Erstmals wird Interkulturelle Jugendhilfe umfassend professionalisierungstheoretisch bestimmt. Nach klassischer Auffassung konstituiert sich eine Profession über ein zentrales gesellschaftliches Problem, das sie exklusiv bedient. Dieses stiftet ihre Einheit. Im Rahmen der revidierten Professionalisierungstheorie von ULRICH OEVERMANN wird Soziale Arbeit als eine gesellschaftliche Instanz stellvertretender Krisenbewältigung ausgewiesen. Zusammen mit der Medizin und Psychotherapie ist sie betraut mit der Wiederherstellung der Autonomie der Lebenspraxis in ihrer Einheit von Soma, Psyche und Sozialität. Der spezifische Fokus von Jugendhilfe liegt in der Restitution der Integrität von Sozialität in der Konkretion der Familie. Die Familie als gesellschaftliche Sphäre trägt in sich die Momente der Familie als ödipale Triade einerseits und der Adoleszenz andererseits (HEGEL, LEVI-STRAUSS).
Aus der Perspektive der Interkulturellen Jugendhilfe erscheinen die Strukturen von Sozialität als die »ethnische Ordnung« einer Gesellschaft. Unter Rückgriff auf die Studien von EMMANUELL TODD wird ein Begriff von den objektiven Strukturen von Ethnizität entwickelt und damit in Ergänzung zu den vorherrschenden instrumentalistischen bzw. konstruktivistischen Ansätzen der primordialistische Ethnizitätsansatz revitalisiert. Dieser Ansatz ermöglicht die Diagnose, nach der in den meisten modernen Einwanderungsgesellschaften die ethnische Ordnung durch eine Sozialpathologie (AXEL HONNETH) gekennzeichnet ist. Interkulturelle Jugendhilfe leistet stellvertretende Bewältigung von sozialpathologisch induzierten Individuierungskrisen.
Aspekte dieser Strukturbestimmung werden im fallrekonstruktiven Teil der Arbeit an der Evaluation eines Antirassismustrainings einer empirischen Bewährung ausgesetzt. Es werden die Protokolle von zwei Veranstaltungen eines Antirassismustrainings interpretiert, die mit zwei Schulklassen veranstaltet worden sind. In den Fallrekonstruktionen (Auswertungsmethode: Objektive Hermeneutik) wird gezeigt, dass das Training nicht lediglich auf das Ziel ausgerichtet ist, Wissen um die Funktionsweise von Rassismus und Diskriminierung zu vermitteln. Dies wäre eher Aufgabe von Schule. Vielmehr widmet sich das Antirassismustraining dem krisenhaften Verhältnis des Individuums zur ethnischen Ordnung der Gesellschaft und bearbeitet lebenspraktische Individuierungskrisen in ihrer Einbettung in die objektiven Strukturen von Ethnizität. Abschließend wird gefragt, ob sich die sozialpädagogische Intervention innerhalb des Workshops ethisch rechtfertigen lässt. Dazu wird auf die universalen Regeln der Moral (BERNHARD GERT) zurückgegriffen. Es erweist sich, dass sich das Antirassismustraining nur legitimieren lässt, wenn es dem hier explizierten Strukturmodell Interkultureller Jugendhilfe folgt.