Die vorliegende Arbeit zeigt den Einfluss und die Bedeutung des P-Glykoproteins auf die Blut-Hirn-Schrankenfunktion von zentral wirksamen Medikamenten und Steroiden.
Das P-Glykoprotein ist das Genprodukt des Multi-Drug-Resistance-Gens. Es ist ein transmembranäres Protein, dessen Funktion darin besteht, seine Substrate unter Energieverbrauch gegen einen Konzentrationsgradienten aus der Zelle zu transportieren. Das P-Glykoprotein wird u.a. an der Blut-Hirn-Schranke auf der dem Gefäßlumen zugewandten Seite der Endothelzellen der kleinen Hirngefäße exprimiert. Es behindert die Penetration seiner Substrate in das Gehirn, indem es sie aktiv zurück ins Blut transportiert und damit die Hirnkonzentrationen niedrig hält.
An mdr1ab(-/-) Doppel-Knock-out-Mäusen ohne funktionsfähiges P-Glykoprotein und Kontrollmäusen konnten wir zeigen, dass auch wichtige und klinisch häufig genutzte Medikamente, die zur Therapie zentralvenös verursachter Erkrankungen eingesetzt werden, in ihrer Penetration ins Gehirn durch das P-Glykoprotein beeinflusst werden.
Die Antidepressiva Amitriptylin, Citalopram, Paroxetin und Venlafaxin sowie zum Teil auch deren Metabolite erwiesen sich als gute Substrate des P-Glykoproteins an der Blut-Hirn-Schranke. Im einzelnen wurden Experimente nach peripherer Einmalinjektion, nach Langzeittherapie mit osmotischen Pumpen und pharmakokinetische Experimente durchgeführt. Für die Substrate des P-Glykoproteins zeigten sich höhere Medikamentenkonzentrationen in den Gehirnen der Tiere, die kein funktionstüchtiges P-Glykoprotein im Vergleich zu Kontrolltieren hatten. So waren die Hirnkonzentrationen von Citalopram, Venlafaxin und Paroxetin in den Gehirnen der Mutanten nach peripherer Gabe zwei- bis dreimal höher als in den Kontrolltieren. Für Amitriptylin konnte in Kinetik- und Langzeitstudien gezeigt werden, dass die Hirnkonzentrationen der Metabolite in Tieren ohne funktionstüchtiges P-Glykoprotein bis 10fach höher waren als bei den Tieren, in denen ein aktiver Rücktransport durch das P-Glykoprotein in den Endothelzellen der Hirnkapillaren an der Blut-Hirn-Schranke zurück ins Blut stattfindet. Der Einfluss des P-Glykoproteins auf die therapeutische Wirksamkeit zentral wirksamer Medikamente und die Entwicklung von Therapieresistenz bei intaktem aktivem P-Glykoprotein und deren Beeinflussung werden diskutiert. Nicht alle Medikamente stellten sich als Substrate des P-Glykoproteins heraus, so waren Trimipramin, Doxepin und deren Metabolite nur sehr schwache Substrate. Mirtazapin und das Neuroleptikum Melperon waren kein Substrate.
Auch endogen vorkommende Steroide wie Aldosteron, Corticosteron und Cortisol und synthetische Steroide wie Dexamethason zeigten sich als Substrate des P-Glykoproteins an der Blut-Hirn-Schranke. In mdr1ab(-/-) Knock-out-Mäusen waren deren Hirnkonzentrationen nach peripherer Gabe bis 5fach höher als in mdr1ab(+/+) Kontrollmäusen. Progesteron und Östradiol erwiesen sich nicht als Substrate.
Die regulatorische Funktion des P-Glykoproteins auf den Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achsenregelkreis wird diskutiert. Es bestanden deutliche endokrinologische Differenzen zwischen den Knock-out-Mutanten und den Kontrollen. Die ACTH-Plasmakonzentrationen waren in den mdr1ab(-/-) Mutanten unter Basal- und Stressbedingungen sowie in den Funktionstesten deutlich und signifikant erniedrigt. Des weiteren fanden sich Differenzen in endokrinologischen Funktionstesten wie dem Dexamethason-Suppressionstest. Die wichtige regulatorische Funktion sowie deren Beeinflussbarkeit durch Umweltfaktoren, u.a. auch Komedikation, und genetische Faktoren wie Polymorphismen werden erörtert.