehungszusammenhangs diese Nation nur politisch-ideologisch entwickeln, argumentativ vertreten und legitimieren konnten, dass sie damit aber gleichzeitig nicht in der Lage waren, ein praktisch erleb- und erfahrbares Nationskonzept zu konstruieren und so - aus einer Vielzahl von Gründen - daran scheiterten, die unterbürgerliche Bevölkerungsmehrheit in einem solchen Ausmaß und so tiefgreifend national zu mobilisieren wie es notwendig gewesen wäre, um die "Great Rebellion" von 1798 - ungeachtet aller strategischen, logistischen und organisatorischen Schwierigkeiten - in einen Erfolg zu verwandeln.