In einer Serie korrelierter Experimente mit ansteigender Komplexität wurde die visuelle Wahrnehmung und Beurteilung fundamentaler Objekteigenschaften in verschiedenen Vergleichsszenarien untersucht. Unter Berücksichtigung von Objektähnlichkeit und raum-zeitlichen Objektrelationen stand dabei die Betrachtung der Einflüsse von peripherer Objektposition und der Länge und Orientierung von Liniensegmenten auf sequentielle und simultane Vergleichsprozesse im Mittelpunkt. Die Analyse von Blickbewegungsdaten gab Aufschluss über die perzeptiven und kognitiven Prozesse, die derartige Vergleichsoperationen steuern. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen bildeten die Grundlage für die entsprechende Implementierung computergestützter Modellsimulationen. Diese können dann etwa zur Steuerung von künstlichen visuellen Systemen eingesetzt werden.
Zunächst wurden Exzentrizitätseffekte im Rahmen des Paradigmas eines blick-kontingenten, sequentiellen Vergleichsszenarios untersucht. In einem ersten Experiment sollten Versuchspersonen die Position eines Zielmarkers in einem bestimmten Exzentrizitätsbereich beurteilen. In ähnlichen Szenarien wurde die periphere Wahrnehmung der Länge und Orientierung von Liniensegmenten untersucht. Die Ergebnisse zeigten eine hohe Korrelation zwischen dem Beurteilungsfehler der peripher wahrgenommenen Längen bzw. Orientierungen von Liniensegmenten und der Fehllokalisation der Markerposition. Die empirischen Daten gaben Anlass zu der Hypothese, dass die Lokalisation der Endpunkte eines Liniensegments und die "Berechnung" ihrer Distanz einen grundlegenden Mechanismus für die periphere Längen- und Orientierungswahrnehmung darstellen. Ein auf dieser Annahme basierender probabilistischer Modellansatz konnte die empirischen Ergebnisse zumindest für die Längenbeurteilung erfolgreich reproduzieren und unterstützt damit den Schluss auf die vermutlich zugrunde liegenden Wahrnehmungsprinzipien.
Anschließend wurden Ähnlichkeitseffekte im Rahmen des Paradigmas eines simultanen Vergleichsszenarios untersucht. Dabei lieferte eine Eyetracker-Apparatur die relevanten Blickbewegungsparameter, um die Bedeutung visueller Aufmerksamkeitsprozesse während Objektvergleichen nachzuvollziehen. In Abhängigkeit von der Diskriminierungsschwierigkeit zeigte die Analyse der Blickbewegungsdaten entweder eine holistische oder eine analytische Verarbeitungsstrategie, die sich in typischen Blickbewegungsmustern manifestierte. Die holistische Strategie ist offensichtlich ein peripherer Prozess per se. Im Gegensatz dazu ist die analytische Wahrnehmung gekennzeichnet durch ein charakteristisches Muster fovealer visueller Aufmerksamkeit, beeinflusst von peripheren Wahrnehmungsprinzipien. So stellt ein sakkadisches "visuelles Abmessen" von Längen, verbunden mit effizienten Fixationsmustern, die nur Teile von Liniensegmenten foveal scannen und die verbleibenden offensichtlich nur peripher wahrnehmen, die Basis für die Manipulation von korrespondierenden mentalen Repräsentationen von Liniensegmenten dar. Die Ergebnisse führten weiterhin zu einem besseren Verständnis spezieller visueller Phänomene wie z.B. der Horizontalen-Vertikalen-Täuschung. So lässt sich diese vermutlich auf das ungenaue Abmessen der beteiligten Liniensegmente bereits auf sensomotorischer Ebene zurückführen. Unter Einbezug von Komponenten des "Exzentrizitätsmodells" konnte schließlich ein erweitertes Computermodell entwickelt werden. Dieses war in der Lage, die von den Versuchspersonen gezeigten Strategien der Längenwahrnehmung erfolgreich zu reproduzieren.