Untersucht wird der Zusammenhang der Bindungsrepräsentation mit der Präferenz für bestimmte Konfliktstile, mit der Interpretation des Partnerverhaltens und mit deren Verlauf in der Konfliktdynamik. Dabei werden auf individueller und auf Paarebene sieben übergeordnete Fragestellungen überprüft. In einer Studie mit beiden Partnern von 87 Paaren wurde ein dafür entwickelter Fragebogen eingesetzt, der für drei Konfliktabschnitte phasenspezifische Ausdrucksformen der Konfliktstile erfasst.
Die gefundenen Effekte sind bei den Männern insgesamt stärker ausgeprägt als bei den Frauen, entsprechen sich jedoch in der Richtung. Auf individueller Ebene wird gezeigt, dass die Bindungsrepräsentation in allen Konfliktphasen systematisch mit Angaben zum eigenen Konfliktverhalten und mit der Interpretation des Partnerverhaltens zusammenhängt. Zusammenhänge mit der Interpretation des Partnerverhaltens zeigen sich vor allem für die Bindungsangst, wobei größere Bindungsangst vor allem mit der Wahrnehmung einer geringeren Orientierung des Partners an den Interessen der Person selbst einhergeht. Zusammenhänge mit den Angaben zum eigenen Konfliktverhalten lassen sich dagegen vor allem für die Bindungsvermeidung belegen, wobei stärkere Vermeidung mit ausgeprägterem Ausweichen über die drei Phasen des Konflikts zusammenhängt. Zudem kann aus den Ergebnissen weiterer Aufschluss über den Zusammenhang der Bindungsangst mit distributiven Konfliktstilen gewonnen werden, für den in der Literatur ein widersprüchliches Bild vorliegt. Nach den vorliegenden Ergebnissen scheint ausgeprägte Bindungsangst zwar mit verstärktem Dominieren in der Anfangs- und Endphase des Konflikts zusammenzuhängen, in der Austragungsphase aber mit verstärktem Nachgeben einherzugehen.
Für diesen Effekt wird die Rolle der Interpretation des Partnerverhaltens als möglicher Einflussfaktor in weiteren Fragestellungen überprüft. Dabei bestätigt sich zwar, dass Bindungsunsicherheit über den Konfliktverlauf dynamisch mit einer Abnahme integrativer Strategien und einer Zunahme (dominierend) distributiver Strategien zusammenhängt, aber diese Entwicklung zu weniger konstruktiver Konfliktbearbeitung lässt sich nicht auf die Interpretation des Partnerverhaltens zurückführen. Statt dessen ergeben sich Belege dafür, dass die Probanden im Konflikt vor allem durch Faktoren innerhalb der eigenen Person beeinflusst sind, ihr Verhalten aber nicht nachweislich durch das Verhalten des Partners beeinflusst wird.
Die Befunde der Untersuchung werden insbesondere unter methodischen Gesichtspunkten und - kurz - mit Blick auf praktische Implikationen diskutiert. In der abschließenden Bewertung wird unterstrichen, dass die phasenspezifische Erfassung von Konfliktorientierungen einen neuen Forschungszugang eröffnet, der möglicherweise die widersprüchliche Befundlage aus der Literatur integrieren kann und zudem einen Ansatz bietet, sowohl intrapersonale Faktoren wie die Bindungsrepräsentation als auch interpersonale Faktoren wie das Verhalten des Partners in ihrem Zusammenspiel zu untersuchen.