Amazonasdelfine (Inia geoffrensis) sind im gesamten Amazonas- und Orinocobecken verbreitet. In Ecuador kommen sie in den Flusssystemen des Pastaza, Curaray, Napo und Aguarico vor. Bisher gibt es nur sehr wenig Informationen über die Populationsdynamik, die Habitatnutzung oder das Sozialsystem von Inia, auch fehlen standardisierte Methoden, um beispielsweise Populationsschätzungen aus verschiedenen Studiengebieten miteinander vergleichen zu können. Darüber hinaus sind Flussdelfine durch die Zerstörung ihrer Lebensräume in ihrem Verbreitungsgebiet und auch im Cuyabeno Reservat bedroht.
Das Verbreitungsgebiet des Amazonasdelfins im Cuyabeno Reservat erstreckt sich über ca. 381 Flusskilometer entlang des Aguarico und seinen Zuflüssen. Für die Populationsschätzungen wurden zwei verschiedene Methoden angewandt, die Strip Transect Methode, unter Einbeziehung der Sichtungswahrscheinlichkeit und die Methode der Mehrfachsichtungen von photographisch identifizierten Tieren. Die Sichtungswahrscheinlichkeit (p) von Inia wird signifikant vom Wasserstand und von der Größenklasse der Tiere beeinflusst und ist unter Niedrigwasserbedingungen am größten (p = 0,67). Die Populationsdichte im Cuyabeno Reservat schwankt von 0,04 Inia/km Fluss bei Hochwasser bis zu 0,47 Inia/km Fluss bei Niedrigwasser. Die Populationsgröße betrug 79 Tiere in der Trockenzeit von 1996/1997 und 60 Tiere in der Trockenzeit von 1997/1998, die über die Strip Transect Methode berechnet wurde. Im Vergleich dazu wurden 61,2 Tiere in der Trockenzeit von 1997/1998 über die Marc Recapture Methode ermittelt, was zeigt, dass die Methode eine weitere Möglichkeit für Populationsschätzungen von Amazonasdelfinen darstellt.
Bevorzugte Habitate des Amazonasdelfins sind Lagunen mit Igapós und Schilfbereiche bei höheren Wasserständen sowie die Mündungsbereiche von Schwarzwasserflüssen mit Weißwasserflüssen bei niedrigen Wasserständen. In diesen Habitaten wurde auch das reichste Verhaltensspektrum beobachtet. Innerhalb des Reservats konnten mit Hilfe von identifizierten Tieren kurzfristige Wanderungen von bis zu drei Tagen von weniger als 20 km und langfristige Wanderungen bis über 200 km nachgewiesen werden.
Das Reservat scheint eine große Bedeutung für die Aufzucht von Kälbern zu haben, da 30 v.H. der beobachteten Tiere Kälber waren. Dies kann unter anderem ein Grund dür die soziale Organisation der Tiere sein, denn Gruppen waren häufiger zu beobachten als Einzeltiere.
Die Qualität des Lebensraums im Cuyabeno Reservat ist stark abhängig von den angrenzenden Ölfeldern, die ihre Abwässer in die Zuflüsse des Reservats entlassen, was durch mehrere Wasseruntersuchungen nachgewiesen werden konnte. Auch der Verkehr von Kanus mit Außenbordmotoren hat einen negativen Einfluss auf die Delfine und äußert sich unter anderem in der Erhöhung der Atemfrequenz.
Der Status von Inia geoffrensis im Cuyabeno Reservat ist daher unsicher. Seit 1994 konnte ein geringfügiger Rückgang der Population der Amazonasdelfine beobachtet werden und Nachforschungen über die Präsenz des sympatrisch lebenden Tucuxi (Sotalia fluviatilis) ergaben, dass diese Art seit 1990 aus dem Reservat weitgehend verschwunden ist. Weitere Monitoringarbeiten über die Populationsdichte und -größe sowie eine intensivere Erforschung des Sozialsystems des Amazonasdelfins sind empfehlenswert für den Schutz dieser Art.